Friday 15 January 2010

Haiti

Nach Naturkatastrophen wie jene, die Haiti vor drei Tagen getroffen hat, wird mir bewusst, wie wenig ich von einem großen Teil der Welt weiß. Ich hätte Haiti zwar auf einer Landkarte gefunden, und wusste auch von der ökonomischen Kluft zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik, aber von der Geschichte oder den politischen Verhältnissen Haitis hatte ich keine Ahnung.
Haiti ist nach den Vereinigten Staaten die älteste Republik in der westlichen Hemisphäre. Das westliche Drittel der Insel Hispaniola, also das heutige Haiti, wurde von Spanien 1696 an Frankreich abgetreten. Nach der Ausrottung der indigenen Bevölkerung wurden afrikanische Sklaven zum Abbau der wertvollsten Ressource des Landes, Zuckerrohr, gezwungen. Zwischen 1791 und 1804 führten die afrikanischen Sklaven einen Krieg gegen die französischen Kolonialherren; der Nationalheld François-Dominique Toussaint L’Ouverture besiegte eine Armee Napoleons; die Unabhängigkeit wurde 1804 erklärt. Daraufhin unterstützte der neugegründete Staat Unabhängigkeitsbewegungen in Südamerika.
Ab 1825 musste Haiti als Gegenleistung für die Anerkennung durch Frankreich Entschädigungszahlungen an ehemalige Plantagebesitzer leisten, während das Land unter einer Reihe despotischer Herrscher keine wirtschaftliche Basis aufbauen konnte. Unter der Diktatur von François Duvalier (1957 - 1971), in der unter anderem Haitianer für den Profit des Diktators als faktische Sklavennarbeiter an den Nachbarstaat verkauft wurden, erlebte das Land einen folgenreichen Braindrain.
Der derzeit amtierende Präsident Haitis, René Préval, wurde 2006 in demokratischen Wahlen gewählt.
Als Folge der politischen Instabilität seit der Unabhängigkeit Haitis ist das Land heute das ärmste der Westlichen Hemisphäre: Es nahm 2007 den 147. Platz im Human Development Index ein - alle noch schlechter platzierten Länder liegen in Afrika. Von den 9 Millionen Einwohnern leben etwa 75 % von weniger als zwei Dollar pro Tag. In einem Working Paper für den IMF werden Thesen aufgestellt, warum die Verhältnisse in Haiti sich vor allem seit den 1960ern im Vergleich zum Nachbarland Dominikanische Republik rapide verschlechtert haben.
Das Erdbeben am 13. Januar hatte unter anderem so verheerende Auswirkungen, weil die Gebäude improvisiert sind: eine Familie beginnt mit einem einstöckigen Haus, und stockt dann auf, wenn die Kinder erwachsen werden, meist ohne entsprechende Materialien. Das Zentrum des Erdbebens war nur wenige Kilometer von Port-au-Prince entfernt, und traf damit vor allem die Hauptstadt (mit etwa 1,7 Millionen Einwohnern). Es zerstörte die Infrastruktur, die für eine schnelle Hilfe notwendig wäre: erst gestern konnte ein improvisierter Tower errichtet werden, der den Flugverkehr regelt; das Hauptquartier der UNO-Truppen in Port-au-Prince wurde zerstört, der tunesische Kommandant Hedi Annabi wird wie hunderte andere Mitarbeiter vermisst. Zahlreiche andere Hilfsorganisationen suchen ebenfalls nach ihren Mitarbeitern; die drei Spitäler der Medecins Sans Frontieres wurden im Erdbeben so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass die Ärzte in Notquartieren operieren. Bilder des TIME-Fotografen Shaul Schwarz zeigen, wie katastrophal die Situation in der Stadt ist, während die Zeit ausläuft, in der unter den Trümmern begrabene noch gerettet werden könnten, während die dafür benötigten schweren Maschinen am Flughafen feststecken und nicht weitertransportiert werden können.
In seiner Rede sprach US-Präsident Obama von der "common humanity that we all share", während die Nachrichten aus Haiti und die anlaufende internationale Hilfe alle anderen Schlagzeilen von Terrorismus, der Wirtschaftskrise und der Gesundheitsreform in den Hintergrund treten lassen.

Ein Bild, das eine improvisierte Zeltstadt in Mitten der zerstörten Stadt zeigt

2 comments:

Helene said...

Gerade weil Haiti so arm ist, muss jetzt die ganze Welt zusammen greifen und den Einwohnern Haitis helfen. Mir ist es ein persönliches Anliegen, weil ein Freund von mir aus Haiti stammt. Gisele Bündchen hat schon 1,5 Millionen US Dollar gespendet, ebenso haben andere Stars auch große Summen gegeben. Ich hoffe diese Spenden animieren auch andere zum Handeln.

flame gun for the cute ones said...

Ich stimme dir zu, dass Stars, die ihren Status, ihren Einfluss und ihr Vermögen verwenden, um bei solchen Katastrophen zu helfen, wichtig sind um andere zu motivieren und um die Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge zu lenken, aber ich bewundere Menschen mehr, die wenig haben und trotzdem bereit sind, zu helfen. Ich hoffe, deinem Freund in Haiti geht es gut?
Schöne Grüße, und hoffentlich läuft die Organisation der Hilfsmaßnahmen in den nächsten Stunden gut! Viel mehr kann man sich im Moment leider nicht wünschen, fürchte ich.