Thursday 31 July 2008

American Teen

Trailer "American Teen", Dokumentation von Nanette Burstein



Erstens: Wer diesen Trailer sieht, hat im ersten Moment auf gar keinen Fall den Eindruck, dass dieser Film eine Dokumentation sein könnte. Vom Aufbau her entspricht er wohl eher der MTV-Serie "Made" (die ich in cellar door schon einmal gelobt habe, und ich stehe immer noch dazu) als der europäischen Dokumentarfilmtradition. Es geht darin um fünf SchülerInnen der Abschlussklasse einer typischen amerikanischen Highschool im Mittelwesten. Es wäre in meiner Jugend spannend gewesen, wenigstens ein paar Wochen in einer solchen zu verbringen. Ich habe mir zwar selbst immer wieder erzählt, dass meine eigene Schule auch diesem Aufbau entspricht, der Einteilung in popular und unpopular, der Oberflächlichkeit, der verschiedenen Crowds, aber in Wirklichkeit ist allein schon die Form des österreischichen Bildungssystems gegensätzlich genug, um einen solchen Vergleich nicht zuzulassen. Teenager sind wahrscheinlich in fast allen Staaten gleich: unsicher, beim Versuch, ihren eigenen Weg zu finden, meist brutal in ihrer Abgrenzung zu anderen, etc.: Aber in österreichischen Schulen gibt es keinen wirklichem Teamgeist hinter Schulsportteams (es gab schon ein Schulfußballteam und ein Schulathletikteam und Pokale, die ausgestellt wurden, aber niemand kannte die Leute, die da mitmachten, es gab keine Cheerleader, und die jeweils erzielten Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht, das ganze hätte ebensogut überhaupt nicht stattfinden können). Es gibt nichts, was mit amerikanischen extra-curricular-activities vergleichbar wäre: Freifächer wurden weder benotet noch sonderlich ernst genommen. Da bildeten sich keine Gegenöffentlichkeiten oder crowds. Und natürlich sitzen alle in einer Klasse, das ist die aufgezwungene Gemeinschaft, in der sich der Konflikt abspielt, nicht in der gesamten Schule, und üblicherweise gibt es auch keinen gesellschaftlichen Knotenpunkt wie eine Cafeteria, in der Rang und Stellung offensichtlich werden könnten.
Am Anfang von "Clueless" erklärt Cher die Hierarchie ihrer High School, in der sich die Schüler in verschiedene Cliquen aufteilen, die verschiedenen gesellschaftlichen Stellenwert haben. In der PopMatters-Kritik von "American Teen" wird genau das kritisiert: Das ist eine Dokumentation, kein überzeichneter Kinofilm, der von Übertreibung und Zuspitzung lebt, und trotzdem entsprechen die fünf ausgewählten Charakteren genau den Klischeetypen, von denen jedes amerkanische Teenmovie lebt (die Tussi, die Rebellin, Der Geek, Der Sportler, Der Schönling). Zu jedem einzelnen wurden schon Filme und Serien en masse gedreht, und genau diese Konstellation gab es schon in "Breakfast Club" vor (sind es schon 20?) Jahren. Dabei gewinnen gute Serien über genau diese Zeit, in der man dort sein muss, wo man ist, nicht raus kann und eigentlich nur warten kann, bis es endlich vorbei ist, nur dann, wenn sie diese Klischee transzendieren, die Löcher aufzeigen, die Risse. "Daria" war immer dann am spannendsten, wenn die Möglichkeit aufgezeigt wurde, dass das Leben der populären Quinn vielleicht auch nicht einfach ist, weil sie von anderen ständig unterschätzt wird und sich selbst deswegen auch intellektuell unterschätzt, dass die popular crowd genau so sehr festsitzt wie die unpopular crowd, dass die Grenzen überhaupt nicht scharf gezogen sind und hinter den Klischees Menschen stecken, die immer mehr Handlungsoptionen haben als die beschränkten Rollen, die ihnen zugeschrieben werden. Es ist kein neues Phänomen, dass die Indie-Filme, egal ob Dokumentation oder Fiktion, aus der Perspektive der rebellischen Außenseiter geschildert werden - man kann vermuten, dass die jeweiligen Filmemacher da ihre eigene Jugend nacherzählen, und dass allgemein die Perspektive der Rebellen spannender ist als die der angepassten. Der Blick von außen auf etwas ist aber in Wirklichkeit viel ausgereizter und inzwischen schon zu oft gezeigt als der von Innen.

PopMatters-Review
NY Times-Review
Seattle Stranger-Review

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