Wenn Blumfeld eine neue Platte rausbringen, geht ein Rauschen durch den Feuilleton–Blätterwald. In ungefähr gleichen Verhältnissen sind Musikjournalisten enttäuscht, weil sie sich was anderes erwartet hätten, oder sie nennen die neue Platte "die beste Blumfeld", weil sie innovativ und toll ist. Ich habe mit Blumfeld vor ungefähr drei Jahren begonnen, und für mich sind sie nicht die Ur-Referenz für Deutsche kluge Popmusik mit diskursfähigen Texten, weil zu dem Zeitpunkt Tocotronic irgendwie --- gewachsen waren, und auch dem Anspruch gerecht wurden, sowohl relevante Musik als auch kluge Texte zu produzieren.
Dies ist das sechste Album seit dem ersten, 1991 erschienenen "L'etat et moi". Und wiederum stellt sich die Frage, ob ich diesen neuen Alben nicht Zeit lassen sollte, schließlich gehöre ich zu den Menschen, die Tocotronics Weiterentwicklung auf "Pure Vernunft darf niemals siegen", von Befindlichkeit zur politischen Relevanz, wirklich gut fanden. Ich gehöre zu jenen, die Blumfelds letzte paar poplastige Alben nicht mochte, aber sehr wohl die Ironie von "Die Diktatur der Angepassten" versteht (wenn dieses Lied nämlich alle mitsingen, weil der Text so eindringlich ist). Kurz gesagt, Titel wie "Schnee", "Tiere um uns" und "Der Fluss" klingen für mich nicht unbedingt relevant, nein, sie klingen wie diese anschaulichen Naturbilder von Monet, oder noch schlimmer, romantisch-verklärter Lyrik. Ja, man kann die Natur als Quelle der Zufriedenheit ansehen und im Detail beschreiben, aber ist das noch relevanter Diskurspop? Wo beginnt biedermännisches Nach-Innen-Gekehrt-Sein?
Denn sie können schreiben was sie wollen, ich sehe in "Apfelmann" keinen Kommentar über die moderne Wirtschaft, darüber, dass es noch Wirtschaftsformen gibt, in denen der Produzent nicht von seinem Produkt entfremdet ist.
Aber natürlich kann man Jochen Distelmayer niemals absprechen, politisch relevant zu sein – dafür ist er einfach zu klug. Er gehört zu den Menschen, von denen man überzeugt ist, dass sie tiefsinnig und unpolemisch über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft reden könnten, aber zum Beispiel mag er es gar nicht, über seine Texte zu reden – nur dass man im Falle von Blumfeld schwer nicht über die Texte reden kann. Bei "Strohobo" fangen die Rätsel schon wieder an – da schreibt jemand, der viel Fernsieht, der sich der Veränderungen bewusst ist. "Die Trottel wissen nicht wohin mit ihren Aggressionen", und die Rede ist von Pornorappern. "Die Leute leben wie Schatten in ihrem Sehnen nach Sinn". Das klingt nach alten Klassikern wie "Mein System keine Grenzen". Wo Tocotronic zu griffigen Phrasen wie "Aber hier Leben Nein Danke" greifen, verwenden Blumfeld Rätsel, Orakel, Chiffren. In solchen Liedern ist dann auch die Musik griffiger und weniger kitschig – denn, um ehrlich zu sein, ist es vor allem die kitschige Musik, die für mich manche Blumfeld-Lieder unzugänglich macht.
Es sind die Anfänge, die vermuten lassen, dass jemand doch ungewöhnlich besorgt ist – mehr zumindest als auf manchen Songs aus "Jenseits von Jedem", und vor allem "Testament der Angst" (am Anfang 2001, als die Welt noch besser war). All das erinnert mich an eine Deutschstunde in der ich den Fehler machte, eines von Goethes Spätgedichten politisch statt persönlich/biografisch zu interpretieren, ganz einfach, weil mich die "These/Antithese/Synthese" Harmonie der Klassik ein wenig... nervös macht, um es freundlich zu sagen. Ich weiß dann nicht, was von mir gewollt wird, denn offensichtlich ist die Welt ja nicht schön, offensichtlich ist die Synthese irgendwo in der Ferne.
Was soll also all der Regen, all die Blumen all die Wolkenformationen und Tiere? ("April", "Tiere um uns"). Die Welt geht unter! Da kann man doch keine Lieder machen, die auch für kleine Kinder geeignet sind (Doris Knecht meinte im Falter, dass sei die beste Kinderliederplatte seit langem, aber sonst?). Ulkelele auf "Schmetterlings Gang".
Aber Moment – was wenn das alles ironisch gemeint ist? Schließlich würde man Jochen zutrauen, all dies ohne "" zu singen, und sich auf unseren klugen, scharfen Verstand zu verlassen.
Denn mein Lieblingssong heißt "Tics". Er beginnt als "Weil es Liebe es" und verwandelt sich dann in einen politischen Song.
