Thursday 23 April 2009

Phantom/Ghost/Witch

Vor einigen Jahren, als ich meine erste Ausgabe der Spex in Händen hielt, machte ich die schockierende Entdeckung, dass zwei Bereiche der Popkultur, die ich bis jetzt für nicht verbunden gehalten hatte, in diesem Magazin zueinander gefunden hatten. Ich fand einen Artikel über Amber Benson und ihren Debütfilm "Chance", und erst nach einigen weiteren Ausgaben ging mir ein Licht auf: dass "Buffy" und andere Werke von Joss Whedon kaum irgendwo besser aufgehoben sind als in einem Magazin, das sich ernsthaft mit Popkultur beschäftigt.
Dietmar Dath, bis 2000 (also ein paar Jahre vor meiner ersten Ausgabe) Chefredakteur der Spex, hat 2003 sogar ein Buch über "Buffy" geschrieben, das leider inzwischen sehr schwer zu bekommen ist (Titel: "Sie ist wach. Über ein Mädchen das hilft, schützt und rettet"). Aus irgendeinem merkwürdigen Zufall, vielleicht auch, um einen Zugang zu "Dollhouse" zu finden, hab ich in den letzten Wochen ein paar Staffeln von "Buffy" und "Angel" nachgeholt, die ich vorher nur in Fragmenten kannte - auf jeden Fall gibt es in der aktuellen Ausgabe ebenjenes Magazins ein Interview mit Phantom/Ghost, der Kollaboration zwischen Dirk von Lowtzow (Tocotronic) und Thies Myntner, in dem es auch um den Themenkomplex Whedon-Musicals-Stephen Sondheim geht.
Dirk von Lowtzow: [...] Bei "Three" waren die Themen Hexerei und Folk Music - zum Beispiel die Incredible STring Band, aber auch Literarisches, wie etwa Texte über Hexen. Un djetzt, mit "Thrown Out of Drama School", sind wir eben beim Thema Bühne angelangt, bei der Operette und beim Musical.

Thies Mynther: Und natürlich beim Off-Broadway-Theater.

Spex: Operette und Musical weswegen? Wegen schlechtem Schauspiel und überzogenen Gesten. Wegen des Grenzwertes?

Dirk von Lowtzow: Ja. Oder auch, weil wir vor Jahren schon nachts im Hotelzimmer Stunden damit zubrachten, das "Buffy"-Musical zu analysieren. Damit gint es im Grunde los: "Once More, With Feeling", diese eine Musical-Folge von "Buffy the Vampire Slayer", ist wirklich ganz meisterlich!

Thies Mynther: Ich habe mich im letzten Jahr dann recht exzessiv mit der Geschichte des Musicals auseinandergesetzt, bis ich das Gefühl hatte, das Wesen des Musicals ganz durchdrungen zu haben - das ging so weit, dass mir die Formulierungen, das musikalische Idiom tief ins Unterbewusstsein gesickert waren. Stephen Sondheim zum Beispiel habe ich richtiggehend studiert. Sondheim schätze ich seither als fantastischen Texter - als einen der besten des 20. Jahrhunderts!

Spex: "Dilettanten sind wir, Knallchargen, Hochstapler!", Interview mit Phantom/Ghost, geführt von Max Dax und Jan Kedves, in der Ausgabe von Mai/Juni 2009.
Bevor ich zu Sondheim zurückkomme, noch schnell ein Hinweis: Auf der oben erwähnten Platte "Three", in der es eben um Hexerei geht, trägt der letzte Track den Titel "Willow", was natürlich nicht nur ein hübsch anzusehender Baum ist. Hier eine Liveaufnahme:



Zum Nachlesen: "You should see you through my eyes / I do believe your spells arise / and therefore Mrs Rosenberg / Your eyes turn black it's red alert / you always leave me quite disturbed / your powers could destroy this world."

In dem langen Dr Horrible-Panel, das ich vor einigen Wochen gepostet habe, gab es auch einen Abschnitt, in dem die Gäste ihre Lieblingsmusicals diskutierten (und vor allem "Sweeney Todd" und "Into the Woods" von Stephen Sondheim erwähnten). Ich kannte von Sondheim davor nur "Assassins", auf das ich nicht durch Whedon, sondern ein Essay am Anfang von Sarah Vowells "The Assassination Vacation" gestoßen war: es geht darin um die diversen erfolgreichen und gescheiterten Präsidenten-Attentäter, von Lincolns Mörder über die Manson-Anhängerin Squeaky Fromme bis zu dem Unglücklichen, der Jodie Fosters Aufmerksamkeit durch einen Mord an Präsident Reagan auf sich ziehen wollte.
Allerdings hat Whedon in einigen Interviews immer wieder erwähnt, welchen Einfluss Sondheim auf sein eigenes Schaffen hat. Zum Beispiel gibt es in "Into the Woods" (dazu gibt es eine Broadway-Aufnahme von 1990 auf DVD, mit der Originalbesetzung, unter anderem Joanna Gleason und Bernadette Peters, und Clips daraus lassen sich leicht bei youtube finden), ein Musical, das verschiedene Grimm-Märchen verbindet, eine ganz merkwürdige Art von Humor, die mich sehr an "Buffy" erinnert hat, und einen plötzlichen unerwarteten Tod der Mutterfigur. Und eine Botschaft, die der vom Ende der Musicalfolge nicht unähnlich ist, in etwa: "life is not bliss, life is just this, it's living". Hier das Finale (und wer den genauen Punkt findet, der ein wenig nach "Brand New Day" aus Dr Horrible klingt, kudos)



Zwei andere Dinge fallen mir dazu noch ein: Kate Atkinsons genial strukturierte "Kurzgeschichtensammlung" "Not the End of the World", die auch irgendwie durch die Buffy-Idee zusammengehalten wird, und die deutsche Band JaKönigJa, weil (wiederum in einer Spex-Kritik zu dem Album "Ebba") ein von der Texterin der Band (Ebba Durstewitz) geschriebener Artikel erwähnt wurde, der "schlussfolgerte, dass der Hase »tatsächlich das Böse per se« sei". Leider funktioniert die Website des Magazins nicht mehr wirklich, zumindest kann ich die entsprechende Ausgabe nicht als Flash einsehen.

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