Ich habe es in meinem Kopf gedreht und gewendet, um es zu verstehen. Ich glaube, in mir ist keine Faser nationalistisch. Ich fühle mich diesem Land als solches nicht verbunden. Als jemand, der mit Sprache arbeitet und auf diese besonders empfindlich reagiert, bedeutet mir die spezifische Melodie der deutschen Sprache in meiner Heimatstadt Wien viel, weil sie mich verortet, mich im Ausland kenntlich macht, mehr als alles andere, wahrscheinlich hört man sogar meinen Fremdsprachen an, aus welcher Stadt ich komme. Aber abgesehen davon habe ich keinen Grund, diese Nation zu unterstützen. Mehr noch, ich verstehe Nationalität nicht. Ich verstehe, dass Politik ein bestimmtes Territorium hat und deswegen Innen / Außen erzeugt, dass jede Form der Politik immer nach einer Wir/Ihr Dichotomie funktionieren muss, egal, worauf sich die bezieht, aber das bedeutet für mich nicht, dass ich deswegen Österreicherin bin mehr als Europäerin, Frau, Mensch, geboren kurz vor der zweiten Jahrtausendwende etc. Es bestimmt meine Lebensumstände, meine Lebensumstände bestimmen meine Identität, aber ich identifiziere mich nicht mit diesem Land.
Umso spannender die Frage, warum mich Fußball interessiert, und zwar nur in seiner Ausprägung als Kampf der Nationen, Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft. Die Sportart selbst finde ich nämlich überhaupt nicht spannend, die ist im Vergleich zu anderen langsam, ereignislos, zu sehr in die Länge gezogen und zu sehr durchinszeniert. Was mich interessiert, was ich gespannt und manchmal auch unreflektiert unkritisch verfolge, ist die Idee, dass Nationen zusammengeschrumpft auf Elf Spieler auf einem Spielfeld, in eine Wettkampf gegeneinander antreten, der für die Zeit, die er andauert, das tägliche Geschehen einfriert. Es ist ein geschichtlicher Zufall, dass die Sportart, die diese Macht hat, in Europa der Fußball ist. In anderen Ländern sind es andere Sportarten (wenn auch immer tendenziell Ballsportarten / Mannschaftssportarten). Aber jede Nation hat so etwas.
Erstens: Ich glaube nicht daran, dass Nationen noch einen langen Bestand haben, auch wenn es ein Vorurteil ist, zu glauben, sie hätten keinen Einfluss. Nationale Politik bestimmt, wer unter welchen Umständen lebt, aber was noch wichtiger ist, sie bestimmt, wer dazugehört und wer nicht. Diese Entscheidungsmacht haben Unternehmen noch nicht, allein der Staat vergibt Rechte und Pflichten, die mit der Idee des Staatsbürgers verbunden sind – und das sind ganz entscheidende Rechte, das Recht zu Wohnen, zu Arbeiten, zu Leben. Den Aufenthalt an einem bestimmten Ort. Man kann illegal sein, und kein Unternehmen bestimmt das, sondern der Nationalstaat, und es ist nicht absehbar, wann dieses Machtmonopol unterlaufen sein wird, selbst wenn Kompetenzen auf anderen Gebieten abgebaut werden. Ich habe das schon einmal geschrieben: Ich glaube dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation, zu einem bestimmten Staat, irgendwann einfach neben anderen Fakten bestehen wird, aber nicht unbedingt über oder überhaupt erst als Grundvoraussetzung für andere Mitgliedschaften existieren muss. Staatsbürgerschaft wird vielleicht nicht so trivial sein wie die Büchereikarte, aber auf gar keinen Fall das gleiche bedeuten wie vor 50 Jahren.
Zweitens: Die Grundvoraussetzung für meine Fußballfaszination ist die Form des Wettbewerbs, und zwar die konzentrierte Form, die den Zugang für Materiefremde erleichtert, weil er zum Beispiel nicht das gleiche Maß an Widmung und Konzentration erfordert, wie die Champions League. Man muss nicht viel kennen und auch nicht viel Zeit damit verbringen, die Mannschaften spielen zu sehen, da sich alles innerhalb weniger Spiele abspielt. Der Einstieg ist leicht. Meist haben die Mannschaften in dieser Zusammensetzung noch gar nicht gespielt, Prognosen, die sich auf frühere Länderspiele beziehen, sind also vage, und es ist ein Teamsport, also sind meist Aussagen über individuelle Spieler und was sie in ihrer jeweiligen Ligamannschaft geleistet haben irrelevant. Ländermeisterschaften bestehen für sich selbst.
