Tuesday 18 August 2009

Politische Kultur - Erste Versuche einer Klarstellung

In den letzten Monaten, vor allem seit den 10 Monaten, die in etwa seit der letzten Wahl vergangen sind, ist es mir leichter gefallen, über amerikanische oder internationale Politik zu schreiben als über Österreich. Einerseits, und das habe ich mit meinen Vorschlägen zur Besserung der politischen Kultur hier angedeutet, sind die medialen Berichte aus den USA einfacher zu genießen. Da ist die Rachel Maddow-Show, 45 Minuten an jedem Werktag, die sich in manche Themen verbeißt und nicht mehr loslässt, bis sie irgendeine Art von Ergebnis gebracht haben. Die Experten befragt, Universitätsprofessoren, aber auch Politiker, und immer mitreflektiert, dass die Bias schon allein dadurch ensteht, dass eine relativ geringe Zahl an Republikaner bereit ist, auf Interviewanfragen zu reagieren. Da sind andere Quellen: Jon Stewarts "Daily Show", die so gerne nur ein "comedy program" wäre, aber dank der Umstände eine ganz andere Rolle unfreiwillig erfüllen muss. Da sind die etablierten Blogs, die Nachrichten lange vor den strauchelnden Printmedien berichten (aber ohne die kann ich mir politische Berichterstattung nicht vorstellen, würden sie verschwinden, wäre da ein unfüllbares Loch, was wiederum die Frage aufwirft, wer die Verantwortung dafür hat, das Fortbestehen von bezahlten und freien Journalisten zu garantieren, wenn die Bürger, die Konsumenten, nicht mehr dazu bereit sind).
In Österreich ist das alles ein bisschen schwieriger. Es gibt keine Agenda. Es gibt Probleme, die nicht behandelt werden, und deswegen von Populisten und Hetzern aufgegriffen und aufbereitet werden können, ohne dass die Kritiker dieser Strategie jemals die gleiche Publizität gewinnen könnten wie das, gegen was sie kämpfen. Es gibt keinen Konsens über Grundwerte (nicht in einem "christliches-Abendland"-Sinn, sondern was Diskussionskultur und respektvollen Umgang mit anderen Menschen betrifft), es gibt, kurz gesagt, viele Unsicherheiten, und viele kleine Baustellen, ohne ein Bewusstsein darüber, wie das Gesamtbild in etwa aussieht. Das ist deprimierend. Es treibt und motiviert, woanders hinzusehen, weil es leicht wäre, einfach mal ins Ausland zu gehen. Aber wie ich schon vor einem Jahr meinte: ich bin jetzt hier, und ich werde hier bleiben, aus einer wilden Kombination an familiären und ökonomischen Gründen.
Also: wenn wir mit aller Selbstveränstdlichkeit vermuten, dass die kommenden Wahlen, vor allem die anstehende Landtagswahlkampf in Wien und daraus folgend auch die nächste Nationalratswahl (vielleicht erst in vier Jahren, eher aber früher) Erfolge für die FPÖ bringen wird, und wahrscheinlich aus einer Vielzahl an Gründen, die teils in vielen Teilen Europas auftreten, teils österreichspezifisch sind, stellt sich die Frage, wie jene, die nicht Mitglied oder gar Kandidat einer Partei sind, die nicht Teil des Medienbetriebs sind, die keinerlei Verbindungen mit grass-roots-Organisationen haben, darauf reagieren sollen.
Ich sage hier "wir". Ich kenne genug Menschen, die sich Sorgen machen. Die sonst bei wenigen Dingen auf einer Linie liegen, aber sich zumindest einig sind, dass sie nicht in einer Stadt mit einem Bürgermeister Strache leben wollen. Die wissen, dass viele der Probleme der Zukunft, etwa was die Finanzierung der Krankenkassen, das Bildungssystem, die frei zugänglichen Universitäten, die Verfügbarkeit von leistbarem Wohnraum, Arbeitsplätze, die nicht nur ein lebenssicherendes Einkommen, sondern auch ArbeiterInnenrechte sicherstellen, nicht mit einfachen Antworten gelöst werden können. Menschen, die Wert auf die Pluralität und die Diversität ihrer Stadt legen, und weiterhin glauben, dass verschiedene Lebensmodelle nebeneinander existieren können, und dass ein ebenso entscheidender Bestandteil einer Demokratie der Schutz von Minderheiten ist, der Schutz der Minderheiten gegenüber der Mehrheiten, wie der Mehrheitsentscheid. Was dieses Argument bedeuten soll, dass die Gesellschaft noch nicht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften bereit ist, als wären Rechte etwas, dass bloß mit der Gnade und Tageslaune jener Mehrheitsbevölkerung vergeben werden können, die diese genießen, ist mir ein Rätsel. Eine Mehrheitsgesellschaft, die Bereit ist, über ehemalige Verbindungen zu neonazistischen Organisationen hinweg zu sehen, meint, für die Auferhaltung der eigenen fiktiven nationalen Identität in der Verfassung garantierte Rechte missachten zu können und so weiter sollte bei einem Thema, das die Intimssphäre der davon Betroffenen berührt, und sonst eigentlich niemanden, wirklich nicht angerufen werden. Die Kehrseite jeder populistischen Politik ist immer, dass dieser zweite, ebenso wichtige Aspekt eines demokratischen Systems, außer Acht gelassen wird.
Also: wie könnte die Zukunft aussehen? Eine Aufsplitterung des Parteiensystems, welche die gesellschaftliche Fragmentierung widerspiegelt? (irgendwie ist das punktuell auftretende Phänomen der "Piratenparteien" bezeichnend dafür, das natürlich im österreichischen System, wenn überhaupt, bloß immens verzögert landen wird) Eine anhaltende Krise der sozialdemokratischen Parteien, der österreichische Sonderfall, in dem die kleineren linken Parteien davon überhaupt nicht profitieren, sondern sich stattdessen schwer tun, ihre Wähler zu mobilisieren? Eine Regierungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei, oder noch schlimmer, Posten für rechtsextreme Politiker auf Länderebene und damit eine langsame gesellschaftliche Verwurzelung, die langfristiger funktioniert, als es die schwarz-blaue/orange Phase konnte? Auswege / Gegenentwürfe?

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