Sunday 19 October 2008

Burn After Reading

Der Vorwurf, den ich Tim Krings Serie "Heroes" gemacht habe: Es ist mir egal, ob die Helden sterben oder nicht. Die Grundannahme für einen creator muss immer sein, dass die Charaktere eine Story tragen, nicht die Story bestimmte Charaktere erfordert, die ihr zu dienen haben. Deswegen auch die größer werdenden Zweifel, nachdem ich das Kino eigentlich gut unterhalten verlassen hatte: ich dachte zuerst, der Film wäre gelungen. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis ein Weg zu erkennen war, bis sich die Situation ausgebreitet hatte und man wusste, worauf es hinausläuft, aber dann lachte man, und das sollte ja der Punkt sein an einer Komödie, die von ihren absurden Charakteren lebt, durchgehend dargestellt von exzellenten Schauspielern. Aber: haben die Coen-Brüder mit diesem Film nicht gerade gegen diesen obersten Grundsatz verstoßen?

Erstens: Eine Komödie ist in Wirklichhkeit nur dann auf die gute Art und Weise lustig, wenn die Charaktere nachvollziehbar bleiben - wenn sie lächerlich sind, dann niemals grundlos, sondern wegen einer Verstrickung oder einem Fehler. Ein Charakter, dessen einzige Eigenschaft die Lächerlichkeit ist, erfüllt eine Funktion, er ist eine leere Hülle ohne Bestand. Weder das Publikum noch die Erschaffer können ihn liebgewinnen. Aber leider - genau von solchen Hüllen wimmelt es in "Burn After Reading". Natürlich, Brad Pitts Charakter ist lustig weil es einer gewissen Vorstellungskraft bedarf, sich den meist eleganten, aber zumindest toughen und inzwischen schon entsprechend gealterten Star als verblödeten Fitnesstrainer um die 20 zu denken. Und natürlich merkt man jeder Sekunde, die er zu sehen ist, an, dass er es genießt, diese Rolle zu spielen. Aber - mehr ist da nicht. Der Typ ist halt lustig, und sonst ist egal, was mit ihm geschieht, er löst keine menschlichem Emotionen aus. Das zieht sich durch alle Charaktere. Das ist überhaupt die Grundannahme des Filmes: wer sich durch eigene Unvernunft und Dummheit verstrickt, verdient kein Mitleid. Aber Mitleid ist das Gefühl, das Zuseher in eine Handlung verstrickt, das eine Komödie zu mehr macht: Somit wird "Burn After Reading" zu einem der ersten neuen Filme, die einerseits anspruchsvoll sind, aber gleichzeitig meilenwert davon entfernt, Elemente einer Tragödie in sich zu tragen. Keine Spur von einer Melancholie à la Wes Anderson, die inzwischen schon zu einem Must Have geworden ist.

Das ist natürlich einerseits ein Aufbruch etablierter Erwartungsmuster und zugegebenermaßen etwas, das während der Film läuft eigentlich gut funktioniert. Die Zweifel setzen später an. Ein großer Wurf ist das nicht, sollte es wohl auch nicht sein, eher eine Entspannungsübung. Aber daran ist schon Soderbergh mit "Ocean 13" gescheitert: Das war ein Film, der auf einen Zuseher so gewirkt hat, als wäre er für die beteiligten Schauspieler gemacht worden, damit die wahnsinnig Spaß während der Dreharbeiten haben und am Ende kommt dann allein schon wegen des Stargehalts ein Film heraus, der auch noch an den Kassen Erfolg hat, ohne dass mehr Substanz enthalten sein muss. Sozusagen Selbstreferentialität als einziger Inhalt. Und das ist doch eigentlich eine Verschwendung dieses kulminierten schauspielerischen Talents, oder?

2008. Regie und Drehbuch: Ethan & Joel Coen, mit George Clooney, Frances McDormand, John Malkovich, Tilda Swinton, Brad Pitt, Richard Jenkins, J.K. Simmons. Jetzt im Kino.

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