Und wie bei anderen Wettbewerben ist der Inhalt nicht so wichtig wie die Form. Immer wieder bin ich gezwungen, Parallelen zwischen dem „Wettlesen“ in Klagenfurt und Europa- oder Weltmeisterschaften zu ziehen. Die Texte selbst, wenn sie nicht besonders gut sind, besonders gut vorgetragen oder unterhaltsam oder interessant UND gut verfasst, sind bei weitem nicht so spannend wie die Idee, dass sich meist sehr junge Menschen ohne Einwand erheben zu dürfen dem harten Urteil einer Kritikerrunde aussetzen müssen, am Ende miteinander nach Qualität und vielleicht auch Marktfähigkeit verglichen und ausgezeichnet werden. Natürlich ist hier ein Vergleich mit dem Mannschaftssport Fußball hinkend, aber jede Art von Individualsportart bietet sich an, inklusive der Leistungsnoten für bestimmte Felder wie Themenauswahl, Wahl der Form, Art des Vortrags oder Exzentrik des Auftritts.
Ich gehe meist unbelastet in Wettbewerbe. Wie vorher schon genügend erklärt fühle ich mich diesem Land nicht verbunden, also belastet mich das chronisch schlechte Abschneiden nicht, ich beurteile die österreichische Nationalmannschaft nach den gleichen Kriterien wie jede andere. Werde ich unterhalten? Für mich ist Fußball eine Dienstleistung, was die einzige Rechtfertigung dafür ist, dass hier überhaupt so viel Geld fließt. Ich belüge mich selbst und reflektiere nicht weiter darüber, dass hier nationale Identitäten gestärkt werden, Ressentiments, „Zusammenhalt“ durch die Schaffung eines gemeinsamen und als Nation erlebten Ereignisses. Für mich ist Fußball die eine Sache, die nichts mit mir persönlich zu tun hat, wo ich meine Positionierung nicht ständig überdenken muss, wo ich nicht jede Sekunde mitreflektiere, ob es politisch ist, ob es verantwortungsbewusst ist, ob es intelligent ist. Das Spiel hat seine eigenen Regeln, und ich sehe es vollkommen herausgelöst aus den Umständen, die es produziert haben: Warum steht die Welt still? Warum transformiert sich die Stadt rund um das Großevent und nicht andersrum? Warum verdienen die so verdammt viel Geld mit etwas, was andere zum Spaß tun? Warum spielen sie, obwohl sie erwachsene Männer sind? Das ist mir alles egal, wenigstens während des Spiels. Da geht es für mich nur noch darum, dass ich nach den eigenen Kriterien, die für mich ein gutes Fußballspiel und eine gute Fußballmannschaft ausmachen, Favoriten finde, Sympathien vergebe, und mit dem geringen Spielverständnis Prognosen darüber abgebe, wer unter welchen Umständen gewinnen wird. Und mich dann höllisch freue, wenn ich Recht hatte und Menschen, die für ihr Fußballverständnis bezahlt werden, falsch gelegen sind.
Die andere Seite, die ich beim Fußball bis jetzt noch gar nicht kennengelernt habe, ist die „Überwältigung“. Egal, ob man „Masse und Macht“ gelesen hat, kritisch über die Parallelen zwischen Leni-Riefenstahl-Filmen und aktueller Werbung reflektiert hat, wer in einem Stadion sitzt und ein Spiel verfolgt, wird sich nicht ganz entziehen können und mit verschränkten Armen objektiv auf den Ausgang des Spiels warten. Ich habe es versucht, und es ist mir nicht gelungen, obwohl ich zu der spielenden Mannschaft (in diesem Fall Eishockey, eine Wiener Mannschaft) vorher überhaupt keinen Bezug hatte. Dann geht man nach Hause und stellt erschreckt fest, dass sich so vielleicht auch politische Überwältigung erklären lässt, dass man davon vielleicht auch nicht gefeit wäre, wenn sie unter den gleichen Umständen passieren würde.
