Friday 28 November 2008

Anmerkung

"Ich hab das Gejammer schon langsam satt!"

Christoph Leitl
Das ist mir erstmal im Hals steckengeblieben. In dem "Wer ist Schuld"-Spiel, meinen die, auf deren Schuld sich die meisten einigen können, dass der Freie Markt deswegen versagt hat, weil er nicht wirklich frei war. Weil die Politik immer noch zu sehr eingegriffen hat. Wenn also die Akteure noch freier gewesen wären, sich irgendwelche vollkommen imaginären Dinge auszudenken, mit denen nicht existierendes Geld verdient werden kann, wäre jetzt alles gut [diese Menschen tendieren dazu, zu behaupten, dass Roosevelt die Wirschaftskrise verschlimmert hat, der New Deal eine furchtbare Idee war, und der zweite Weltkrieg das einzige Mittel gegen die Depression war - toll, dann haben wir ja einen Plan für die Zukunft.]
Der Ausgleich des Marktes, der jetzt stattfindet, soll aber trotzdem vom Staat abgefangen werden. Der Staat muss das tun, weil es ein Problem der Politik, nicht der Wirtschaft ist, wenn Millionen Menschen ihre Jobs verlieren, kein Dach mehr über dem Kopf haben, oder sich Lebensmittel und Wärme nicht mehr leisten können. In Wirklichkeit ist es auch ein Problem der Wirtschaft, aber hier existieren ja keine demokratischen Strukturen, die in "den natürlichen Ausgleich" eingreifen könnten.
Neben anderen Dingen gibt es keine bindenden Regeln, dass der bail-out nicht als Dividenden ausgezahlt wird, dass das Geld nicht dafür verwendet wird, andere Banken aufzukaufen statt Kredite zu vergeben, dass die Manager tatsächlich jene Verantwortung übernehmen, mit der sie bis jetzt ihre unvorstellbar hohen Gehälter gerechtfertigt haben.

Ich habe das Gejammer auch satt. Ich habe es satt, weil Jammern der falsche Gefühlsausdruck ist. All jene, die in dieser Welt noch länger als 20 Jahre leben werden, sollten nicht jammern, sondern wütend sein. And guess at whom.

2 comments:

c3o said...

Ich kenn jetzt den Kontext von diesem Zitat nicht... aber soweit ich das verstanden hab stimmt es schon, dass die Politik in einem bestimmten Bereich zu sehr eingegriffen hat: nämlich im amerikanischen Immobilienmarkt, als home ownership zum politischen Ziel erhoben wurde. In anderen Bereichen hingegen wurde viel zu wenig eingegriffen, aber die Schuldaufteilung zwischen Markt und Staat ist eben nicht gar so eindeutig. Die Formulierung "die, auf deren Schuld sich die meisten einigen können" klingt für mich irgendwie schon aus Prinzip suspekt ;) Anderswo: http://log.c3o.org/post/5877123/The-End-of-American-Capitalism

Nebenbei: Dein Blog ist super, bin seit einer Weile begeisterter Abonnent. The Blow-Videos plus Regierungsbildungs-Kommentar -- was für eine Kombination.

flame gun for the cute ones said...

Mein Vater meinte heute zu mir, dass dieser Kommentar wahrscheinlich nicht an die Öffentlichkeit, sondern an die Wirtschaft gerichtet war - ich habe so wütend reagiert, weil ich das falsch verstanden habe (und der ganzen Sache sowieso ein bisschen zu emotional begegne) - insofern war der Post sicher sehr einseitig, da stimme ich dir zu (ich hatte überlegt, ihn zu löschen...aber eine Auseinandersetzung ist natürlich vernünftiger).
Die Schuldaufteilung ist nicht klar, und ich entlasse auch nicht die Konsumenten aus ihrer Verantwortung, die ebenfalls ahnen hätten können, dass es langfristig nicht funktionieren kann, ihr Leben nur über Kredite zu finanzieren. Noch schlimmer, wenn so ein Lebensstil auch noch politisch propagiert wird! Aber die Politik eines Staates kann auch nicht zulassen, dass sich das wieder von selbst ausgleicht, denn dieser Ausgleich sieht tatsächlich so aus, dass tausende Menschen ihre Häuser verlieren und obdachlos werden - oder ihre Altersvorsorge verlieren, und so weiter. Gleichzeitig ist mir der bail-out auch suspekt - in liberalen Kreisen wird gerade diskutiert, ob es fair ist, dass hauptsächlich "white collar jobs" gerettet werden, während die Autoindustrie nicht in den Genuss einer gewaltigen Finanzspritze kommt (und die "blue collar worker" sind nicht dafür verantwortlich, dass die amerikanische Autoindustrie in den vergangenen Jahren auf die falschen Produkte gesetzt hat).

Vielen Dank für den Kommentar! Ich freue mich über jeden neuen Leser [und vor allem jene, die meine wilden Gedankensprünge wertschätzen :).