Thursday, 30 November 2006

Intro 11/06

ALOHA! (sagt zumindest mein Badezimmervorhang)

Die Inszenierung der Rebellion in diversen Filmen wird eines der Hauptthemen dieser Novemberausgabe sein – dass es kein typischer November ist wird zur Genüge in dem Essay über die Smiths und The Cure diskutiert, die offensichtlich viel Angriffsfläche für Gespräche über das Wetter bieten. Sonst macht sich der Herbst nur marginal bemerkbar, wie die Fotostrecke zeigt, führt er am ehestens noch zu einem intensiveren Zurückziehen in die eigenen vier Wände, dies mag aber auch andere, psychologischere Gründe haben. Die weiterhin schmerzende politische Lage ermuntert einen jungen, politisch interessierten, jedoch zutiefst verängstigenden Menschen keineswegs dazu, hinaus zu gehen und Spaß am Leben zu haben, auch wenn die nun fast ganz verabschiedete Bildungsministerin denkt, wir haben alle ganz doll Spaß und ganz doll keine Verantwortung. Gefühlsmäßig wäre sie mit meiner Protesthaltung gegen das moderne Leben (Passivität) ebenso wenig einverstanden wie mit einem Lebensstil, der mehr Party beinhaltet. Denn das Widerstand lustig sein darf, hat Hans Weingartner mit seinem bereits vor zwei Jahren erschienenen Film "Die fetten Jahre sind vorbei" unfreiwillig bewiesen, die Autorin dieser Seiten hat sich ganz masochistisch abermals mit dem Film auseinandergesetzt, weil er in das Thema RAF passte, und ihn abermals, ein drittes Mal, für fürchterlich befunden. Da der Film bestimmt nicht besser wird, wenn man älter wird, behaupte ich, dass er für mich verloren ist. Etwas sagt mir, dass man nicht gleichzeitig Christian Petzold und Hans Weingartner mögen kann. Ersterer hat einen der besten Filme zum Thema beigesteuert. Wie man aus diesen Zeilen vielleicht herauslesen kann, ist das Titelbild diesen Monat absolut ironisch gemeint. Man kann die revolutionäre Ästhetik mit einer Digitalkamera auch im eigenen Wohnzimmer replizieren. Wie schon die Mediengruppe Telekommander (inzwischen durchaus berechtigt vergessen vom Zeitgeist) meinte: gebt mir ein T-Shirt mit [insert name] drauf. Und sind die Bobos nicht in Wirklichkeit ebenso elitär dekadent wie die Schicki-Micki Seitenblicke-Szene, nur dass sie besseren Geschmack hat? Oder: wenn deine personal politics auf "Ich bin eine linke Emanze" reduzierbar sind, ist dann nicht etwas in deiner politischen Sozialisation grundsätzlich falsch gelaufen?
Die Musikabteilung ließ sich diesen Monat fast vollständig von zurückgekehrten Eighties-Heroes übernehmen, konnte aber mit ein paar niedlichen Dingen zurückschlagen, die zwar vielleicht keinen Bestand haben, aber zumindest dem Charme einer Kindheit im IKEA-Plastikballbecken entsprechen. Dieser letzte Satz ist nicht konsumkritisch gemeint, denn wer in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren nicht alt genug war, um Nirvana und riot grrrl zu hören, weiß ganz genau, mit welcher Nostalgie diese Paradiesischen Monsterbecken betrachtet haben. Wir hatten sowas damals nicht. Als minimale Entschädigung sind wir zumindest kollektiv davon überzeugt, dass wir im richtigen Moment groß geworden sind, um ein zweites Aufblühen von Fernsehserienqualität miterleben zu dürfen: irgendwann müsste in diesem Heft eine große, übermäßig philosopisch-analytische Lobeshymne auf "Lost" fällig sein, irgendwann muss ich mich wohl auch mit dem Thema "Menschlichkeit in Dexter" auseinandersetzen, bis dahin führt aber "Battlestar Galactica" den Diskurspop an. Das Kinderprogramm ist dafür schlechter geworden, ich will gar nicht wissen, wie diese Kinder sich in ein paar Jahren in der Welt zurecht finden. Ich schätze mal, sie werden tolle KonsumentInnen sein!
Ein aus tragischem aktuellen Anlass fälligen Artikel über Jugendgewalt und Computerspiele gibt es schon in der November-Ausgabe, für Dezember habe ich mir vorgenommen, das längst schon notwendige ausführliche Review von Gus Van Sants "Elephant" zu schreiben, vor dem ich mich bis jetzt gedrückt habe, dazu wird wahrscheinlich "Welcome to the Dollhouse" kommen. Die Achtziger werden ab Dezember endgültig in der Schublade verschwinden, dafür wird dann ausführlich über Best-Of-The-Year gelabert werden, das muss einfach sein.
Zum Schluss noch eine Ironie der Geschichte. Seit diesem Monat läuft im fernen Deutschland eine Aufführung eines Jelinek-Stückes, inszeniert von Nicolas Stemann. Überschattet wird diese Aufführung seit einigen Wochen von einem Rechtstreit, den ausgerechnet Marlene Streeruwitz begonnen hat. U-Bahnfahrern wurde deswegen Ende November Unterhaltung der Sonderklasse geboten: neben einem Bild einer Frau, die in einem zweimeterhohen "ich bin eine haarige Vagina" - Kostüm steckte, wurde allen Wiener erzählt, dass Streeruwitz sich durch einige Szenen (und natürlich ganz speziell durch die Vagina) von "Ulrike Maria Stuart" verunglimpft fühlt. Die Redaktion ist bereits seit der Lektüre des ersten Streeruwitz-Buches, vor allem aber durch in der Sommerausgabe im Comic dokumentierte Äußerungen Streeruwitz zu Fußball, davon überzeugt, dass diese versucht, eine Jelinek-ähnliche gesellschaftspolische Relevanz zu erreichen. Deswegen kommentiert sie in letzter Zeit alles, vor allem natürlich Kulturpolitik. An dieser Stelle sei ihr für die Wortschöpfung "Prosecco-Faschismus" gedankt, die zumindest kurzweilig unterhielt, auch wenn sie nicht unbedingt Lösungsvorschläge für einen Umgang mit einer inzestuösen High-Society, die sich mit der Politik vermischt, enthält. Nun wird der Ego-Kampf der beiden österreichischen Unzugänglichen also auf dem Rücken eines deutschen Regisseurs ausgetragen – wenn ich einmal Zeit dafür habe, werde ich die Reaktionen von Elfriede Jelinek selbst nachschlagen, die hält sich aber in letzter Zeit weit im Hintergrund, was angesichts der momentanten politischen Lage eher erstaunlich ist. Vielleicht finden wir dann auch ein Bild des haarigen Vagina Kostüms – ich bin dafür, es als Werbeträger zu missbrauchen. Das würde zum Beispiel dem Produkt Damenrasierer vollkommen neue Welten eröffnen. Wie Armin Thurnher sagen würde: im übrigen bin ich der Meinung, dass der Diskurspoppolitikkomplex zerschlagen werden muss.

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