Saturday 18 June 2011

In which I kind of, sort of, write about Lady Gaga

Die Aussage, dass Gaga die wirkliche Person hinter ihrem Spektakel nicht offenbart hat, ist falsch und zeugt von einem weitverbreiteten Missverständnis. Schon in ihren ersten Interviews bestand Stefani Germanotta darauf, dass Lady Gaga ihre reale Identität ist und dass sie kein wahreres Selbst versteckt hält. Die Fassade, das Spektakel, das Künstliche, die Performance – all das ist Gagas Essenz. Ihrer Überzeugung nach sind Kunst und Leben dasselbe. Dennoch weigern sich manche, diese Aussagen ernstzunehmen und zu akzeptieren, dass auch das vermeintlich essenzielle Leben erst durch Performances, Kostüme, Gesten, Glitter und Make-up konstruiert wird. Deshalb glauben wir nicht, dass Lady Gaga in den vergangenen  Monaten mehr ihres wahren Selbsts offenbart hat.“ 
Anfangs war ich verstimmt, dass ausgerechnet die Spex im Monat nach dem Tod von Poly Styrene (und im Monat nach der Veröffentlichung ihres letzten Albums) Lady Gaga am Cover hat. Andererseits ist es natürlich ökonomischer Selbstmord, auf die authentizitätsvortäuschenden Bilder (fotografiert von Wolfgang Tillmans) des größten Popstars einer Zeit der Uneinigkeit (nicht umsonst der Cat and Girl Comic: one day, all we’ll have in common will be Lady Gaga and diabetes) zu verzichten. UND noch bevor ich die Zerlegung ihrer Person im Inneren des Hefts gelesen hatte, hatte ich diesen Gedanken: Ich sehe diese Bilder und habe diesen Idee im Kopf, diese Vorstellung, dass eine ungeschminkte, unkostümierte Lady Gaga, wie sie hier zu sehen ist, ECHTER ist als die fleischbehangene Bühnenkonstruktion, als dieses Kunstwesen von dem alle sprechen, dem sich niemand entziehen kann (ich habe noch keinen ihrer Songs von Anfang bis Ende durchgehört, nur Covers und was auch immer Skins verwendet hat, vor Jahren). ABER: woher kommt diese Vorstellung, dass ungeschminkt echt ist? Dass die große Spex, die Intellektuellenzeitschrift, die wahre Person hinter Lady Gaga gefunden hat, in ihrem archäoligischen Ausflug in die Hoch-Popkultur? Ist das nicht auch noch eine Chimäre, das ECHTE hinter der Konstruktion zu finden? Diese Bilder sind genau so viel Inszenierung wie jeder meatsuit oder eine Ei-Kutsche. Nichts daran ist ECHTER oder AUTHENTISCHER. Es entspricht der Ästhetik der Spex – ungeschminkte Photos rechtfertigen, dass jemand wie Gaga es überhaupt aufs Cover schafft, Gaga ist als Phänomen interessant, nicht als Künstlerin – aber verdammt, ist das nicht genau so fake und irrational wie jedes andere Interesse an ihr? All diese Gedanken, noch ehe ich diese Zeilen oben gelesen habe, und dieser Zufall, habe ich doch grade mit einem Freund über Innen/Außen und Kostümierung und so weiter diskutiert, weil wir beide rein emotional der Meinung sind, Make-Up und bestimmte Outfits seien Kostümierung, während unser Auftreten irgendwie RICHTIGER ist weil es uns egal ist, wie wir wirken, bzw. weil unser Anliegen ist, nicht gesehen zu werden. Aber Anliegen ist Anliegen, oder? Wer wirken will, spielt vor. Egal, als was man wirken will. 

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