Dies ist das sechste Album seit dem ersten, 1991 erschienenen "L'etat et moi". Und wiederum stellt sich die Frage, ob ich diesen neuen Alben nicht Zeit lassen sollte, schließlich gehöre ich zu den Menschen, die Tocotronics Weiterentwicklung auf "Pure Vernunft darf niemals siegen", von Befindlichkeit zur politischen Relevanz, wirklich gut fanden. Ich gehöre zu jenen, die Blumfelds letzte paar poplastige Alben nicht mochte, aber sehr wohl die Ironie von "Die Diktatur der Angepassten" versteht (wenn dieses Lied nämlich alle mitsingen, weil der Text so eindringlich ist). Kurz gesagt, Titel wie "Schnee", "Tiere um uns" und "Der Fluss" klingen für mich nicht unbedingt relevant, nein, sie klingen wie diese anschaulichen Naturbilder von Monet, oder noch schlimmer, romantisch-verklärter Lyrik. Ja, man kann die Natur als Quelle der Zufriedenheit ansehen und im Detail beschreiben, aber ist das noch relevanter Diskurspop? Wo beginnt biedermännisches Nach-Innen-Gekehrt-Sein?
Denn sie können schreiben was sie wollen, ich sehe in "Apfelmann" keinen Kommentar über die moderne Wirtschaft, darüber, dass es noch Wirtschaftsformen gibt, in denen der Produzent nicht von seinem Produkt entfremdet ist.
Aber natürlich kann man Jochen Distelmayer niemals absprechen, politisch relevant zu sein – dafür ist er einfach zu klug. Er gehört zu den Menschen, von denen man überzeugt ist, dass sie tiefsinnig und unpolemisch über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft reden könnten, aber zum Beispiel mag er es gar nicht, über seine Texte zu reden – nur dass man im Falle von Blumfeld schwer nicht über die Texte reden kann. Bei "Strohobo" fangen die Rätsel schon wieder an – da schreibt jemand, der viel Fernsieht, der sich der Veränderungen bewusst ist. "Die Trottel wissen nicht wohin mit ihren Aggressionen", und die Rede ist von Pornorappern. "Die Leute leben wie Schatten in ihrem Sehnen nach Sinn". Das klingt nach alten Klassikern wie "Mein System keine Grenzen". Wo Tocotronic zu griffigen Phrasen wie "Aber hier Leben Nein Danke" greifen, verwenden Blumfeld Rätsel, Orakel, Chiffren. In solchen Liedern ist dann auch die Musik griffiger und weniger kitschig – denn, um ehrlich zu sein, ist es vor allem die kitschige Musik, die für mich manche Blumfeld-Lieder unzugänglich macht.
Es sind die Anfänge, die vermuten lassen, dass jemand doch ungewöhnlich besorgt ist – mehr zumindest als auf manchen Songs aus "Jenseits von Jedem", und vor allem "Testament der Angst" (am Anfang 2001, als die Welt noch besser war). All das erinnert mich an eine Deutschstunde in der ich den Fehler machte, eines von Goethes Spätgedichten politisch statt persönlich/biografisch zu interpretieren, ganz einfach, weil mich die "These/Antithese/Synthese" Harmonie der Klassik ein wenig... nervös macht, um es freundlich zu sagen. Ich weiß dann nicht, was von mir gewollt wird, denn offensichtlich ist die Welt ja nicht schön, offensichtlich ist die Synthese irgendwo in der Ferne.
Was soll also all der Regen, all die Blumen all die Wolkenformationen und Tiere? ("April", "Tiere um uns"). Die Welt geht unter! Da kann man doch keine Lieder machen, die auch für kleine Kinder geeignet sind (Doris Knecht meinte im Falter, dass sei die beste Kinderliederplatte seit langem, aber sonst?). Ulkelele auf "Schmetterlings Gang".
Aber Moment – was wenn das alles ironisch gemeint ist? Schließlich würde man Jochen zutrauen, all dies ohne "" zu singen, und sich auf unseren klugen, scharfen Verstand zu verlassen.
Denn mein Lieblingssong heißt "Tics". Er beginnt als "Weil es Liebe es" und verwandelt sich dann in einen politischen Song.
"Die Leute jobben und wohnen in verkümmerten Zonen und finden nichts dabei. Die Götter sind korrupt. Das Leben ist nicht fair. Der Himmel ist kaputt. Die Träume stehen leer. Ich seh den Reichtum seh die Reste (...) seh die Hütten und die Paläste zwischen Crack und Milchkaffee. ich seh von fern die armen Sünder mit negativen Energien. Sie setzen Autos in Brand und werden die Auslagen plündern und um die Häuser ziehen. Andere geloben mehr Demokratie, Problem ist nur keiner glaubt noch an sie. Die Sieger schreiben Geschichte, ich sing meine Gedichte. Und mach mir Sorgen wie nie."Auf "Atem und Fleisch": "Es gibt kein nächsten Mal, es gibt nur diese Welt". Das klingt ja doch wie eine Botschaft in Richtung der Menschen, die tatsächlich meinen, dass Atombomben taktisch sein können. Der Song ruft zur Eigenverantwortung auf, was vielleicht eine der wichtigsten Eigenschaften, Tugenden, in dieser Welt ist.
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