Monday, 13 November 2006

My Life Without Me

Isabel Coixet, eine katalonische Filmemacherin, hat den schönsten Film darüber gemacht, warum es sich lohnt, am Leben zu sein. Ma Vida Sin Mi erfasst die Nuancen der menschlichen Gefühle mit einer Präzision, welche genau jene reality soaps, welche dies in der freien Wildbahn einfangen wollen, immer verfehlen, und gleichzeitig verzichtet sie auf jenes Element, welches Le fabuleux destin D' Amèlie Poulin zwar zu einem schönen Film, aber doch nicht zu einem relevanten Meisterwerk des 20. Jahrhunderts werden ließ: dieser elendiger Versuch, die Hauptfigur immer möglichst naiv, gutmütig, niedlich darzustellen. Sarah Polleys Ann ist nichts davon. Sie ist 23 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder, lebt mit ihrem Mann Don (Scott Speedman) in einem Wohnwagen hinter dem Haus ihrer depressiven Mutter (Debbie Harry) und arbeitet als Nacht-Reinungskraft in einer Universität. Wir lernen sie an einem Punkt ihres Lebens kennen, in dem alles plötzlich umgeworfen wird: sie erfährt, dass sie an Krebs leidet, und nur noch zwei oder drei Monate zu leben hat. Ws tut ein Mensch, der eine solche Nachricht erhält, der weiß, wann er sterben wird? ‘Your whole life’s been a dream and it’s only now that you’re waking up’ – Ann trifft eine Entscheidung, nämlich, ihrer Familie nichts davon zu erzähle, und schreibt gleichzeitig eine Liste der Dinge, die sie tun will, bevor sie stirbt – und diese Liste, diese Aufzählung an Dingen, zeigt auch die erste Stärke des Filmes auf, der dem Inhalt nach eigentlich ein fürchterlich trauriges Drama sein sollte (gewissermaßen ist er der Gegenentwurf zu einem anderen Film eines spanischen Filmemachers, Das Meer in mir, von Alejando Amenábar). Ann beschließt, jemanden dazu zu bringen, sich in sie zu verlieben, mit einem anderen Mann zu schlafen, als ihrem eigenen, und eine Frau zu finden, die ihre Rolle nach ihrem Tod übernimmt.
Das die darauf folgende Handlung gelingt, ist hauptsächlich der Hauptdarstellerin Sarah Polley zu verdanken – zusätzlich findet die Regisseurin wunderschöne Bilder eigentlich trivialer Orte, so dass allein schon die Farben des Filmes ihn zu einem Ereignis werden lassen. Ann trifft einen verschlossenen Landvermesser (gespielt von Mark Ruffalo) in einem Waschsalon, er verliebt sich sofort in sie, die beiden beginnen eine Affäre, ohne dass Ann jemals aufhört, in Don verliebt zu sein. Ann findet eine Ersatzmutter für ihre Kinder in einer neuen Nachbarin, die ebenfalls Ann heißt (gespielt von der spanischen Musikerin Leonor Watling).
Tatsächlich geht es in dem Film darum, jene Dinge zu zeigen, die ein Leben lebenswert machen, die ein Mensch verliert, wenn er stirbt – üblicherweise ist der Zuseher nur mit der Perspektive der Angehörigen konfrontiert, die in diesem Fall nicht existiert, da Ann nichts von ihrer Diagnose weitererzählt. Sie nimmt Tonbänder für ihre Kinder und ihren Ehemann auf, ohne jemals in irgendwelche Klischees zu tappen. Dieser Film ist die Messlatte für jeden weiteren, der über Trauer, Liebe oder Familien erzählen will, und viele werden an ihm scheitern.

2003, Regie: Isabel Coixet, mit Sarah Polley, Amanda Plummer, Scott Speedman, Leonor Watling, Deborah Harry, Mark Ruffalo, Maria de Medeiros.

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