Wednesday 17 December 2008

Tilly & The Wall - O / Mates of States - Re-Arrange Us

Eine der schönen Eigenschaften des frühen 21. Jahrhunderts: Euphorie ist zu einer relevanten Messlatte für Musik geworden, und zwar nicht im Sinne "Hype", sondern wilder, verspielter, konsequenter Lebensfreude, die unter Umständen nervt, aber vielleicht auch hilft, wenn sie richtig angewendet wird. In Extremsituationen kann sie innerhalb eines Songs in Wut umschlagen und wird somit zu einer guten Waffe gegen böse Dinge wie fehlgeschlagene Versuche, mehr Sicherheit durch mehr Freiheit zu bezahlen. Euphorie als Qualitätsmesser ist eine nachvollziehbare Konsequenz aus einem Musikgeschäft, in dem Aufmerksamkeit auf neue, innovative Weisen erlangt werden muss und neu eingebettet wird.

Am Beginn von "Get Better", dem ersten Song auf "Re-Arrange Us", heißt es "Everything's Gonna Get Lighter Even if it Never Gets Better". Mates of State bestehen aus dem Ehepaar Kori Gardner und Jason Hammel und sind inzwischen schon seit 11 Jahre aktiv. Sie stammen aus Kansas. Tilly and the Wall stammen aus Omaha, Nebraska, ihre ersten Alben wurden auf Saddle Creek veröffentlicht, und sie haben eine Stepptänzern statt eines Schlagzeugs. Die beiden Bands vereint die vokale Harmonie und ein sehr unkompliziertes Verhältnis zu den Wundern der einfachen und ehrlichen Popmusik. "Bad Education" auf Tilly and the Walls Vorgängeralbum "Bottoms of Barrels" war so ein Wunderwerk: ein vorwärts trippelnder Song der fast schon auf einen Zorro-Soundtrack gepasst hätte, mit affirmativem Gesang, der aber immer auch eine Note von Melancholie in sich trägt.
"Everything's Gonna Get Letter". Der herausragendste Song auf "Re-Arrange Us" ist der Titeltrack. Er ist gleichzeitig der längste des Albums aber um keine Sekunde zu lang. Er ist wie "Bad Education" - ein in sich geschlossenes Werk, viereinhalb Minuten without regrets, unter Umständen einer der besten Popsongs des Jahres. Es ist diese Art Perfektion, die ich mir auf "O" erhofft hatte, weil die Erwartungen nach den beiden Tilly and the Wall-Vorgängeralben so hoch waren. Stattdessen - und das heißt nicht, dass die meisten Songs auf "O" nicht gut zu hören wären, aber der große Wurf fehlt leider - findet sich darauf eine Singleveröffentlichung, auf der die Band nicht wie sie selbst klingen will.
Coolness ist auch so eine Kategorie. Zum Beispiel ist es absolut unzulässig, Bob Dylans sehr individuelle Art der Betonung zu imitieren, um folksier zu klingen (ein schmaler Grat, den Conor Oberst dieses Jahr gewandert ist). Gewisse Zusatzacessoires zum einem Ramones-T-Shirt werfen ein schlechtes Licht auf den Träger (man könnte sagen, ein solchen T-Shirt verlangt vom Träger eine popkulturelle Form der Authentizität), und niemand anderer als Mick Jagger darf so auf der Bühe rumstolzieren (in letzten Jahren nicht mal mehr Mick Jagger selbst, wie die Superbowl-Show vor einigen Jahren bewiesen hat, aber vor allem nicht dieser furtchtbare Typ von The Hives). Und... niemand darf Karen O imitieren. Vor allem hätten Tilly and the Wall es nicht nötig, auf "Pot Kettle Black" wie die Yeah Yeah Yeahs zu machen, weil ihre eigene Herangehensweise an Songs legitim ist und gut funktioniert. Das beweisen sie schon einen Track später auf "Cacophony", eine Weiterverfolgung von "Bad Education" mit marching band Unterklängen. Zischen und Stöhnen und ist nicht notwendig, und so perfekt wie auf "Miles Away" kriegt das außer Karen O sowieso niemand hin.
Konsequenterweise haben Mates of State einen wunderbaren Song geschrieben während Tilly and the Wall auf dem nächsten Album hoffentlich ihren eigenen Stil weiterentwickeln, statt fremde Kostüme auszuprobieren.

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