Friday, 5 September 2008

Ersetzt das "weil" durch ein "obwohl" und schon ist es eine schicke Beleidigung

BZÖ und Grüne, zwei Parteien, die sich nichts zu sagen haben, die nicht um die gleiche Wählerschaft buhlen, die keine gemeinsame Zukunft haben können, weil den Grünen sonst mindestens die Hälfte ihrer Wählerschaft abhanden kommen würde.
Der Beginn: zwei Überraschungen. Die Grünen haben den erst vor einigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassenen Tierrechtsaktivisten Martin Balluch auf die Bundesliste gesetzt. Van der Bellen erinnert, gefragt ob dies klug war, dass die Grünen ja ihre Wurzeln in einer illegalen Aktion haben, und außerdem geht es um die Frage, warum diese Aktivisten ohne Anklage über 100 Tage in Untersuchungshaft gesessen sind - vorbestraft sind sie nicht, eine Anklage hat sich noch nicht gefunden. Aber Balluch? Im aktuellen Falter schreibt Florian Klenk, dass gegen ihn doch schwerwiegende Vorwürfe erhoben werden. (aber der Artikel ist, bei aller Hochachtung gegenüber den journalistischen Fähigkeiten Klenks und dem Falter im Allgemeinen, nicht objektiv). Als Partei, die den dritten Platz anstrebt, ein riskanter Schritt (aber man muss sich ja nicht an die Mitte anbiedern, oder?). Ein Gefühl sagt mir, dass die Initiative dafür nicht unbedingt von Van der Bellen, sondern von Peter Pilz ausgegangen ist, und dass der Professor damit nicht glücklich ist. Aber was weiß ich schon.
Haider geht erstmals nicht darauf ein und meint, er wäre gerade erst operiert worden, wegen eines Insektenstichs, und eigentlich nicht fit. Davon merkt man zwar im Rest der Diskussion gar nichts, aber spannenderweise hat es Herrn Strache auch erwischt, der liegt mit Magenbeschwerden im Krankenhaus. Let's not talk about karma, daran ist schon Sharon Stone vor einigen Monaten gescheitert. Schön auf jeden Fall der Moment, in dem der Grünpolitiker all seine artikulativen Fähigkeiten zusammenkratzt, um "Gute Besserung" zu wünschen ohne über die tiefe politische (und ich würde meinen, dass so viele gemeinsame politische Jahre inzwischen schon Einfluss auf die persönliche Beziehung genommen haben) Abneigung hinweg zu kommen.
Haider nützt die Chance und meint, den Grünen wären Tierrechte wichtiger als der Kinderschutz. Weil die Initiative des BZÖ im Parlament, verpflichtende Untersuchungen Minderjähriger einzuführen, ob diese missbraucht worden sind, bestimmt zu deren Schutz beigetragen hätten. Wenn es vorher Zweifel darüber gegegen hat, dass sich die beiden feindlich gesinnt sind, enden sie hiermit:
"Jetzt weiß ich wieder, warum ich in die Politik gegangen bin. Nicht zuletzt, um Politikern wie ihnen das Feld nicht zu überlassen. Österreich hat etwas besseres verdient als diese Art von Politik".
Die nächste Diskussion am Dienstag wird ein Blutbad werden.
Das ironische an dieser Diskussion, in der niemand wirklich aussprechen kann, sich alle persönlich berührt und angegriffen fühlen (Van der Bellen wegen Tierschutz, Haider wegen Kärnten), dass wahrscheinlich beide davon profitieren können. Den jeweiligen Gegner an den empfindlichen, teilweise schon untergriffig persönlichen Punkten zu erwischen ist Teil der Pflichtübung, im Gegensatz zu der Situation, wenn beide auf die Großarteien treffen, wo eine ganz andere Strategie notwendig ist. Es ist nur ungewohnt, Van der Bellen dermaßen in Angrifsshaltung zu sehen: abschätziges Lachen, den Gegner unterbrechen (wenn auch, nachdem er schon tausendmal vorher unterbrochen worden ist), persönlich angriffig werden.
