Was ist Folter? "Das Leben der Anderen" beginnt mit einer modernen Form der Folter, die auch in vielen demokratischen Ländern legal angewendet wird: der Schlafentzug. Ulrich Mühe verhört als Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler einen jungen Mann, Vater, dessen Freund und Nachbar in den Westen geflohen ist. Später spielt er das Band einer Klasse vor, um ihnen die richtigen Verhörmethoden beizubringen. Das ist die Grausamkeit und Perfektion eines Systems, das schon längst bis auf die Grenzen seiner Belastbarkeit angespannt ist. Hier werden von jedem Verhörten "Geruchskonserven für die Hunde" genommen, für später, für die antizipierte Flucht.
Innerhalb von Florian Henckel von Donnersmarck spielt Mühe die perfekte Verkörperung eines Beamtenstaates. Als er seinen späteren Gegner, seine Beute das erste Mal sieht, konzentriert er sich ganz und gar. Das ist ein Mann, der nur in der Beobachterposition existiert, der nur für seine Arbeit lebt. Seine Wohnung ist trostlos eingerichtet, ein Plattenbau, da er zwar seinen Beruf perfekt ausübt, aber nicht gelernt hat, die Strenge und den unpragmatischen Idealismus erfolgreich abzulegen, wenn es um den sozialen Aufstieg geht. Der von Ulrich Tukur gespielte Oberstleutnant Anton Grubitz ist da anders: weicher, weniger konzentriert, aber gerade deswegen gesellschaftlich erfolgreicher innerhalb der Elite.
Georg Dryman (Sebastian Koch), linientreuer und von der DDR begeisterter Bühnenautor, gerät gerade wegen seiner allgemein bekannten Verbundenheit mit der DDR verdächtig.
"Ganz gleich wie oft sie das in ihren Stücken schreiben - Menschen verändern sich nicht."Das sagt Minister Bruno Hempf (Thomas Thierne) gleich am Anfang zu Dryman, der durch seinen Pragmatismus Erfolg hat, aber ständig Freunde an die Stasi verliert, die alles verbieten lässt, das widerständig ist.
Wie beängstigend effektiv der Überwachungsapparat der Stasi läuft, wird dann vorgeführt. Die Überwachung des Autors wurde angeordnet, und einige Stunden später ist seine Wohnung vollständig verkabelt, ohne dass die Männer Spuren hinterlassen würden. Die Positionen werden abgesteckt. Die Stasi weiß alles, über jeden, und als guter Beamter hat Wiesler diese Informationen auch zum richtigen Moment abrufbar.
Die innere Anspannung wird dann deutlich: Der Zuseher steckt in Wieslers Schuhen und hört nun alles, belauscht das Vorgehen, sowohl die Banalität des Alltags, als auch die Konflikte innerhalb der Künstlergruppe als es darum geht, auszuloten, wer für die Stasi arbeitet, wer authentisch ist, wer sich verkauft hat. Dabei gibt es nur diese beiden Möglichkeiten, kooperieren und sich selbst verkaufen oder verweigern und daran genau so jämmerlich zu Grunde gehen, wie der in Ungnade gefallene Regisseur Albert Jerska (Volkmar Kleinert). Der Mittelweg, für den sich Dryman entschieden hat, mit dem er nirgendwo anecken will, ist auf längere Zeit nicht durchhaltbar.
Wiesler wird in seiner Position als lauschender und beobachtender Dachbodenbewohner zu einem Schatten des Autors. Der Autor lebt, der Spion schreibt "danach vmtl. Geschlechtsverkehr" in sein Protokoll. Am nächsten Tag erfährt er, dass er mit der ganzen Überwachungs nichts anderes tun soll, als den derzeitigen Geliebten der erfolgreichen Schauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) aus dem Weg zu räumen, da der Minister mehr als nur ein Auge auf sie geworfen hat. Damit ist auch das zweite Element hinzugekommen: das ist nicht nur ein Überwachungsstaat, er wird auch noch von einer Elite korrupter, machthungriger, in Wirklichkeit ideologiefreier Männer geführt.
Aber das große Bild interessiert den Film eigentlich gar nicht. Hier geht es um einen Mann, der für die Zeit der Überwachung in die Haut eines anderen schlüpft und sich dort wohler fühlt als in seiner eigenen. Der Künstler ist nicht alleine, der Künstler wird geliebt. Wiesler hat nichts davon.
"Sie wissen, wie ich bin?"
"Ich bin doch ihr Publikum."
Die Schauspielerin weiß nicht, wie sie richtig ist, weil sie immer spielen muss, auf der Bühne und in ihrem Leben. Der Stasi-Offizier lebt das Leben seiner Opfer mehr als sein eigenes. Also beginnt er einzugreifen, er ändert den Lauf einer Geschichte, die er nicht verfälschen dürfte. Die Schauspielerin bleibt Dryman treu und lässt den Minister fallen, und Dryman entscheidet endlich, nach dem Freitod seines Freundes Jerska, einen politischen Text im Westen zu veröffentlichen - weil er fälschlicherweise meint, dass gerade er nicht im Zielkreuz der Stasi ist. Spannenderweise ist er das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr, da Wiesler inzwischen schon seine ganz eigene Agenda hat und nicht mehr mitschreibt, was passiert. Beide verstricken sich: für den Stasi-Offizier wird die Überwachung zur Privatsache, und Dryman macht das Private genau im falschen Moment politisch.
