Wednesday 19 August 2009

The State I Am In Part IV - The City Inbetween

"Artist's studios. Rooftop cafés. Tofu farms. Architecture students. Construction projects. Children's hospitals. "Life during wartime." Might as well be in another country. I'm so fucking lame. How do people deal with this shit so well? When it's not fucking terrifying around here, it's kinda cool. I feel like I have a giant fucking target on the back of my head. Zee's probably the only thing keeping me alive. People back home seriously have no idea."

Matt Roth, DMZ, Issue 2, p 13
"DMZ" von Brian Wood ist die urbane Variante von "Jericho". Nach dem Ausbruch eines zweiten Bürgerkriegs, in dem die Free States gegen die verbliebenen United States of America kämpfen, erweist sich New York wegen seiner wehrhaften Bewohner als uneinnehmbares Territorium für beide Seiten, weswegen es aufgeteilt und Manhattan zur "demilitarisierten Zone" erklärt wird. Matt Roth, ein junger austrebender Reporter, wird als Assistent von einem etablierten, Pulitzer-dekorierten Journalisten, in die DMZ mitgenommen. Als eingebetteter Journalist der US-Army wäre er die einzige Informationsquelle eines Orts, über den im Rest der Vereinigten Staaten nur Gerüchte kursieren. Die Mission geht schief: der Helikopter wird abgeschossen, die Soldaten sterben, und der berühmte Journalist verschwindet. Matt Roth bleibt alleine zurück und wird von der ehamligen Medizinstudentin Zee gerettet, die jetzt als Notfallsärztin Basisversorgung für die zurückgebliebenen New Yorker bietet, in einer Stadt, in der es keine staatliche Infrastruktur mehr gibt und nichts mehr selbstverständlich ist. Obwohl Matt angeboten wird, aus der DMZ gerettet zu werden, entscheidet er sich dort zu bleiben. Das ist eine Kombination aus Bewunderung für das Verhalten der Bewohner, die sich aus dem Nichts ein autarkes Leben mit selbst angebauten Nahrungsmitteln, Restaurants etc aufgebaut haben, dem Wissen, dass hier die richtig spannenden Stories zu finden sind, und ein wenig Misstrauen gegenüber den Vereinigten Staaten, die, so ahnt Matt jetzt schon, moralisch nicht sehr solide sind. Als Tourist, dem von den New Yorkern eine Form des "Slummings" vorgeworfen wird, und dessen Sensationalismus auch nicht immer diesen Vorwurf entkräften kann, muss er lernen, in dieser Stadt zu leben, in den Machtbeziehungen zu operieren, und trotzdem eine Objektivität zu behalten. Als einziger Journalist dort hat er auch eine ganz spezifische Form der Macht - sein point of view ist der einzige, der nach Außen dringt.
"DMZ" bleibt nicht nur bei Matts Perspektive, sondern erzählt immer wieder auch Geschichten der Soldaten (USA und Free States), Bewohner, Terroristen, jene, die im richtigen Moment eine lokale Macht in der DMZ an sich gerissen haben. Einerseits geht es darum, wie sich lokale Machtstrukturen und Infrastruktur ohne staatliche Übersicht bilden, wie sich die Kunst- und Musikszene als "authentischer, weil nicht auf Gewinn ausgerichtet" etabliert, und wie eine Normalität gleichzeitig absolut unmöglich ist, weil der Krieg immer wieder offen ausbricht und unglaubliche Zerstörung anrichtet. Dabei behandelt Wood das bekannte Terrorismus-Thema, nur dass der Gegner jetzt nicht weit weg und fremd ist, sondern Amerikanisch spricht - trotzdem kommt es zu Kriegsverbrechen, Zivilisten werden verwickelt, Kriegsgefangenen werden Rechte entzogen, Folter wird angewendet, während die Vereinigten Staaten Zensur und Gewalt anwenden, um ihr Gesicht zu wahren. Der Bürgerkrieg ist mehr als der zuvor propagierte Kampf gegen den Terror und die unendlichen Präventivkriege in anderen Ländern ein Dauer-Ausnahmezustand, in dem demokratische Werte vergessen werden. Da der geschichtliche Hintergrund nur langsam erläutert wird, Wood entscheidet sich hier klugerweise dazu, wenig Exposition anzubieten und den Leser in sein Universum zu werfen, fällt die Orientierung anfangs schwer, was aber genau der Position entspricht, in der sich Matt befindet. "DMZ" ist primär seine Geschichte - wie aus dem Anfänger ein etablierter und mächtiger Journalist wird, dessen größtes Bedürfnis es ist, seinen Touristenstatus loszuwerden, und der in den letzten paar Ausgaben schließlich auf den falschen Weg gerät, als er seine Dienste einem populistischen Politiker anbietet, der als gewählter Mayor von New York "change und hope" verspricht. "DMZ" ist eine fantastische graphic novel und für mich eine der besten Abhandlungen über den "state of emergency", eine Dystopie über einen zweiten Bürgerkrieg, und trotzdem eine Geschichte über interessante Individuen, die manchmal furchtbare Entscheidungen treffen.

"DMZ", 2005- (43 issues so far), written by Brian Wood, artwork by Riccardo Burchielli

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