Tuesday, 30 October 2007

Columnize your Randomness: Part 5

Ich blätterte die neue Spex durch, und irgendwo mittendrin lächelte mich eine absolut nicht erwartete Werbeanzeige an: Eine ganzseitige Bewerbung von Britney Spears neuem Album, "Blackout". Dazu muss ich erklären, dass ich ausgerechnet 1998 ganz genau in dem richtigen Alter war, Britney Spears zu hören, und dies auch gezwungenermaßen getan habe (die FM4-Musik findet man irgendwann, zufällig, aber ich hatte ja keine älteren Geschwister). Ich fand dann auch sofort Christina Aguilera besser, wie das bei uns eben üblich war, weil sie (noch) nicht in einem blöden Kostüm rumhüpfte und stellenweise sogar Stimme hatte.
Dann kam FM4, und Christina Aguilera wurde mir etwa zwei Jahre lang permanent aufgedrängt, weil wir eine Gruppe fanatischer Fans in der Klasse hatten, die besonders gerne tanzten. Und wenn ich das sage, meine ich, dass sie auf unserem Schulball (in der achten (bzw. 12.) Klasse!) zu "Dirrrty" hermhüpften, vor versammeltem Publikum, und das allein nimmt meiner alten Schule schon jeglichen Anspruch, auf irgendeine Art von Elite zu pochen. In dieser Zeit begann Britney Spears als Mainstreamequivalent Pete Dohertys zu viel zu trinken, ihre Hochzeit, Scheidung und Sorgerechtsstreit öffentlich auszutragen, und vor allem, keine Musik mehr zu machen, obwohl ich in der Phase kurz davor argumentiert hätte, dass ihre Musik vielleicht sogar hipper ist: weil sie die zwar inzwischen schon abgehalfterten (bei Kelis fand ich sie sogar noch richtig gut), aber immer noch interessanten Neptunes als Produzenten ins Boot geholt hatte, die ihre schwache Stimme immerhin noch kräftig untermalten.
Und jetzt veröffentlicht Britney Spears also ein neues Album. Die Sache ist ja die, dass ziemlich genau seit jenem Zeitpunkt, zu dem sie präsent war, die Musikindustrie diese riesige Transformation durchgemacht hat. Wie positioniert (bzw. wird positioniert) sich also ein Mainstreamkünstler, der vor einem krisengeschüttelten, übersättigten Markt steht, auf dem alle genau gleich klingen? Man versucht, ernsthaft zu werden: und zwar nicht auf diese halbherzige, "ich mache jetzt auf 20er Jahre, in dem ich mich halbnackt vor einem Bläserorchester räkle und nenne es authentisch" Art, über die gerade die anspruchsvolle Presse extra die Nase rümpft, da sie sich provoziert fühlt.
Eine Woche, nachdem ich die Anzeige in der Spex gesehen hatte, las ich die erste Kritik zu dem Album. Ausgerechnet Die Presse nennt es "stark und neu": Gerade weil es nicht so tut, als wäre es mehr, sondern gerade den Anspruch, oberflächliche, aber tanzbare Musik zu sein, perfekt erfüllt (in etwa die gleiche Kerbe schlugen ja die guten Kritiken für Paris Hiltons Debütalbum, über das aber inzwischen auch niemand mehr spricht). Wie Britney die nächsten Jahre in dem Geschäft überleben könnte? Etablierte Künstler nehmen sich ihrer an und machen sie zur Kylie-Minogue-artigen Ikone, einer ironischen Popreferenz, der man immer ein bisschen mehr zutraut, als sie dann tatsächlich leistet. Schön ist der Anfang des Artikels in der Herald Tribune:

"Just when it seemed safe to write off Britney Spears as a punch line only capable of entertaining people through tabloid escapades, she goes and gets all musically relevant on us."

Die Presse: Britney Spears - Letzter Kassenknall vor dem Fall?
Herald Tribune - Against all odds, Britney Spears' 'Blackout' is best album ever

Wie bereits bei den Ausgetipps letzte Woche erwähnt, wird heute in der Urania-Zentrale ein Ö1-Interview mit Christian Petzold aufgezeichnet, welches für das Publikum geöffnet ist. Der Standard hat bereits vorab mit ihm gesprochen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass "Yella" wiederum eine Gespenstergeschichte ist (das passt ja eigentlich auch für alle anderen Filme). Dazu passend kann man vielleicht noch einen älteren Artikel zu "Gespenster" lesen, der schön erwähnt, welche Rolle das "Geschichtenerzählen darüber, wer man ist" spielt.

