Thursday 22 January 2009

W.

"Dubya" - Ein Synonym für acht Jahre amerikanischer Politik, an der sich noch Generationen an Theoretikern und Politikern abarbeiten werden müssen, bevor sie überwunden sind. Am Tag nach der Angelobung des 44. Präsidenten der USA stellt sich die Frage, wie mit den Foltervorwürfen, den Gefangenen in Guantanamo, denen das seit der magna charta für selbstverständlich genommene Recht habeas corpus vorenthalten wurde, den massiven Ausweitungen der Kompetenzen der Exekutive, und dem dezenten Verschwinden eines funktionierenden politischen Diskurses, der sich über mehr als bloß eine intellektuelle Elite zieht, umgegangen wird. Welche Spuren werden bleiben? Können die schlechten Entwicklungen rückgängig gemacht werden oder müssen wir uns damit abfinden, dass diese ersten Jahre des neuen Jahrtausends auch die weiteren prägen werden?
Oliver Stone, der sich in "Nixon" und "JFK" schon mit zwei anderen nationalen Traumata auseinandergesetzt hat, wählte das letzte Jahr von Präsident George W. Bush, um eine Biografie zu veräffentlichen. "W." ist dabei ein bisschen ungeschickt, schwankt zwischen Satire, erstgemeinter Dokumentation und Biopic, und es ist gerade diese Unentschlossenheit, die diesen Film letztendlich wie eine voreilige Skizze aussehen lässt, wie nichts anderes als einen ersten Schritt im Prozess der Aufarbeitung.
Die treibende Kraft hinter dem Projekt ist die Idee, dass viele der voreiligen und uninformierten Entscheidungen, die der 43. Präsident der USA getroffen hat, eine einfache psychologische Erklärung haben: Die ewige Konkurrenz zum übermächtigen Vater, letztes Beispiel einer der Ostküste entstammenden Dynastie hochgebildeter Mitglieder der Politikelite, in die W. Lebenslauf sich nicht einfügen will. Er wird als trinkender, unverantwortlicher Frauenheld eingeführt, der keinen Job lange behält und nur Dank der Intervention seines Vaters (auf dem Papier) die Ivy League-Ausbildung erhält, die von ihm verlangt wird: an der Universität sehen wir ihn aber nur als Teilnehmer herabsetzender Studentenverbindungsrituale. Wie der Economist kurz vor der Inauguration titelte: Die letzten Tage des Frat-Boys. Josh Brolins Darstellung, gemeinsam mit den anderen perfekt nach ihren Vorbildern gestalteten Schauspielern, lebt vor allem von der perfekt abgeschauten Mimik. Diese Momente der Übereinstimmung sind die unheimlichsten, auch wenn sie gerade zu dem parodiehaften Charakter des Films beitragen. Bestes Beispiel dafür "Guru" Condoleezza Rice (Thandie Newton), deren Aufstieg zur Außenministerin hier ausgespart wird, da der Film nur bis zur Entscheidung zum Irakkrieg führt (das Ereignis und Trauma 9/11 wird ausgespart - die Bilder sind ja immer noch so präsent, dass sie nicht mehr gezeigt werden müssen, es wird als Grundvoraussetzung angenommen, als state-of-mind der Zuschauer). Es ist ihre stillschweigende Zustimmung, die im Gegensatz zum über die Entscheidungen des Präsidenten und vor allem von dessen Hörigkeiten gegenüber Politik-Spin-Doctor Karl Rove und Vizepräsident (oder Schattenpräsident) Dick Cheney entsetzten Militär-Profi und Verteidigungsminister Colin Powell zu einem grundsätzlichen Enabler der Fehlentscheidungen wird. Der Präsident kann auf seine Versuche reduziert werden, das Erbe des Vaters zu übertreffen, der es nicht in eine zweite Amtszeit geschafft hat (wobei dieses Scheitern in kausalen Zusammenhang mit dem schnellen Ende des ersten Golfkriegs gebracht wird, in dem sich Bush Sr. weigerte, Saddam weiterzuverfolgen...), und die ewige Konkurrenz mit dem politisch versierten Bruder Jeb (der als möglicher Kandidat für 2012 gehandelt wird) endlich für sich zu entscheiden. Die politischen Fäden ziehen Rove, Wolfowitz und Cheney, die dem Präsidenten ins Ohr flüstern, was dieser dann als originäre Entscheidung annimmt ("I'm the decider", der größte Selbstbetrug).
Das Problem: aus dieser Perspektive geschieht genau das, was in diesen entscheidenden ersten Monaten der Obama-Präsidentschaft vermieden werden muss. Eine Verniedlichung des Präsidenten, der aus dem Amt geschieden ist, der offensichtlich nur aus eigener Inkompetenz und Unwissenheit die falschen Entscheidungen getroffen hat und deswegen keine Verantwortung für die Katastrophe trägt. Dabei versucht der Film die Fragen überhaupt nicht zu beantworten, die er stellt: Wie ist dieser Mann überhaupt Präsident geworden (die Erweckung zum Wiedergeborenen Christen alleine hat gereicht?). Wie konnte die als übermäßig niedlich portraitierte Laura Bush (Elizabeth Bank, die in "Zack and Miri Make a Porno" viel besser besetzt war) sich in diesen Mann verlieben, der im Film trotz der Nähe niemals über eine Karikatur seiner selbst hinauswächst und so überhaupt keinen Charme entwickeln will (obwohl ihm gerade diese Eigenschaft des Charmes bei näherer Bekanntschaft von seinen Mitarbeitern wie etwa der letzten Pressesekretärin Dana Perino nachgesagt wird)?
"W." ist voreilig, seine Intentionen bleiben im Schatten - bestenfalls ist es eine längere Version eines Saturday-Night-Cartoons. Und dafür hat Tina Fey als Sarah Palin vor einigen Monaten so hohe Maßstäbe gesetzt, dass diese Pappfiguren einfach nicht gewinnen können.

2008. Regie: Oliver Stone, mit Josh Brolin, Elizabeth Banks, James Cromwell, Ellen Burstyn, Richard Dreyfuss, Scott Glenn, Toby Jones, Thandie Newton, Jeffrey Wright, Noah Wyle, Bruce McGill, Colin Hanks.

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