Wednesday 3 September 2008

Ned mit der Krone vorm Willi rumfuchteln, da wird er wütend

Die Simpsons verbreiten manchmal erstaunliche Wahrheiten. In einer Folge, in der plötzlich die ganze Schule Bart Simpson imitierte und dem damit seine Besonderheit verloren ging, stellte Lisa fest (und ich weiß, ich hab das sicher schon Mal in einem anderen Zusammenhang zitiert, aber hier passt es schon wieder):
"You've defined yourself as a rebel. And in the absence of a repressive milieu, your societal niche has been co-opted."
Genau das ist der FPÖ passiert. Das für rechte Ideen inzwischen kein repressives Milieu mehr herrst, müsste seit 1999 eigentlich schon bekannt sein. Die Nische der FPÖ ist inzwischen schon Mainstream, auch wenn Molterer sich Mühe gibt, den gleichen radikalen Positionen einen "Nicht Angst, sondern Sicherheit"-Spin zu geben, das ist semantisches Kleingeld.
Erstmal die wichtigste Feststellung zum Beginn: Das ist die erste Diskusson zwischen zwei potentiellen Koalitionspartnern. Das geht sich numerisch aus. Es ist noch nicht geklärt, ob ÖVP oder SPÖ die Wahl gewinnen werden, aber die Wahrheit, der sich beide Parteien stellen müssen, ist, dass die Anzahl verfügbarer Koalitionsmöglichkeiten gering ist.
Wilhelm Molterer wirkte bei seiner letzten Diskussion mit Haider wenig spontan, in die Ecke gedrängt, über weite Strecken hilflos. Strache wird am Anfang von Thurnher zu dessen Affinität für den Stra Che befragt, den er zum Beispiel in der Nachtschicht zur Schau trägt. Die Antwort: "Ich bin die Antipode zu Che Guevara, dem Verbrecher. Ich bin Anti-Kommunist". (hier ein schöner spanischsprachier Blogeintrag zum Thema: "Un Che filonazi estempado en Austria") Spannenderweise keine Minute später die gleiche Aussage von Molterer. Sein Vorbild ist J.F. Kennedy (halb richtig zitiert von wegen "Was du für dein Land tun kannst" und so, aber ohne Kontext), der war ja auch "Anti-Kommunist". Schön, dass beide die wahre Bedrohung der Demokratie erkannt haben, ich fühle mich sicher und geborgen.
Konsequent geht die Diskussion weiter dorthin, wo es richtig wehtut. Ich will gar nicht beginnen, über den "Inhalt" der Zuwanderungsdiskussion einzugehen: Die Diskussion beschränkte sich darauf, dass Strache sich kopiert fühlte und Molterer wiederum diese fragwürdigen Zahlen ins Feld führte, die angeblich eine erfolgreiche Ausländerpolitik ausmachen: 50 % weniger Asylwerber (Toll! Das heißt, die Flüchtlinge schaffen es nicht mehr, zu fliehen! Let's celebrate!), 60 % weniger Zuwanderer, 50 % weniger Einbürgerungen. Das ist dann "Der Rechtstaat und das menschliche Maß". Vielleicht könnte aber doch mal jemand nachhaken, was genau die "österreichische Werteordnung" ist. Ich glaube, da ließen sich ganz entscheidende Differenzen zwischen verschiedenen österreichischen Bevölkerungsgruppen feststellen, wegen derer wir ja auch mehr als eine Partei haben. Aber eine Partei, die seit 21 Jahren ununterbrochen an der Regierung beteiligt war (ich bin 21. Ich weiß, dass ältere Leute tiefere Ressentiments gegen die andere Großpartei haben, weil sie deren Alleinregierung miterlebt haben, aber ich habe eben eine andere Perspektive, und 1999 war ich 12, das war meine ganze Jugend.)
Die neue Idee der ÖVP ist übrigens der Deutschkurs VOR der Zuwanderung. Damit würden Zuwanderer schon mal präventiv nach sozialer Klasse und verfügbaren Ressourcen gesiebt.
"Weg der Mitte, Weg der Rechtstaatlichkeit, Weg der Anständigkeit".