Schließlich noch eine kurze Aufzählung zur Schlagzeilen-Reizwortgeschichte: Brände, Kärnten, Gesamtschule, 6,8-Millionen-Pension, 720 000-Euro-Ablöse, und Barbara Prammer (Nationalratspräsidentin) fordert eine sofortige Evaluierung des Fremdenrechts.

Ach, und jetzt noch was ganz irrelvantes am Rande: wir waren im Supermarkt, ich mag Supermärkte gar nicht, aber an einer besonders leisen Stelle fiel mir plötzlich auf, dass aus den Lautsprechern "Love & Communications" von Cat Power tönte. Das hat mich einerseits gefreut, andererseits aber auch etwas verunsichert, denn eines ist Chan Marshall auf gar keinen Fall: music for elevators, und da kann das noch so harmonisch sein. In diesem Sinne: "If you could have any super power, what would you choose? / CAT POWER!!"

8 comments:

krs10 said...

cat power im supermarkt! nina nastasia im volvo-clip, holly golightly wirbt für h&m und sol seppy für so'n doofes kreditinstitut. ich bin schockiert und fühle mich beklaut. wo soll das hinführen?!

flame gun for the cute ones said...

Bart: Lis, everyone in town is acting like me, so why does it suck?

Lisa: It's simple, Bart. You've defined yourself as a rebel. And in the absence of a repressive milieu, your societal niche has been co-opted.

Bart: I see.

Womit sollen die denn auch sonst werben? Aber wenn sie jetzt mit Scout Niblett Autos verkaufen wander ich irgendwohin aus, wo der Kapitalismus noch nicht Fuß gefasst hat :)

krs10 said...

ah, cool. bin gespannt, ob du von deiner societal niche (nordkorea?) aus dein blog am leben halten kannst :)

flame gun for the cute ones said...

Ich dachte da eher an einen abstrakteren Ort wie "Der Wahnsinn" oder "Bullerbü". Außerdem habe ich das überdacht: mit "We're all Gonna Die" ließe sich wirklich interessante, ironische Werbung machen, etwa für Humvees oder eine Fastfoodkette.

krs10 said...

...oder für lebensversicherungen.
das wäre ok :)

spricht ja auch nix dagegen, dass man sich ein bisschen kohle nebenher verdient. allerdings würde ich mir wünschen, dass man etwas bewusster vorgeht. feist wirbt ja auch für den ipod, das finde ich nicht so schlimm. aber vielleicht ist das jetzt auch heuchlerisch. naja, cat power hat doch auch vor jahren schon werbung für irgendein telekom-konzern gemacht? illusorisch, zu denken, dass scout niblett sich da verweigern würde. eventuell überschätzen wir unsere 'stars' auch, in erster linie sollen sie halt tolle musik machen und nicht die welt retten. wobei das natürlich schön wäre.

flame gun for the cute ones said...

Der CatPower-im-Supermarkt-Fall war ja auch eher ein Zufall, kein Vorwurf: vielleicht wollte die Person, die diese Hintermalungen aussuchen muss, einfach nur etwas hinein tun, was ihr wirklich was bedeutet.
Bei Werbung muss ich immer ein bisschen schlucken - Chan Marshall ist ja jetzt "celebrity spokesperson" für Chanel und hat auch schon für the gap etc. gearbeitet, aber ihre indie-credibility hat sie spannenderweise trotzdem nicht verloren. Anders ist das natürlich, wenn Rio Reiser für eine Multimediakette herhalten muss, aber bei aktiven Künstlern, die irgendwie ihr Geld verdienen müssen, bedeutet es vielleicht sogar eine lebenswichtige Freiheit, mal viel Geld zu haben und einfach nur Musik machen zu können.
Es kommt immer auf das Produkt an, das beworben wird - und Tocotronic könnten das natürlich nie machen, ohne jegliche Glaubwürdigkeit zu verlieren. Und trotzdem retten die die Welt nicht, auch wenn sie es ein bisschen einfacher für mich machen, mit der Welt wie sie ist umzugehen. Oder so.

krs10 said...

eigentlich sind wir einer meinung. oder so :)

krs10 said...

update:
gerade per zufall (?) drüber gestolpert: die musik zu audi's highend-megateuer-sportwagen-clip liefert simone white, die mit songs wie 'the american war' oder 'great imperialist state' nicht unbedingt die nähe zu ultrakommerz und mutwilligem klimakilling vermuten ließ. wie es scheint, muss ich umdenken: je mehr vermeintlich unabhängige musikkultur kommerz und konsumismus durchdringt, desto erträglicher (besser?) wird die welt. so oder so, schwarzweiß funktioniert immer seltener. und ich liebe simone white's album eh unendlich. ebenso nina nastasia, holly golightly und cat power sowieso. trotzdem, konsumismus ist scheisse. (und morgen kaufe ich mir ein iphone)