Im Moment des Spiels kann ich diese Parallele, diese Verbindung von Politik und Sport, ausblenden. Bis sich der Schock ob der „Sieg, Sieg“-Rufe einnistet und nicht mehr weggehen will und man doch wieder gezwungen ist, Fußball nicht losgelöst und unbelastet von allem anderen zu sehen. Es stimmt: Durch Fußball legitimiert sich vieles. Und es ist nicht nur ein Spiel. Aber ich kann es trotzdem nicht, so tun, als würde es mich nicht mitreißen, als fände ich all das nur böse und dumm.
Umso spannender die Frage, warum mich Fußball interessiert, und zwar nur in seiner Ausprägung als Kampf der Nationen, Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft. Die Sportart selbst finde ich nämlich überhaupt nicht spannend, die ist im Vergleich zu anderen langsam, ereignislos, zu sehr in die Länge gezogen und zu sehr durchinszeniert. Was mich interessiert, was ich gespannt und manchmal auch unreflektiert unkritisch verfolge, ist die Idee, dass Nationen zusammengeschrumpft auf Elf Spieler auf einem Spielfeld, in eine Wettkampf gegeneinander antreten, der für die Zeit, die er andauert, das tägliche Geschehen einfriert. Es ist ein geschichtlicher Zufall, dass die Sportart, die diese Macht hat, in Europa der Fußball ist. In anderen Ländern sind es andere Sportarten (wenn auch immer tendenziell Ballsportarten / Mannschaftssportarten). Aber jede Nation hat so etwas.
Erstens: Ich glaube nicht daran, dass Nationen noch einen langen Bestand haben, auch wenn es ein Vorurteil ist, zu glauben, sie hätten keinen Einfluss. Nationale Politik bestimmt, wer unter welchen Umständen lebt, aber was noch wichtiger ist, sie bestimmt, wer dazugehört und wer nicht. Diese Entscheidungsmacht haben Unternehmen noch nicht, allein der Staat vergibt Rechte und Pflichten, die mit der Idee des Staatsbürgers verbunden sind – und das sind ganz entscheidende Rechte, das Recht zu Wohnen, zu Arbeiten, zu Leben. Den Aufenthalt an einem bestimmten Ort. Man kann illegal sein, und kein Unternehmen bestimmt das, sondern der Nationalstaat, und es ist nicht absehbar, wann dieses Machtmonopol unterlaufen sein wird, selbst wenn Kompetenzen auf anderen Gebieten abgebaut werden. Ich habe das schon einmal geschrieben: Ich glaube dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation, zu einem bestimmten Staat, irgendwann einfach neben anderen Fakten bestehen wird, aber nicht unbedingt über oder überhaupt erst als Grundvoraussetzung für andere Mitgliedschaften existieren muss. Staatsbürgerschaft wird vielleicht nicht so trivial sein wie die Büchereikarte, aber auf gar keinen Fall das gleiche bedeuten wie vor 50 Jahren.
Zweitens: Die Grundvoraussetzung für meine Fußballfaszination ist die Form des Wettbewerbs, und zwar die konzentrierte Form, die den Zugang für Materiefremde erleichtert, weil er zum Beispiel nicht das gleiche Maß an Widmung und Konzentration erfordert, wie die Champions League. Man muss nicht viel kennen und auch nicht viel Zeit damit verbringen, die Mannschaften spielen zu sehen, da sich alles innerhalb weniger Spiele abspielt. Der Einstieg ist leicht. Meist haben die Mannschaften in dieser Zusammensetzung noch gar nicht gespielt, Prognosen, die sich auf frühere Länderspiele beziehen, sind also vage, und es ist ein Teamsport, also sind meist Aussagen über individuelle Spieler und was sie in ihrer jeweiligen Ligamannschaft geleistet haben irrelevant. Ländermeisterschaften bestehen für sich selbst.
