Wenn man zwei Monate in einem Loch zubringt, und nur noch die stärksten popkulturellen und politischen Signale zu einem durchdringen, fühlt man sich in der heutigen Welt trotzdem noch überflutet. Das liegt daran, dass alles lauter und aufdringlicher geworden ist. Das heißt, ich weiß, wer Starmania gewonnen hat, obwohl mir dieses Wissen weder nutzen bringt, noch jemals von mir gewollt wurde. Ebenso die Kandidaten für die Dancing Stars, die Musik, die im Moment alle hören, oder die Halb-Nacktfotos, die ein unverwechselbarer ehemaliger Finanzminister für ein Reichenmagazin anfertigen lassen hat, angeblich nur zum privaten Gebrauch, die es dann doch auf das Titelblatt geschafft haben. Man hat es satt, Menschen zu erklären, dass man Politik niemals quantitativ messen kann, beziehungsweise das daraus keine aussagekräftigen Ergebnisse herauslesbar sind. Es ist egal, wie viel verändert wurde. Es ist nicht egal, welche Auswirkungen es hat, und vor allem, auf wen. So kann man auch argumentieren, wenn ein scheinbar schon ewig amtierender Wirtschaftsminister seiner Koalitionspartei vorwirft, sie sei gelähmt und langsam und inaktiv, um dann mit einem beliebig aus der Luft gegriffenen Vorschlag zur Altenbetreuung vorzustürmen, die im Monat 3000 Euro kostet. Solche Vorschläge können nur von Menschen kommen, die ab und zu mit "Geld ist nicht so wichtig" oder "Ich kann mir auch vorstellen, arm zu sein" herumwerfen, und sich darunter ein authentisches Leben vorstellen, in dem sie zu sich selbst zurückfinden, und nicht den täglichen Kampf gegen den Abstieg, den Menschen in Österreich führen, die weniger als 830 Euro im Monat verdienen. Wenn ihnen ihr Geld nicht so wichtig ist, sollen sie es doch herschenken.
Vom Schenken ist aber überhaupt keine Rede, vor allem nicht, wenn es um das Klima geht. Hier ist auch eine absurde, aber durchaus nachvollziehbare Entwicklung zu sehen. Die Staaten, ausgehöhlt und vieler ihrer früheren Fähigkeiten beraubt, sind immer noch alleine für das Lösen der wirklich großen Probleme zuständig. Sie müssen bitten und betteln, sowohl bei ihren Bürgern, als auch bei den Firmen. Bei der Herstellung des Elektromülls, der nach höchstens zwei Jahren obsolet ist, wird der meiste Schaden angerichtet. Stattdessen wird darüber diskutiert, ob man Fernreisen nicht teurer machen soll – jetzt kann man also wieder darüber diskutieren, ob es nicht nur daran liegt, dass sich jetzt alle alles leisten können, ob eine Rückkehr in eine Gesellschaft, in der Luxus nur noch für die oberste Klasse leistbar ist, nicht all unsere Probleme löst. Wie wäre es damit: jeder Österreicher darf in seinem Leben nur eine begrenzte Anzahl an Kilometern mit einem Flugzeug reisen. Was darüber hinausgeht, muss er anderen Österreichern abkaufen (oder machen wir das doch gleich auf EU-Ebene!). Beim Autofahren könnten wir es ähnlich machen. Ich verkaufe dann die Kilometer, die ich nicht fahre, weil ich gar keinen Führerschein habe, und kann mir davon ein Leben finanzieren.
Dass dieses Verhalten unter Umständen einem Zeitgeist entsprechen könnte, zeigt sich auch an der Diskussion, die über Ernährung geführt wird. Der ORF, nun gesegnet mit Themenschwerpunkten, die dazu führen, dass versucht wird, "The Day After Tomorrow" ernsthaft als einen Beitrag zur Disku über Klimaerwärmung darzustellen, zeigt zum Thema Ernährung "We Feed The World", "Super-Size Me" und Sarah Wiener, wie sie kocht. Das sieht dann so aus: zuerst ein provozierender, post-Michael Moore-Doku-Film gegen Fastfood, am nächsten Tag dann ein Lebensgefühl-Slow-Food-Film. Und was wird nicht beantwortet? Wie das kommt, dass Fast Food von Armen und Slow Food von Reichen Menschen gegessen wird. Dass gesund oder nicht gesund essen wiederum viel damit zu tun hat, wieviel man verdient, wie gut man gebildet ist, und ob man überhaupt die Zeit hat, um die Zutaten für slow food vom Fachgeschäft oder vom Markt zu kaufen.
Gleichzeitig traut sich niemand, über Klassen zu sprechen. "Prekariat", "neue Unterschicht", ja, aber niemand spricht über die Realität, da gibt es Lebensgefühl-Gruppen wie Bobos, aber kein Mensch spricht von Einkommen, von Zeit als Ressource, davon, dass die Möglichkeit zur Kreativität und Selbstverwirklichung sehr beschränkt ist, wenn man nicht mit den entsprechenden ökonomischen Voraussetzungen gesegnet ist. Das hat viele Komponenten. Woher kommt es, dass Studenten meistens eben nicht im McDonalds essen? Warum wundert sich irgend jemand darüber, dass Fast Food davon profitiert, wenn alle weniger Zeit haben? Das ist ja auch eine Frage der Verfügbarkeit, wer hat die Zeit, gute und billige Lokale zu finden, wo wird man nicht rausgeworfen, wenn man nichts mehr konsumiert, worüber stolpert man zufällig an jeder Ecke? Ob dem mit einem künstlich hergestellten Lebensgefühl beizukommen ist, wird sich zeigen, aber grundsätzlich halten Trends niemals so lange, wie es brauchen würde, ein Problem nachhaltig zu lösen.
Wie wäre es, wenn wir das nächste Mal einfach alle nicht hinsehen, wenn sich Grasser auszieht, Lugner seine Fratze in die Kamera hält, Paris mit dem Arsch wackelt, Dominic Heinzl seine "ich schaue meinen verhassten Promis beim dekadent sein" bringt und sein Geld damit verdient, nichts zu produzieren? Wie wäre es, wenn wir einfach abdrehen würden? Das ist ein Markt, und unsere Nachfrage bestimmt das Angebot, und offensichtlich versagt jeglicher Versuch eines Widerstandes außerhalb des Systems. Wir sind die Konsumenten. Das hat viel mehr Bedeutung, als Bürger zu sein. Aber wer auf seine Nachbarn herabsieht, wird es auch nicht schaffen, mit ihnen in Richtung einer besseren Welt zu kooperieren.
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