Im Nachhinein ist das größte Wunder an "Wall-E", dass erstmals in einem wunderbar funktionierenden und mitreißenden Film Zeit keine Rolle spielt und verbale Kommunikation irrelevant ist. Über weite Strecken des Films wird überhaupt nicht gesprochen, und wenn doch, reicht eine subtile Veränderung der Betonung des selben Wortes vollkommen aus, um eine komplexe Emotion zu vermitteln. Und das ist auch das zweite Wunder von "Wall-E": Im Zentrum stehen zwei Roboter, die vorkommenden Menschen sind nichts weiter als eine Fußnote der Geschichte, und dieser Film imaginiert eine Zukunft, die, zu einem gewissen Maße, post-human ist - und weitaus konsequenter als frühere Pixar-Werke dies getan haben, in denen Tiere oder Spielzeug immer noch mit menschlichen Eigenschaften behaftet waren, statt sie wirklich als das Andere zu denken, das eben nicht-menschlich ist und deswegen neue Formen des Ausdrucks benötigt.
Aber erstmal zur Geschichte: Die Erde ist eine riesige Müllkippe, die Menschen haben sie vor mehr als 700 Jahren verlassen, zurückgeblieben sind Müllbeseitigungsroboter, deren einzige Programmierung ist, den Müll in kleine Würfel zu komprimieren und daraus Wolkenkratzer zu bauen. Am Beginn des Films ist nur noch Wall-E übrig, ein einzelner Roboter, der verbissen wie Will Smith in "I Am Legend" seiner Aufgabe nachgeht aber, sobald der Tage sich dem Ende zuneigt, in eine tiefe Melancholie verfällt. Wie der Titelcharakter in "Die fabelhafte Welt der Amélie" sammelt er aus dem Müll, seiner unbewältigbaren Aufgabe, Schätze, die aus dem Kontext genommen und richtig präsentiert schön sind: ein Rubikwürfel, eine alte Videokassette von "Hello Dolly". Was diese Objekte besonders macht, ist ihre magische Einzigartigkeit in einer Welt, die durch Massenproduktion zerstört wurde (gegen Ende hat sich der Monopolismus dermaßen konkretisiert, dass es überhaupt nur noch ein allumfassendes Unternehmen gibt).
Eines Tages landet ein riesiges Raumschiff auf der Erde. Ein eiförmiger weißer strahlender ästhetisch perfekter Roboter wird entlassen (die Menschen bauen inzwischen nach Apple-Ästhetik, die Zeit der widerstandsfähigen, und ständig durch neue Teile reparierbarer aber klappriger Maschinen ist vorbei) und begibt sich auf die Suche nach Leben. Wall-E verliebt sich auf den ersten Blick - aber als EVE eine kleine Pflanze findet, ist ihre Mission beendet, das Raumschiff kommt zurück, um sie abzuholen. Aber Wall-E ist nicht bereit, in der trüben Einsamkeit zurückzubleiben, und reist mit ihr.Der zweite Teil des Films zeigt die Zukunft der Menschheit. Auf einem gewaltigen Raumschiff leben die Nachkommen jener, die vor 700 Jahren aufgebrochen sind, in einem ständigen Konsumrausch, in einer Holodeckwelt, ständig auf technisch voll ausgestatteten Stühlen umherschwebend, ohne noch etwas voneinander oder ihrer Umwelt mitzubekommen. Die Babies werden von Maschinen aufgezogen. So sieht die Zukunft der Mensch-Maschinen aus, die aus der Zerstörung der Erde nichts gelernt haben und in ihrer eigenen Einsamkeit seit 700 Jahren gefangen sind, wie in die Matrix, nur noch furchtbarer, weil freiwillig (genau das Argument, das Huxley Orwell immer voraus hatte).
"Wall-E" ist von Anfang bis Ende ein perfekter Film. Die Ideen, wie komplexe Emotionen simpel vermittelt werden können, sind genial (in EVEs Fall reichen gepixelte Augen) - und vor allem geht es hier nicht um die Zukunft der Menschheit, die unter Umständen schon längst verspielt ist, auch wenn sie sich gegen Ende des Filmes noch einmal aufrafft. Es geht viel mehr um den Sinn des Lebens, auf eine ehrliche und unprätentiöse Art und Weise, wie sie schon ewig nicht mehr zu sehen war.
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