Die Anständigkeit. Ein kleines, schönes, absolut sinnentleertes Wort.
Strache findet auf jeden Fall keine sprachlichen Wege, der Besetzung seiner Nische entgegenzuwirken. In einem subtilen Schachzug erwähnt Molterer noch, dass gewisse FPÖ-Politiker das Verbotsgesetz in Frage stellen (von wegen "man muss alles In Frage stellen", der junge Jus-Student und Udo Landbauer, der aber im Mittagsjournal unter anderem auch den FPÖ-Standpunkt vertreten hat, dass es für Asylwerber schon reicht, unter Tatverdacht zu stehen, um eingesperrt zu werden). Der Gegenschlag von wegen die NPD hat auch schon mal "Es reicht" plakatiert geht eher schief, war auch nur halbherzig, Molterer ist inzwischen schon auf dem Durchmarsch. Dass die winzigen inhaltlichen Differenzen in der Fremdenpolitik nicht unbedingt die aufgesetzte moralische Enrüstung rechtfertigen, ist eine andere Geschichte, über die potentielle Wähler wohl hinweg sehen werden.
Wenige zitierbare Zungenbrecher von Strache: Schön nahtlos ist der Übergang von Fremdenpolitik zu Familienpolitik, mit dem Kampfsatz "zur Minderheit in der eigenen Heimat werden". Weil eingebürgerte Österreicher nie so gut sein werden wie die, die mit dem Boden ihrer Heimat verbunden sind. Und deswegen sollte man denen, die nicht erst nach 10 Jahren, sondern schon früher die Staatsbürgeschaft erhalten haben, die wieder wegnehmen können, wenn sie straffällig werden.

Jetzt noch ein ganz grundsätzlicher Tipp vor allem an jene Parteien, die sich als Mitte-Rechts bezeichnen: ein bestimmter Anteil der potentiellen Wähler besteht aus Frauen. Manche behaupten sogar, es wären mehr als 50 %. Davon hat, wenn auch nur ein winziger, marginaler Anteil, keine Kinder. Ein noch viel winzigerer Anteil ist vielleicht sogar der Meinung, dass Kinder zumindest im Moment, in der aktuellen Lebenssituation, keinen Platz haben. Deswegen erscheint es diesen Frauen, die wirklich existieren, nicht nur der Stoff von christlichsozialen Alpträumen sind, irgendwie, na ja, sexistisch, wenn der einzige Inhalt einer Diskussion über Frauenpolitik der über die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" ist. Weil nämlich Kinder kein "Frauenproblem" sind. Und unterschiedliche Einkommen bei gleicher Leistung nichts mit Kindern oder Betreuungszeiten oder Karenz zu tun haben, weil die Einkommensschere kinderlose Frauen genau so betrifft wie Frauen, die Kinder haben.
Aus der Diskussion erfahren wir, dass die ÖVP zwar keine Frauenpolitik macht, dafür aber eine weibliche Innenministerin hat, und die FPÖ ein "Kindererziehungsgehalt" will.

Dann, zum Abschluss, noch ein bisschen Spaß mit moralischer Entrüstung über Straches Vorwurf der Statistikenfälschung ("In dieser Sekunde entschuldigen Sie sich bei den 27 000 MitarbeiterInnen der Polizei...", Uneinigkeit in der EU-Politik, und und und...

Strache ist gegen Georgien (weil eine engere Kooperation mit Russland Europa daran hindern wird, "ins Fahrwasser der USA" zu kommen. Alles klar?) und gegen die Unabhängigkeit des Kosovo. Wieso? Weil er serbische Nationalisten als Freunde hat. Grundsätzlich sind Serbien und Kroatien ja näher an der "Europäischen Wertegemeinschaft", weil das christliche Länder sind. Bei den christlichen Werten kommen wir endlich wieder zusammen, gell? Und das traurige an der ganzen Sache ist, dass er trotzdem als "demokratisch gewählter Vertreter" natürlich nicht ausgeschlossen wird.