Und wie bei anderen Wettbewerben ist der Inhalt nicht so wichtig wie die Form. Immer wieder bin ich gezwungen, Parallelen zwischen dem „Wettlesen“ in Klagenfurt und Europa- oder Weltmeisterschaften zu ziehen. Die Texte selbst, wenn sie nicht besonders gut sind, besonders gut vorgetragen oder unterhaltsam oder interessant UND gut verfasst, sind bei weitem nicht so spannend wie die Idee, dass sich meist sehr junge Menschen ohne Einwand erheben zu dürfen dem harten Urteil einer Kritikerrunde aussetzen müssen, am Ende miteinander nach Qualität und vielleicht auch Marktfähigkeit verglichen und ausgezeichnet werden. Natürlich ist hier ein Vergleich mit dem Mannschaftssport Fußball hinkend, aber jede Art von Individualsportart bietet sich an, inklusive der Leistungsnoten für bestimmte Felder wie Themenauswahl, Wahl der Form, Art des Vortrags oder Exzentrik des Auftritts.
Ich gehe meist unbelastet in Wettbewerbe. Wie vorher schon genügend erklärt fühle ich mich diesem Land nicht verbunden, also belastet mich das chronisch schlechte Abschneiden nicht, ich beurteile die österreichische Nationalmannschaft nach den gleichen Kriterien wie jede andere. Werde ich unterhalten? Für mich ist Fußball eine Dienstleistung, was die einzige Rechtfertigung dafür ist, dass hier überhaupt so viel Geld fließt. Ich belüge mich selbst und reflektiere nicht weiter darüber, dass hier nationale Identitäten gestärkt werden, Ressentiments, „Zusammenhalt“ durch die Schaffung eines gemeinsamen und als Nation erlebten Ereignisses. Für mich ist Fußball die eine Sache, die nichts mit mir persönlich zu tun hat, wo ich meine Positionierung nicht ständig überdenken muss, wo ich nicht jede Sekunde mitreflektiere, ob es politisch ist, ob es verantwortungsbewusst ist, ob es intelligent ist. Das Spiel hat seine eigenen Regeln, und ich sehe es vollkommen herausgelöst aus den Umständen, die es produziert haben: Warum steht die Welt still? Warum transformiert sich die Stadt rund um das Großevent und nicht andersrum? Warum verdienen die so verdammt viel Geld mit etwas, was andere zum Spaß tun? Warum spielen sie, obwohl sie erwachsene Männer sind? Das ist mir alles egal, wenigstens während des Spiels. Da geht es für mich nur noch darum, dass ich nach den eigenen Kriterien, die für mich ein gutes Fußballspiel und eine gute Fußballmannschaft ausmachen, Favoriten finde, Sympathien vergebe, und mit dem geringen Spielverständnis Prognosen darüber abgebe, wer unter welchen Umständen gewinnen wird. Und mich dann höllisch freue, wenn ich Recht hatte und Menschen, die für ihr Fußballverständnis bezahlt werden, falsch gelegen sind.
Die andere Seite, die ich beim Fußball bis jetzt noch gar nicht kennengelernt habe, ist die „Überwältigung“. Egal, ob man „Masse und Macht“ gelesen hat, kritisch über die Parallelen zwischen Leni-Riefenstahl-Filmen und aktueller Werbung reflektiert hat, wer in einem Stadion sitzt und ein Spiel verfolgt, wird sich nicht ganz entziehen können und mit verschränkten Armen objektiv auf den Ausgang des Spiels warten. Ich habe es versucht, und es ist mir nicht gelungen, obwohl ich zu der spielenden Mannschaft (in diesem Fall Eishockey, eine Wiener Mannschaft) vorher überhaupt keinen Bezug hatte. Dann geht man nach Hause und stellt erschreckt fest, dass sich so vielleicht auch politische Überwältigung erklären lässt, dass man davon vielleicht auch nicht gefeit wäre, wenn sie unter den gleichen Umständen passieren würde.
Im Moment des Spiels kann ich diese Parallele, diese Verbindung von Politik und Sport, ausblenden. Bis sich der Schock ob der „Sieg, Sieg“-Rufe einnistet und nicht mehr weggehen will und man doch wieder gezwungen ist, Fußball nicht losgelöst und unbelastet von allem anderen zu sehen. Es stimmt: Durch Fußball legitimiert sich vieles. Und es ist nicht nur ein Spiel. Aber ich kann es trotzdem nicht, so tun, als würde es mich nicht mitreißen, als fände ich all das nur böse und dumm.
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