Der Künstler kann nicht leben, ohne seine Kunst auszuüben. Die Stasi weiß das, sie kennt die schwache Stelle, an der ein Keil zu treiben ist zwischen Liebende, Freunde, die Familie. Letztlich ist es genau dieses Vorgehen, das gesellschaftliche Solidarität zerstört. Aus diesen Bruchstücken lassen sich keine glücklichen Leben machen, aber genau so wenig ist daraus ein Staat zu machen. Und knapp fünf Jahre später ist die Mauer offen.
Innerhalb von Florian Henckel von Donnersmarck spielt Mühe die perfekte Verkörperung eines Beamtenstaates. Als er seinen späteren Gegner, seine Beute das erste Mal sieht, konzentriert er sich ganz und gar. Das ist ein Mann, der nur in der Beobachterposition existiert, der nur für seine Arbeit lebt. Seine Wohnung ist trostlos eingerichtet, ein Plattenbau, da er zwar seinen Beruf perfekt ausübt, aber nicht gelernt hat, die Strenge und den unpragmatischen Idealismus erfolgreich abzulegen, wenn es um den sozialen Aufstieg geht. Der von Ulrich Tukur gespielte Oberstleutnant Anton Grubitz ist da anders: weicher, weniger konzentriert, aber gerade deswegen gesellschaftlich erfolgreicher innerhalb der Elite.
Georg Dryman (Sebastian Koch), linientreuer und von der DDR begeisterter Bühnenautor, gerät gerade wegen seiner allgemein bekannten Verbundenheit mit der DDR verdächtig.
"Ganz gleich wie oft sie das in ihren Stücken schreiben - Menschen verändern sich nicht."Das sagt Minister Bruno Hempf (Thomas Thierne) gleich am Anfang zu Dryman, der durch seinen Pragmatismus Erfolg hat, aber ständig Freunde an die Stasi verliert, die alles verbieten lässt, das widerständig ist.
Wie beängstigend effektiv der Überwachungsapparat der Stasi läuft, wird dann vorgeführt. Die Überwachung des Autors wurde angeordnet, und einige Stunden später ist seine Wohnung vollständig verkabelt, ohne dass die Männer Spuren hinterlassen würden. Die Positionen werden abgesteckt. Die Stasi weiß alles, über jeden, und als guter Beamter hat Wiesler diese Informationen auch zum richtigen Moment abrufbar.
Die innere Anspannung wird dann deutlich: Der Zuseher steckt in Wieslers Schuhen und hört nun alles, belauscht das Vorgehen, sowohl die Banalität des Alltags, als auch die Konflikte innerhalb der Künstlergruppe als es darum geht, auszuloten, wer für die Stasi arbeitet, wer authentisch ist, wer sich verkauft hat. Dabei gibt es nur diese beiden Möglichkeiten, kooperieren und sich selbst verkaufen oder verweigern und daran genau so jämmerlich zu Grunde gehen, wie der in Ungnade gefallene Regisseur Albert Jerska (Volkmar Kleinert). Der Mittelweg, für den sich Dryman entschieden hat, mit dem er nirgendwo anecken will, ist auf längere Zeit nicht durchhaltbar.
Wiesler wird in seiner Position als lauschender und beobachtender Dachbodenbewohner zu einem Schatten des Autors. Der Autor lebt, der Spion schreibt "danach vmtl. Geschlechtsverkehr" in sein Protokoll. Am nächsten Tag erfährt er, dass er mit der ganzen Überwachungs nichts anderes tun soll, als den derzeitigen Geliebten der erfolgreichen Schauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) aus dem Weg zu räumen, da der Minister mehr als nur ein Auge auf sie geworfen hat. Damit ist auch das zweite Element hinzugekommen: das ist nicht nur ein Überwachungsstaat, er wird auch noch von einer Elite korrupter, machthungriger, in Wirklichkeit ideologiefreier Männer geführt.
Aber das große Bild interessiert den Film eigentlich gar nicht. Hier geht es um einen Mann, der für die Zeit der Überwachung in die Haut eines anderen schlüpft und sich dort wohler fühlt als in seiner eigenen. Der Künstler ist nicht alleine, der Künstler wird geliebt. Wiesler hat nichts davon.
"Sie wissen, wie ich bin?"
"Ich bin doch ihr Publikum."
Die Schauspielerin weiß nicht, wie sie richtig ist, weil sie immer spielen muss, auf der Bühne und in ihrem Leben. Der Stasi-Offizier lebt das Leben seiner Opfer mehr als sein eigenes. Also beginnt er einzugreifen, er ändert den Lauf einer Geschichte, die er nicht verfälschen dürfte. Die Schauspielerin bleibt Dryman treu und lässt den Minister fallen, und Dryman entscheidet endlich, nach dem Freitod seines Freundes Jerska, einen politischen Text im Westen zu veröffentlichen - weil er fälschlicherweise meint, dass gerade er nicht im Zielkreuz der Stasi ist. Spannenderweise ist er das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr, da Wiesler inzwischen schon seine ganz eigene Agenda hat und nicht mehr mitschreibt, was passiert. Beide verstricken sich: für den Stasi-Offizier wird die Überwachung zur Privatsache, und Dryman macht das Private genau im falschen Moment politisch.
Der Künstler kann nicht leben, ohne seine Kunst auszuüben. Die Stasi weiß das, sie kennt die schwache Stelle, an der ein Keil zu treiben ist zwischen Liebende, Freunde, die Familie. Letztlich ist es genau dieses Vorgehen, das gesellschaftliche Solidarität zerstört. Aus diesen Bruchstücken lassen sich keine glücklichen Leben machen, aber genau so wenig ist daraus ein Staat zu machen. Und knapp fünf Jahre später ist die Mauer offen.
No comments:
Post a Comment