Molterer positioniert sich erfolgreicher, Strache wirkt hilflos, wenn man ihm die eigenen Argumente wegnimmt, und die gute alte Frage stellt sich wieder: Warum genau würde das eigentlich bürgerliche Koalition heißen?

Manchmal wünsche ich mir wirklich eine überzeugende Stimme, die mir ins Ohr flüstert, dass eh alles wieder gut wird.

Zusatz:

das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz, unter anderem mit den Voraussetzungen, die zur Erlangung der Staatsbürgerschaft zu erfüllen sind:
-Kenntnis der deutschen Sprache
-Grundkenntnisse "der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes"

Zum Nachlesen, die Genfer Konventionen. Unter Umständen kann man sie sich auch auf ein T-Shirt drucken, oder ein Schild damit ins Fenster stellen oder so.

4 comments:

ini said...

Manchmal wünsche ich mir wirklich eine überzeugende Stimme, die mir ins Ohr flüstert, dass eh alles wieder gut wird.
Ja. Ich wollte schon meine Mutter anrufen, damit sie mir irgendwas Tröstliches sagt, ob es irgendeine Beruhigung gibt, wenn man einem Politiker einfach nur eine in die Goschn hauen will. (Leider war sie nicht zu Hause.)
Ich hätte ein Trinkspiel daraus machen sollen, dann hätt ich wenigstens was davon gehabt (schlecht wär mir in ungefähr gleichem Ausmaße geworden).

flame gun for the cute ones said...

Bei Trinkspielen ist erfahrungsgemäß meistens die Zuseherin die Verliererin, ich hab das bei Westenthaler-Strache ausprobiert und sagen wir mal, der Tag danach war nicht unbedingt der schönste meines Lebens. Vielleicht hilft es ja tatsächlich, mit Menschen zu reden, die schon bei mehr als einer Nationalratswahl ihre Stimme abgegeben haben, aber es ist halt irgendwie mein gewählter Brotberuf (irgendwann wird das Brot schon kommen, ich warte nur noch drauf) und ich sollte mir deswegen eine dickere Haut zu legen, oder einen abgeklärteren Zynismus.
Aber in Wirklichkeit ist die Stadt eh schön und es sind viele liebe Menschen hier und deswegen ist das alles auch nicht so schlimm. Oder?

flame gun for the cute ones said...

...und den Fernseher anschreien ist auch therapeutisch, wenn auch ein bisschen komisch für die Nachbarn.

ini said...

Mit "erfahrenen" (bezogen auf die Anzahl der Wahlen) Wählern hilft nur bedingt, denn alles, was ich so herausgefunden habe, ist, dass eigentlich jeder in der Familie eine andere Partei wählt oder ungültig. Die Gründe für diese Kreuzerln waren ungefähr wie folgt: "Ich muss zu meinen Leuten stehen, weil der Seniorenbund eine Organisation der ÖVP ist", "Ausländer sind scheiße und in Wien schlagen mich alle Türken zsamm", "Man kann eh niemanden mehr wählen", "Ich bin da Parteimitglied, das war immer schon so". Als meine Mutter mir danach noch von den Ergebnissen der "Testwahlen" in ihren Klassen (sie ist Geschichteprofessorin) erzählt hat, war ich endgültig deprimiert. (Über die Hälfte FPÖ, wenn ich mich recht erinnere. Musterbeispiel der "Alle Türken sind böse aber wir fahren trotzdem in die Türkei auf Urlaub"-Mentalität.)
Der Spitzenkandidat der Christen in der ZIB2 hat mich dann doch wieder zum Lachen gebracht. Wenigstens eine Partei, bei der man beruhigt weiß, dass sie ihre Ideen nicht im Parlament vertreten wird.
Ja, in Wirklichkeit ist Österreich ein tolles Land mit netten Menschen. Und türkischen Bäckern, die meine Sesamring-Sucht stillen.