Friday 29 June 2007

Diskurspop

1. Alle reden über Danah Boyds Essay über die class division zwischen Facebook und MySpace. Auf der einen Seite die elitären College-Studenten, die sich dort die Netzwerke für ihr späteres Leben aufbauen, denen man aber auch immer wieder sagen muss, dass sie ihre "ich mache eine Orgien-Party"-Fotos nicht unbedingt auf eine Plattform stellen sollten, die potentielle spätere Arbeitgeber in die Bewertung miteinbeziehen. Auf MySpace tummeln sich, wenn man Boyds Argumentation folgt, die Ausgeschlossenen, die Außenseiter: Man könnte aber auch sagen, die Kreativen. Im Mittelpunkt der Selbstdarstellung steht das Einzigartige, das Besondere, das Individuelle.
Ob sich das auch auf Europa oder Österreich übersetzen lässt, weiß ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass studivz, die Entsprechung für Facebook (da es per Definition auf Studenten begrenzt ist, auch wenn es einige Nicht-Studenten und Schüler inzwischen auch schon geschafft haben), irgendeine besondere Relevanz haben wird. Aber vielleicht muss ich in einigen Monaten Artikel lesen, in denen steht, dass zukünftige Arbeitgebeber auch in Österreich die Fotoalben und die Größe des Netzwerkes ihrer potentiellen Mitarbeiter überprüfen.

äterer Eintrag bei Basic Thinking (Sind Social Networks wie StudiVZ potenzielle Job-Killer?)

Privacy 2.0 (Ohje, StudiVZ)

Deutsche Politiker und selbst jene, die eigentlich per Definition technisch versiert sein müssten, kennen sich nicht mit dem Internet aus. Nun ist es altbekannt, dass Politiker nicht unbedingt Spezialisten auf jenem Feld sind, für welches sie verantwortlich sind: Neu erscheint mir nur, dass der deutsche Wirtschafts- und Technologieminister dies ohne zu zögern eingesteht, als gäbe es immer noch einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass man ab einem gewissen Alter einfach nichts mehr mit dem Internet anfangen muss (das ist "für die Jungen", nichts, was ernstgenommen werden müsste). Ich bin davon überzeugt, dass die Situation in Österreich nicht viel besser ist, hier wissen politische Parteien auch nicht recht, was sie mit dem Internet tun sollen (ein gutes Beispiel: Die ÖVP versuchte vor einigen Jahren, eine junge Garde daraufhin auszubilden, in den Foren anderer Parteien negative Kommentare zu hinterlassen. Der Skandal wurde von zwei Maulwürfen aufgedeckt). Politikerblogs sind selten: einerseits gibt es den Aufdecker Peter Pilz (Grüne), andererseits Josef Pröll, das "neue Gesicht der ÖVP" (die passende Überschrift: "welten. werte. wege. die övp im gespräch"). Grundsätzlich sehe ich das Internet als große Chance für die Politik, vor allem, da sich die Politiker ind en letzten Jahren mehr und mehr dem ehrlichen Diskurs entziehen (ja, Aufgabe der Presse ist es, die Informationen von den Politikern, die entscheiden, zu den Wählern, über die entschieden wird, zu transportieren, und jede Verweigerung der Kommunikation bedeutet immer fehlende Legitimität). Aber inwieweit dieses Ideal des "freien, anarchischen" Internets heute überhaupt noch zutrifft... wahrscheinlich gar nicht mehr, leider.

Jetzt noch etwas, das mir gestern über den Weg gelaufen ist: die SPÖ unterstützt jetzt auch eine breitgefächerte Kampagne gegen das vieldiskutierte "Komatrinken" der Jugend. Leider scheitert auch sie gänzlich an der Aufgabe, mit Jugendlichen zu reden, ohne sich anzubiedern. Überschrift: "fit statt fett" (was ironischerweise schon der Name einer deutschen Kampagne war, bei der es natürlich nicht um Alkohol, sondern um Essen ging). Aufhänger: "schick uns deine fetten Sprüche, ey, gegen den Alkoholkonsum, mann". Das der Spruch ironisch gemeint ist, und all jene, die sich über die Dummheit geärgert haben, nur aufgerufen sind, einen besseren zu finden, findet man auch erst heraus, wenn man die Website besucht: dort zerstört sich die subtil aufgebaute Kritik an der dummen, vereinfachenden, anbiedernden Sprache aber postwendend selbst, denn das ganze ist ein "Mega-Gewinnspiel". "Trag dein Trauma zum Psychologen, nicht zum Wirt". "Wonnst nix mehr siachst, woars zu vü". Ach Quatsch. Und über Laura Rudas, junge Nationalratabgeordnete der SPÖ, hab ich mich das letzte Mal kurz nach der Regierungsbildung geärgert. Da wurden die Studiengebühren nicht abgeschafft, plötzlich stand Barbara Blaha im Zentrum der Aufmerksamkeit, da sie als ÖH-Vorsitzende konsequent aus ihrer Mutterpartei austrat. In einem Portrait, welches Blaha und Rudas zum Inhalt hatte, erzählte erstere dann darüber, dass sie kaum Zeit für Freizeit hat, weil sie arbeiten muss, sich um ihren Bruder kümmern, Verantwortung übernehmen. Und dann kam Laura Rudas und sprach von amerkanischen Comedyserien, darüber, dass sie am Naschmarkt einkaufen geht und in ihrer Freizeit gerne schläft. Wer bleibt in der Politik, wer nicht? Richtig. Dafür muss Rudas jetzt immer dann einschreiten, wenn von der "Jugend" die Rede ist, denn die vertritt sie ja. Ich fühle mich schlecht vertreten, ich bin jung, und ich kenne 11-25jährige, die Erwachsene auch verstehen, wenn sie ganz normal sprechen. Huch, manche tun das sogar selbst.
Vor einigen Wochen ging ich zur U-Bahn, und auf dem Weg dorthin kam mir fürchterliche Musik in die Ohren, das längst vergessen gehoffte "Barbie Girl" von Aqua, ich suchte die Quelle des Horrors, und es war ein SPÖ-Stand.
-So nicht.

Noch eine Anekdote am Rande: das Finanzministerium unter der Leitung von Molterer hat ein neues Gebäude bekommen. Leider gibt es einen Innenhof, der gänzlich im Dunklen liegt, was für jene Mitarbeiter, die ihre Zimmer dorthin ausgerichtet haben, ein Leben in Dunkelheit bedeutet. Zusätzlich wird die Modernität des Gebäudes ironisch durch ein Prinz-Eugen-Portrait im Foyer gebrochen. Symbolisch für die ÖVP: moderne Fassade, alte Inhalte, Mitarbeiter, die im Dunkeln tappen.

und schließlich: softer world trifft schon wieder den Nagel auf den Kopf. Ich fühle mich emotional gestalkt.

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