Wednesday 21 October 2009

District 9

Während der Ort des Geschehens, Johannesburg, und der Titel des Filmes die vielen Reviews begründen, die hier eine Parabel auf das Apartheidregime gesehen haben, ist "District 9" viel aktueller als Kommentar zum Thema der Migration - und ist hier einerseits erfolgreich, scheitert aber andererseits dermaßen spektakulär, dass es schwerfällt, diesen Versuch eines sozial relevanten Filmes, der unsere Gesellschaft portraitiert, ernstzunehmen.
Erstmal zur Grundprämisse: 20 Jahre vor Beginn des Filmes "landet" ein Raumschiff über Johannesburg (es schwebt über der Stadt und bewegt sich nicht mehr vom Fleck) und bei einer Erkundung entdeckt das Militär die "huddled masses" von etwa einer Million Aliens, unternährt, in schlechtem medizinischem Zustand, und ohne irgendeine Form von leadership. South Africa "steps up" und nimmt die Flüchtlinge auf, die aber bald, und vor allem, weil sie so überhaupt keinem niedlichen Alien-Stereotyp entsprechen, in separaten Slums wohnen, und streng von der Gesellschaft ausgeschlossen werden (inklusive "only for humans" Zonen). Die "Prawns" (Garnelen) verhalten sich aus menschlicher Sicht asozial: Essen Katzenfutter, halten ihre Quartiere nicht sauber, haben Traditionen, die nicht "integrierbar" sind (im Film wird außerdem noch explizit geäußert, dass die überlebenden Fremden wohl einer "bildungsfernen" Arbeiterklasse angehörten, während die potentiell "zivilisiertere" Offiziersklasse verschwunden ist, die vielleicht eine politische Interaktion auf Augenhöhe führen hätte können) . Gleichzeitig verfügen sie über fortschrittliche Technologie, die von einem militärischen Großkonzern, der bald auch die Sicherung und Räumung des "District 9" (so die offizielle Benennung des größten Slums) üebrnimmt, mit dem Ziel der Vermarktung erforscht wird. Problem dabei: eine biochemische Komponente ermöglicht die Benutzung der Waffen bloß jenen, die über Aliengene verfügen.
Der Beauftragte des Unternehmens, der für die Räumung des District 9 und die Umsiedlung der Aliens in den District 10 (ein "Konzentrationslager") verantwortlich ist, der in diese Position aber hauptsächlich durch das Einheiraten in eine well-connected family gekommen ist (Sharlto Copley) stolpert bei einer Hausdurchsuchung über eine chemische Substanz, die ihn bald Glied für Glied in einen der verhassten Prawns verwandelt. Bald ist er ein Gejagter, der entscheiden muss, wo seine Loyalität liegt - bei seiner ursprünglichen Herkunft, den Menschen, oder den "Prawns" (vor allem, nachdem er einen technisch versierten Vertreter ebendieser trifft, der die Errettung seiner unterdrückten Mitflüchtlinge und vor allem seines Sohnes plant.
Ein eindeutiges Feindbild konstruiert der Film nicht: aber alle Seiten sind moralisch fragwürdig. Die Prawns werden immerzu aus der menschlichen Perspektive dargestellt - primitiv, unhygienisch, zu fremd, um eine Identifikation zuzulassen. Der Konzern (passend als "Multinational United" benannt) betreibt brutale Tests and gefangenen Aliens, die offizielle Politik verfolgt Zwangsabtreibungen, um das Bevölkerungswachstum der Aliens im Slum zu verhindern, und der fragwürdige "Held" ist von Anfang an zu kurzsichtig, um zu sehen, wofür er hier seine Arbeitskraft einsetzt - er ist beschränkt durch seine eigenen Vorurteile, und wird in der Versuchsanordnung gezwungen, sich mit den Fremden zu identifizieren, als er wortwörtlich in ihre Haut schlüpft.
Trotz dieser potentiell intelligenten und wahnsinnig klugen Grundprämisse, die Flüchtlingspolitik und die Ausgrenzung von allem, was Fremd erscheint, diskutieren hätte können, scheitert der Film an sich selbst. Zwar ist es spannend zu sehen, wie gefährlich die menschliche Gesellschaft in ihrer jetztigen Form für jene werden könnte, die in überhaupt keine Konzeption von "Menschlickeit" mehr passen, und deswegen auch außerhalb jeder Forderung nach Menschenrechten stehen: allerdings ist es in dieser Hinsicht absolut furchtbar, dass sich der Film ausgerechnet dafür entscheidet, jene, die tatsächlich Migranten in Südafrika sind, als gefährliche, unmenschliche Monster darzustellen: "die" Nigerianer, die einer alten Religion mit Menschenopfern anhängen, aus dem Leiden der Prawns Profit schlagen, und die einzigen klassischen "villains" in "District 9" sind.
Dabei ist dieser eine schwer zu akzeptierender Fehler an dem Film, der fundamental flaw, tragisch, nachdem kaum ein anderer Sci-Fi-Film die Idee einer "Alien Invasion" jemals so erzählt hat: als tale eines militärisch hilflosen Volkes, das von einer überlegenen Gesellschaft an den Rand gedrängt wird, und schließlich von der Auslöschung bedroht wird - als Allegorie auf Migration, statt "Indepenence Day"-artiger Szenarien, in denen die Welt auf Grund der außerirdischen Bedrohung kuschlig zusammenrückt, um zu beweisen, dass die underdogs immer noch klüger sind als alles, was da von draußen noch kommen könnte. Eine vergebene Chance.

2009, Regie: Neill Blomkamp, mit Sharlto Copley, Jason Cope, Nathalie Boltt, Sylvaine Strike, John Sumner, William Allen Young, Nick Blake.

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