Sunday 10 February 2008

Politik, ernsthafter Versuch

Der unfreiwillig abgesetzte ehemalige BKA-Leiter plaudert, und plötzlich entwickelt sich innerhalb einer Woche ein veritabler Skandal, dessen Auswirkungen man schlecht abschätzen kann, weil er so überraschend kommt. Erstens: es geht um Vertuschung von Vermittlungsfehlern, um Korruption, seit neuestem auch um den Skandal, als 2004 zwei österreischiche Anwälte, die sich im Asylbereich engagierten, öffentlich als "Menschenschlepper" dargestellt wurden, weil sie zu unliebsam waren. Und, was für die ÖVP am schlimmsten ist, es geht um Natascha Kampusch. A bissal Korruption, das hat vielleicht Folgen für einzelne Personen, schadet aber der Institution Polizei und dem Innenministerium und schon gar nicht einer politischen Partei langfristig, denn Skandale um die Wiener Polizei sind auch fast schon alltäglich geworden. Aber was schadet ist, wenn eine dermaßen emotionsbeladene Angelegenheit wie die Entführung von Natascha Kampusch damit in Verbindung gebracht wird: Bereits 1998 soll ein Hundeführer auf den Entführer hingewiesen haben. Dem wurde nicht nachgegangen. Und 2006, kurz vor der Nationalratswahl, als sie sich selbst befreit hatte und Haidinger eine interne Untersuchung über Ermittlungsfehler einleiten wollte, wurde diese gestoppt: die damalige Innenministerin Prokop "hätte kurz vor den Wahlen" kein Interesse an einem Skandal, der das Innenministerium betreffen könnte. Zur Zeit der Kampusch-Entführung war der Innenminister noch rot, aber Schlögl galt immer schon als weitaus härter als seine Heimatpartei.
Also: Die Öffentlichkeit denkt sich jetzt, dass jemand daran schuld sein muss, dass Natascha Kampusch nicht schon achteinhalb Jahre früher befreit worden ist. Jetzt stellt sich die Frage: Kann das alles öffentlichkeitswirksam wirklich auf die ÖVP beschränkt werden? Wer gewinnt, wenn es zu Neuwahlen kommt, denn daran entscheidet sich auch die Rationalität für die beiden Koalitionsparteien, solche zu provozieren. Zu Neuwahlen kommt es nur, wenn eine der beiden meint, dadurch etwas zu gewinnen: Aber der SPÖ würde es nichtmal reichen, stimmstärkste Partei zu bleiben, da dann wahrscheinlich immer noch keine anderen Möglichkeiten als eine große Koalition offenstehen würden. Eine linke Mehrheit? Kaum. Und laut Sonntagsfrage ist die ÖVP seit Monaten deutlich vor der SPÖ. Was noch zu befürchten ist: Dass dieser Skandal vor allem der FPÖ nützen wird.
Also: Wird es zu Neuwahlen kommen? Das worst case scenario wäre, dass die ÖVP beleidigt Neuwahlen provoziert, diese gewinnt, und mit der FPÖ eine knappe Mehrheit schafft. Oder dass die SPÖ sich selbst überschätzt. Ändern wird sich dadurch kaum etwas - aber andererseits kann es so auch nicht mehr allzulange weitergehen.

Die Zeit - Wiener Watergate
www.peterpilz.at

[Übrigens hab ich irgendwann vor etwa zwei Wochen Klenk in der U-Bahn gesehen und mich gefragt, was der denn im tiefsten 22. Bezirk will. Am Mittwoch danach kam die Wallisch-Geschichte im Falter. Vielleicht war es auch nur eine Fata Morgana, trotzdem, ein bisschen unheimlich ist es doch, was für Leute ich in der Öffentlichkeit erkenne]

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