Sunday, 26 November 2006

Olli Schulz und der Hund Marie - Warten auf den Bumerang

"Wo sie her kommt wächst kein Gras mehr" beginnt Olli Schulz, und für ungefähr fünf Sekunden hat man das Gefühl, dass Sven Regener hier einen Sohn hinterlassen hat, der dem Vater nachfolgen will – bis die Musik umschlägt. Und dann, irgendwann nach zwei Minuten "In jede Richtung", erkenne ich, dass Olli Schulz das gut macht, was man Tomte vorgeworfen hat. Er beweist, dass man persönliche Texte schreiben kann, ohne rührselig zu werden, dass man nicht krampfhaft politisch relevant sein muss, und trotzdem nicht über die für jeden deutschen Künstler brand-gefährliche "gute Seite" Linie drüberstolpert. Ja, das ist Gitarrenpopmusik, unglaublich griffig, und eigentlich müsste das auf und ab gespielt werden, überall. Wird es aber nicht. Obwohl Olli Schulz von den Ziehvätern Grand Hotel Van Cleef ausgezogen ist, um zu einem Majorlabel zu wechseln.
"Keiner hier bewegt sich" ist eine Bankräubergeschichte, mit vollkommen ungewohnt elektronischer Musik und Piano im Hintergrund. "Einmal noch, dann haben wir ausgesorgt". Das Unglück, das sich langsam anbahnt, und schon richtig erwartet wird. Unabwendbar, durch falsche persönliche Entscheidungen herausgefordert. Es ist eine der großen Fehlschlüsse des Pops, Menschen in Tierkostümen nicht ernst zu nehmen. Wer sich oberflächlich dem Humor verschrieben hat, gewinnt dadurch gleichzeitig die Fähigkeit, diese ruhigen, klugen Momente um so intensiver zu machen. Das ist wie Kimya Dawson, nach den Moldy Peaches. Dieses Gefühl hatte ich das erste Mal bei "Dann schlägt dein Herz". Olli Schulz-Lieder müssen dich genau im richtigen Moment erwischen, aber dann sind sie mit diesem Moment für immer verbunden. Diese Fähigkeit, menschliche Emotionen perfekt zu beschreiben, beherrscht im Moment überhaupt keine andere deutsche Band so präzise. Das Potential hätten viele, aber sie haben irgendwann einen falschen Schritt getan und es verspielt, das Vertrauen der Zuhörer.
"Ist das deine Meinung, oder etwa Angst. Darf ein anderer das tun, was du selbst nicht kannst?" Das Lieblingslied, wieder das wütende, aufrüttelnde. "Medizin". Und das musikalische Genie von "Was macht man bloß mit diesem Jungen?" ist auch nicht zu übertreffen.

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