Wednesday, 14 February 2007

Muxmäuschenstill

"Muxmäuschenstill" von Marcus Mittermeier ist der Gegenentwurf zu "Die fetten Jahre sind vorbei". Der Widerstand des jungen Mannes, von dessen Geschichte wir nicht viel erfahren, richtet sich nicht gegen das System oder gegen jene, die von ihm profitieren. Er kämpft in einer Welt, in der ökonomischer Individualismus jegliche Art von Zusammenhalt untergräbt, dafür, dass jene Regeln, die diesen ermöglichen sollen, penibel eingehalten werden. Das sind teils Benimmregeln, teils genau jene Gesetze, die vom Staatsbürger allzu gerne übertreten werden, ohne dass viel darüber nachgedacht werden würde. Mux (Jan Henrik Stahlberg) verfolgt Verkehrssünder, Hundebesitzer, welche die Häufchen nicht wegräumen, Studenten, die in Schwimmbecken pinkeln und Benützer von öffentlichen Verkehrsmitteln, die keinen gültigen Ausweis haben. Er tut dies nicht, um dem System zu helfen, sondern weil er davon überzeugt ist, dass er den Sündern dadurch hilft. Wer sich nicht an diese Regeln hält, kann kein Selbstwertgefühl haben, und genau dies will er ihnen zurückgeben. Dass es ihm um die Menschen geht, merkt man daran, dass er am Anfang des Filmes den lakonischen Arbeitslosen Gerd (ein großartiger Fritz Roth) einstellt, weil er ihn "an seinen Hund erinnert".
Man findet Mux unsympathisch. Er ist arrogant, selbstgerecht und sieht von außen eher aus wie ein typischer Neo-Liberaler. Verstehen kann man ihn und seinen Antrieb erst, als man ihn in einer Runde der Menschen sieht, denen er tatsächlich geholfen hat, die ihn für das, was er getan hat, danken. Die meisten sehen aus wie typische Modernisierungsverlierer, Opfer von Hartz IV wie Gert, dem Mux das Selbstwertgefühl zurückgibt, indem er ihm Arbeit gibt. Ibiza und Sportwagen ist nicht, aber dass was er hier tut, ist im Ansatz richtig und eine Abweichung zu dem fruchtlosen und manchmal sogar menschenverachtenden Diskurs über "Prekariat" und "Unterschicht".
Der Bruch kommt nach dem Erfolgt (die Medienpräsenz ist ein ironischer Kommentar darauf, dass der Staat inzwischen sogar seine ureigensten Aufgaben privatisiert, den Schutz der Bürger). Mux verliebt sich, aber seine belehrende Art und sein Nicht-Verständnis für die Spaßgesellschaft sowieso seine Idealisierung des Objekts seiner Liebe müssen mit den Interessen von Kira (Wanda Perdelwitz) kollidieren. Sie entspricht nicht und verweigert sich der totalen Kontrolle die Mux über sie ausüben will. Das Ergebnis ist eine Eskalation und eine Flucht.
Die Herangehensweise des Regisseurs ermöglich ihm ein weitaus komplexeres Bild der Gesellschaft als die Gut-Böse-Romantik von "Die fetten Jahre sind vorbei". Natürlich, indirekt wird der Staat kritisiert, da er lediglich die Bedingungen für die Konzerne verbessert und es nicht einmal selbst schafft, gegen kleine Vergehen und große Verbrechen vorzugehen. (am schockierendsten sind die Szenen, in denen Mux mit Vergewaltigern und Mördern konfrontiert wird). Das System "entmenschlicht" und hält die Bürger mit Entertainment auf Linie, welches hier beim Namen genannt wird (Stefan Raab, Dieter Bohlen). Am Ende des Filmes, als Mux bereits verloren hat, prognostiziert er ein Ende dieses Systems. Wir werden sehen, ob er Recht hat.

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