Friday 17 July 2009

Douglas Coupland - Girlfriend in a Coma, 2 Jahre später

Douglas Couplands "Girlfriend in a Coma" ist eines der wenigen Bücher, das ich alle paar Jahre wiederlese. Stephen Kings "It" wird konsequent alle vier Jahre gelesen - schließlich geht es darin um die hero's journey, verbunden mit einem Entwicklungsroman, in dem die erwachsenen sicherheitgebenden Figuren gänzlich fehlen, verbunden mit einer geradezu epischen Aufgabe (das Böse in der Welt der Kinder, die aus einer Kleinstadt besteht, zu vernichten). "Girlfriend in a Coma" habe ich, da ich es das erste Mal kurz nach Kings "The Stand" gelesen habe, im Kopf immer mit diesem Roman verglichen. Schließlich ist der Ausgangspunkt der Gleiche: ein großer Teil der Weltbevölkerung wird durch eine Plage vernichtet, und die Zurückgebliebenen müssen sich in einer ausgestorbenen Welt, in der die Technik und Architektur der Moderne nichts weiter sind als Artefakte einer vergagenen Zeit, die auf die Rückeroberung der Natur warten, zurechtfinden. Bei King bedeutet dieser Zustand allerdings eine letzte Konfrontation zwischen Gut und Böse - während die acht Menschen, die in Couplands Roman übrigbleiben, nichts anderes tun, als in ihrem Vancouver Vorort zu bleiben, Diamanten und Drogen zu sammeln, den Tag über Filme zu schauen und auf etwas zu warten, von dem sie nicht wissen, was es ist (wahrscheinlich der Tod). Der Erzähler, Jared, ein Highschoolfreund der sechs Hauptfiguren (Richard, Karen, Pam, Hamilton, Wendy, Linus), der mit sechszehn an Leukämie verstorben ist und nun als Geist über sie wacht, beobachtet entsetzt, dass nicht einmal das Ende der Welt selbst seine Freunde aus ihrer Apathie reißen konnte. Die ersten Kapitel des Romans etablieren sie in diesem Zustand: als Karen nach einem Skiausflug ins Koma fällt, und ihrem Freund Richard einen Brief hinterlässt, in dem sie von einer Vision vom Ende der Welt berichtet, bleiben sie alle einfach stehen. Sie werden älter, sie verschwenden ihr Leben, versinken in diversen Drogen (Alkohol, Heroin, Arbeit), und treffen keine aktiven Entscheidungen mehr.
Couplands Charaktere sind meistens entweder auf der Suche nach einem Sinn jenseits ihrer McJobs oder gerade durch das Fehlen von Sinn dermaßen paralisiert, dass sie trotz grundsätzlich vorhandener Talente einfach nicht vom Fleck kommen.
"Richard?" Karen asks. "Karen, let me say what I feel: This has been on my mind ever since Jared first appeared. I think we've always wanted something noble or holy in our lives, but only on our own terms. You know, our old beefs: The World Wide Web is a bore. There's nothing on TV. That video tape is a drag. Politics are dumb. I want to be innocent again. I need to express the me inside. What are our convictions? If we had any convictions, would we even have the guts to follow them?"
Aber die Aufmachung, mit der dieses Szenario in "Girlfriend in a Coma" durchgespielt wird, ist das außergewöhnliche. In "Microserfs" ging es bloß um ein paar Programmierer, die mit einer kreativen Ideen dem Hamsterrad von Microsoft entkommen und sich langsam einen eigenständigen Weg erkämpfen - hier muss die Welt untergehen, und die Hauptfiguren entkommen ihrem Slackerdasein immer noch nicht (wobei der Slacker, entgegen neuerer Interpretationen, nicht an Faulheit leidet, sondern daran, dass Aktivität in einer bestimmten Situation keinen Sinn zu machen scheint, weil ja doch nichts dabei herauskommen würde, das bleibende Spuren hinterlässt). Diese Figuren brauchen keine zweite Chance, sondern eine dritte, und die bekommen sie nur, wenn sie wirklich alle alten Muster aufgeben (denn, wie es im Roman heißt, können Menschen höchstens 5 % von sich selbst verändern - aber diese Charakter können sich nicht vorstellen, irgendetwas zu tun, bevor sie sich selbst nicht 100 % aus ihrer alten Haut geschält haben). Davor braucht es eine (göttliche?) Intervention.
"A few squabbles ago Wendy asked what it was you were supposed to be doing here this past year. The answer is that you ought to have been squabbling twenty-four hours a day for all this time - and asked a million questions abou why the world became the way it did. If you'd done that, you'd have retruned to the world the way it was and you'd be smarter and wiser. But you didn't - arson, looting, cocktails, videos and demo derbies - so now we move to Plan B."
Natürlich bedeutet die Idee hinter dem Roman stellenweise, dass der Autor auf dünnem Eis wandelt. Es erfordert schon einen ordentlichen Egoismus, nur für die geistige und seelische Rettung der eigenen Charaktere gleich die Welt untergehen zu lassen, ihnen ein dermaßen pathetisches Szenario zu bieten, um ihnen die Notwendigkeit eines Lebenswandels deutlich zu machen. Andererseits stehen sie, trotz ihrer Individualität, immer für die spezifische Generation, aus der sie kommen: Gut gebildet, unter der ständigen Angst, den Lebensstandard der Eltern nicht halten zu können, und keine Ahnung, wie diese Welt, in der vieles schief läuft, verbessert werden könnte.
Die größere Vision, die über einen Ort hinausgeht, über das Kammerspiel des Lebens im suburb, fehlt den neueren Couplandromanen leider. Oder sie haben irgendeine Prämisse, die einfach nicht funktionieren will, oder widmen sich der Generation nach der Generation X, die keine Sinnsuche mehr braucht, weil sie unter Umständen bereits mit etwas aufgezogen worden sind, dass die Leerstelle im eigenen Leben irgendwie anders füllt (wer die Charakter von "jPod" liebenswert fand, muss was falsch verstanden haben - im Vergleich zu "Generation X" kratzen sie nur noch an der Oberfläche und sind damit durchaus schon erfüllt genug). Also vielleicht würde ein bisschen erzähltechnischer Größenwahn auch dieser Generation gut tun, nur so als Idee.

[im übrigen datiert Wikipedia die Generation X zwischen 1961 und 1981 - und die Generation Y zwischen 1990 und jetzt, als Idee steht dahinter, dass diese Kinder sich an eine Welt ohne Internet nicht mehr erinnern können. Als jemand, der 1987 geboren ist, wirft das natürlich Fragen auf. Irgendwas zwischen zu jung für Grunge und die riot grrrls, aber sehr wohl in einer Welt ohne mp3 und Internet aufgewachsen.]

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