Der Übergang vom Rechtsverständnis zum Thema Ortstafeln ist leider unvermeidlich. Wenn ich über die Argumente oder Haiders Gesichtsausdruck während der Diskussion nachdenken müsste (ja, es ist wahrscheinlich illegal, aber wer wird mich daran hinder?), würde wahrscheinlich mein Kopf explodieren. Schön der Moment, in dem Ingrid Thurnher, von Anfang an sichtlich genervt von dem ständigen Unterbrechen und Kärnten Kärnten Kärnten Kärnten bla, fragte, ob denn "das Bundesheer in Kärnten einmarschieren müsste, um die Ortstafeln aufzustellen?". An manchen Tagen, an denen die Implikationen einer solchen Vorgehensweise in den Hintergrund meiner Wahrhnehmung rücken, neige ich zu einem "fuck yeah! Wofür ist es denn sonst da, als die Verfassung zu schützen".
"Ihr seids eine alte Vernadererpartie", sagt Haider ohne bestimmten Zusammenhang. Als Antwort das einzig Richtige, ein Hinweis auf die schlechte wirtschaftliche Performance Kärntens, was Arbeitslosigkeit und ProKopfEinkommen betrifft.
Dann noch ein kurzer Ausflug ins Fremdenrecht, der allerdings gemäßigter ausfällt, als vielleicht erwartet. Hauptsächlich wird die Grüne Position zum Thema dargelegt, verkürzt in etwa das, was ich schon mal bei dem Kongress in Salzburg gehört habe: Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung. Und so sehr es mich schmerzt, dass sagen zu müssen: aber was ist mit der unqualifizierten Zuwanderung? Die passiert auch, die ist genau so Teil dessen, was Österreich zu einem Zuwanderungsland macht, und ich wehre mich dagegen, immer nur von Zuwanderung im Zusammenhang mit Kriminalität zu sprechen, das ist natürlich falsch, aber "die in Canada machen das recht gut" reicht mir trotzdem nicht ganz.
Jetzt: Der Umweltschutz. In der Nachanalyse meinte Sophie Karmasin, die Grünen müssten das Thema mehr betonen. Das hat zwei Seiten: idealistisch, natürlich: das ist der Kernbereich der Grünen, in dem sie glänzen können. Realpolitisch hat die Diskussion mit Haider aufgezeigt, was das Problem ist. Die Grünen sind bei der PKW-Maut nicht umsonst zurückgerudert, die hohen Benzinpreise betreffen, bis auf ein paar Leute die nicht Autofahren, fast alle. (wie mich, aber ich wohne auch in der Stadt, in meiner derzeitigen Lebenssituation wäre ein Auto eher eine Belastung). Ohne Frage muss eine langfristige Lösung gefunden werden, und es ist bewundernswert, dass die Grünen auf viele Stimmen verzichten, in dem sie in dieser Sache wenig populäre Positionen einnehmen (bzw. vielleicht aus diesem Grund immer eine urbane Partei sein werden). Haider kann ohne eine Sekunde darüber nachzudenken für alle möglichen Entlastungen für Pendler eintreten, während Van der Bellen genau weiß, dass das Umdenken einfach nicht erfolgen wird, solange Autofahren nicht enorm teurer wird. Eine verzwickte Situation. Haiders Ideen zu erneuerbaren Ideen beschränken sich auf den Leitsatz: "nachhaltig Abhängigkeit reduzieren". Van der Bellen meint, dass Österreich zum "Mekka der erneuerbaren Energien" werden könnte und gibt Güssing als Beispiel.

Am Ende: Uneinigkeit. Die Frage nach der Dreierkoalition beantwortete sich von selbst. Erstens wäre eine solche zahlenmäßig gar nicht möglich. Zweitens, wie bereits gesagt, könnten sich die Grünen das nicht leisten. Das letzte Wort, das am meisten nachhallt, behält Van der Bellen:
"Kärnten ist ein schönes Land obwohl Sie dort Landeshauptmann sind."
Enough said.
Nächste Woche (schauder) gibts Grün gegen Blau.

No comments: