Thursday 31 July 2008

Friedrich Schiller - Maria Stuart

Wie schreibt ein popkulturell versierter Mensch, der einen aktuell-amerikanischen Ansatz für beinahe alles hat, eine Kritik eines klassischen Theaterstücks? Mit den gleichen Ansprüchen und dem gleichen Fokus, wie für etwas, das in den letzten 20 Jahren geschrieben wurde?

"Maria Stuart" folgt den historischen Tatsachen genau so wenig wie "The Golden Age". Die Krise, die Entscheidung, die Konkurrentin hinrichten zu lassen und der ständigen Gefahr damit ein Ende zu setzen, wurde 1587 getroffen, als Maria Stuart 44, Elisabeth 53 Jahre alt waren. Also bestand schon zu Schillers Zeit das Bedürfnis, die dramatische Handlung dahingehend hinzubiegen, dass junge Schauspielerinnen die entsprechende Rolle übernehmen konnten: Nur kommt im Falle des Theaterstücks noch die zusätzliche Notwendigkeit hinzu, die Handlung zu verkürzen und im Sinne der Einheit von Raum, Zeit und Handlung nur einen verdichteten Zeitraum darzustellen.
Die Themen, die angerissen werden, sind vielfältig: In dem Konflikt zwischen Maria Stuart und Elisabeth spiegeln sich religiöse Gegensätze (der alte Katholizismus gegen den neuen, sich erfolgreich verbreitenden Protestantismus), weltpolitische Machtansprüche, in denen Schottland immer nur Spielball zwischen Frankreich/Spanien und England war, die Frage, welche Art von Recht gegen königliches Blut gelten kann (der inneren Widerstand, jemanden, der Tudor-Blut in sich hat, hinrichten zu lassen, findet sich auch in Schillers Stück, auch wenn hier Elisabeth keine guten Seiten abgewonnen werden), vielleicht sogar schon ein erster Ansatz von Völkerrecht.
Maria Stuart ist die ehemals heißblütige Königin, die schon jung alles verloren hat, als ihr Gatte, König von Frankreich, starb, und die dann, wiederum nur noch Königin von Schottland, ihren zweiten Gatten in einem Mordkomplott verlor, das sie wahrscheinlich selbst mitangeregt hat. Sie kommt als Flüchtling aus ihrem eigenen Land nach England, wir dort festgenommen und vor Gericht gestellt. Sie hat als Königin von Frankreich Anspruch auf die Englische Krone erhoben, nur formal, ohne diesen Anspruch militärisch verteidigen zu können. Im Kern des Konflikts zwischen Maria Stuart und Elisabeth stehen also, zumindest in der beliebtesten Darstellung, keine machtpolitischen, vernunftbetonten, rationalen Erwegungen, sondern der verletzte Stolz der mächtigen Königin von England, die noch dazu auch noch gerne als verhärmte Frau dargestellt wird, die ihre wahre Erfüllung nicht gefunden hat, da sie unverheiratet und ohne Kinder starb.
Hier setzt Schiller an: Maria Stuart ist die umschwärmte Frau, der die Unterstützer, die bereitwillig ihr Leben für sie opfern, zufliegen, sobald diese auch nur einen Blick auf sie geworfen haben. Elisabeth ist die mächtige Herrscherin, aber die Männer verlieben sich scharenweise in Maria Stuart und laufen somit in ihr Verderben. Maria hat "Den Christus in der Hand, Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen" (Zeile 146f).
Dabei ist Elisabeth, und diese Idee erläutert Zweig in "Maria Stuart" eindruchsvoll, eine moderne Herrscherin, die erstmals nicht nur die Bindung eines Landes an einen Herrscher hervorhebt (statt den Herrscher als freies Wesen zu sehen, der in jedem Lande herrschen könnte, welches ihm durch Heirat zufällt), sondern auch sich selbst als vom Volkswillen abhängig betrachtet. So absurd es aus heutiger Perspektive erscheinen mag, wenn Elisabeth die letzten Worte in "The Golden Age" sprich: sie hat sich für England geopfert, gerade weil sie sich nicht zwischen den ihr als Gatte angebotenen fremden Herrschern entschieden hat und stattdessen in den Jahren ihrer Herrschaft eine Weltmacht aufgebaut hat. Die erste Kolonie Englands in Amerika wurde zu dieser Zeit gegründet, die spanische Armada besiegt, nicht zuletzt der Einfluss der Religion soweit zurückgedrängt, dass Wissenschaft und Bürgertum zu florieren begannen.
Trotzdem: für Schiller bleibt sie eine tragische Figur und Maria Stuart, die in der entscheidenden (und erfundenen) einzigen Begegnung der beiden keine Reue zeigt, ihre aufgestaute Wut auslässt und damit keine Vergebung findet, die moralische Siegern, die erhobenen Hauptes nach abgenommener Beichte hingerichtet wird. Elisabeth ist das Opfer ihrer Macht: "Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes, Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen. Mein Wunsch war's immer, unvermählt zu sterben, Und meinen Ruhm hätt ihc darein gesetzt, Dass man dereinst auf meinem Grabstein läse: "Hier ruht die jungfräuliche Königin" (Zeile 1155 ff). Das Volk ist wankelmütig (eine Lehre relevant für jede Form moderner Politik, siehe auch Marie Antoinette).Elisabeth steht am Ende des Stückes alleine auf der Bühne, ihr Liebhaber, Graf Leicester, den sie bereitwillig der Konkurrentin als ungefährlichen weil nicht mit entsprechender Macht ausgestatteten Gatten angeboten hat, ist von Maria verzaubert aus England geflohen.

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