In den ersten Szenen des Filmes fragt ein junger Mann die Domina Severine, ob sie lachen würde, wenn sie sich vor den Ruinen des World Trade Centers fotografieren lässt. Als Antwort bekommt er ein paar Peitschenhiebe, aber die Grundstimmung des Filmes ist schon gesetzt: es geht hier nicht um das große politische Ganze, sondern um die vereinzelten Menschen, die sich in dieser riesigen Stadt tummeln. Es geht um die Suche nach individuellem Glück und vielleicht um die Unmöglichkeit, dieses außerhalb einer Community zu erlangen. Die fiktive Community, das Shortbus, ist ein hipper Club für junge New Yorker, die einen Abend lang Spaß haben wollen. Es gibt Performancekunst, einen Raum für Gruppensex, und eine Liebevolle Transenmutter, die alles beobachtet. Im Prinzip ist Shortbus von John Cameron Mitchell damit das genaue Gegenstück von "Der letzte Tango von Paris" und "Lie with Me" – hier füllt der Sex nicht irgendeine emotionale oder ideologische Leere, er existiert zum Selbstzweck. Die verheiratete Paartherapeutin, die noch nie einen Orgasmus hatte, sucht nicht nach dem Sinn des Lebens, sondern nur nach einer Situation, in der sie zum Höhepunkt kommen kann. Das schwule Pärchen, das schon eine Ewigkeit zusammen ist, versucht ihre Beziehung durch Einbeziehung eines weiteres Partners zu retten, was nicht funktioniert. Die Frage ist, ob diese Menschen in den Szenen, in denen sie miteinander Sex haben, weniger einsam sind als sonst, und die Antwort wird wohl gemischt ausfallen – manchmal versprüht der Film eine menschliche Wärme, so ähnlich wie Isabell Coixets "My Life Without Me!, was wohl auch dem unglaublich guten Soundtrack zu verdanken ist (Azure Ray, Animal Collective, Yo La Tengo). Am Ende steht der große Stromausfall, der scheinbar mit dem elften September einen Rahmen bildet. Wer erinnert sich nicht an diese Bilder, in denen plötzlich der Eindruck entstand, dass New York plötzlich ein Dorf war, in dem sich jeder um jeden sorgte, weil nichts mehr sonst funktionierte? Vielleicht ist das Individuum erst fähig, mit anderen Menschen zusammen zu sein, wenn es gänzlich auf sich selbst zurückgeworfen ist. Vielleicht sollte das die wahre Bedeutung von Amerika sein. Vielleicht ist das der Grund, warum die drei Männer "Star-Spangled Banner" singen, während sie miteinander Sex haben. Der Film wird wärmstens empfohlen.
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