Sunday, 5 February 2006

Tomte - Buchstaben über der Stadt

Tomte. Es gibt viele Menschen, die von dieser Band behaupten, dass sie ihnen durch irgendeine schwierige Phase geholfen hat. Mich hat sie durch die letzten zwei Jahre der Schule getragen, und durch die Matura. Wenn ich Tomte höre, fühle ich mich zu Hause.
Aber viele Dinge haben mich in den letzten Monaten auch nervös gemacht. Tomte und Thees Uhlmanns Grand Hotel Van Cleef gehörten zu den Dingen, auf die sich viele einigen konnten. Auf den Straßen meiner Stadt sah ich Menschen in Tomte T-Shirts. Durch richtige und digitale Blätter ging ein Rauschen, welches beklagte, dass die geliebte Indieband jetzt ausverkaufen würde. Die Indiekids reagierten auf die gewohnte art und Weise darauf, dass auch szenefremde den Namen der Lieblingsband wohlmeinend in den Mund nahmen – sie waren misstrauisch und schrieben Thees allerlei neue Allüren zu. Sie kündigten an, ihre Band fallen zu lassen. Sie meinten, Tomte wären die neuen Sportfreunde, und einen schlimmeren Vorwurf kann man dieser Band gar nicht machen.
Im Juli 2005 sah ich sie das erste Mal live am Donauinselfest. Thees erzählte seine Geschichten, die dazugehören – ich will einfach eine sentimentale oder wütende Geschichte über einen Hund hören, bevor die ersten Akkorde von "Endlich Einmal" erklingen, das gehört dazu. Und der neue Song, der mir gefiel, war "Regieren", was auf Buchstaben über der Stadt "So soll es sein" genannt wurde. In der Liveversion klingt der Song wie die übliche Mischung. Der Riff von Blurs "Coffee and TV" bzw. Sonic Youths "Sunday" wird wie schon auf "Passt zu meinem Kalender" verwendet.
Was soll ich jetzt zu der neuen Platte schreiben? Das erste, was ich von Tomte hörte, war "Schreit den Namen meiner Mutter" auf "Hinter all diesen Fenstern". Meine Lieblingssongs "Die Schönheit der Chance" und "Endlich einmal" – aber jetzt kommen wir auch schon zum ersten Problem. Alle schreiben, dass Tomte mit jedem Album besser werden, aber die meisten Lieblingssongs sind auf den beiden älteren Alben: 1998, "Du weißt was ich meine". Ich liebe "Ich lerne Schwimmen", "in Köln und dann in meinem Zimmer" und "Z.Zt" – es sind diese kurzen, von manchen als kitschig verrufene Sätze, die man auf jede Wand schreiben will. Für mich können das nicht einmal Tocotronic so gut wie ihre ehemaligen Roadies. "Zur Zeit liebt jemand ein Mädchen aber leider nicht andersrum". Und wer es schafft, sich zu "Köln" nicht die Seele aus dem Leib zu schreiben, hat sie zuvor an den Teufel verkauft.
2000, "Eine sonnige Nacht". "Wilhelm das war nichts" (eine Coverversion von "William it was really nothing" der Smiths), und "The Rick McPhail Song" war lange Zeit das einzige, was ich halbwegs auf der Gitarre spielen konnte. Auf "Passt zu meinem Kalender" verbinden sie Blurs "Coffee and TV" mit "Wish You Were Here".
Ich mag Tomte als Band, der man anhört, dass sie früher mal Punk gespielt hat. Ich mag sie wütend verzweifelt, nicht jammernd. Ich will keine perfekt gespielten Instrumente, keine Harmonie, keine grammatisch perfekten Texte, aber all diese Dinge waren gemeint, als von einer musikalischen Weiterentwicklung die Rede war.
"Die Buchstaben über der Stadt" klingt für mich zu geschliffen. Alles passt zusammen, aber irgendwie klingt dadurch auch alles gleich. Die Texte sind gut, ja, aber wo ist das Geschrei? Thees klingt nicht glücklicher, und Tomte sind unglaublich weit von den Sportfreunden entfernt, weit davon entfernt, an eine gute Seite zu glauben oder sie feiern zu wollen.
"Ich habe mich mit Gott geprügelt ich habe Dämonen gesagt was mir nicht passt" (Was den Himmel erhellt)
Die erste Single-Veröffentlichung "Ich sang die ganze Zeit von dir" gefällt mir auf Anhieb nicht. Es wird besser, ich merke, wie mir die Melodie und der Text langsam in die Knochen kriechen, also vielleicht ist das die Essenz des Albums – es braucht viel mehr Zeit als die vorherigen, und ich kann jetzt noch nicht abschätzen, was es einmal für mich bedeuten wird.
Tomte fehlt die musikalische Vielfalt, um gänzlich auf Wut und gesangliche Inbrunst verzichten zu können. Ich finde auch weniger einprägsame Textzeilen, die ich mir für immer merken will. "Wir fragten deinen Dealer" hat Potential, es schließt an alten an. Vielleicht ist es eine Konsequenz aus dem Älterwerden, dass man die Dinge nicht mehr mit einer Phrase auf den Punkt bringen kann, weil die Welt tatsächlich zu kompliziert dafür ist? Aber ich bin noch nicht so alt. Sind mir Tomte über den Kopf gewachsen.
Vielleicht kann man das Album nur al Einheit verstehen. Vielleicht wollen Tomte keine drei Minuten Glück produzieren, aber genau das brauche ich im Moment. Das waren Tomte bis jetzt für mich – eine Band, deren Texte ich kannte, deren Gitarrenriffs ich liebte, ich wusste manchmal genau, welcher ihrer Song mir jetzt helfen würde.
Tomte haben sich verändert. Ich kann es ihnen nicht vorwerfen, nur dass ich diesmal zumindest noch nicht mitkommen kann.
Wie bei Cat Power hatte ich mit etwas anderem gerechnet. Mal sehen, wie es weitergeht.
"Und wir gaukeln uns vor wir könnten den Grad unserer Zerstörung kontrollieren eine einzige Sache unter Kontrolle man mag die Dinge die man nicht verliert" (Sie lachen zurecht und wir lachen auch)

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