Sunday 25 January 2009

Zack and Miri Make a Porno / Nick and Norah's Infinite Playlist

Um sich langsam an "Nick and Norah's Infinite Playlist" heranzuarbeiten, ist es vielleicht notwendig, einige der wichtigsten Erkenntnisse über "The Wackness" wieder ins Gedächtnis zu rufen: Ein Film, der als "period piece" eine gewisse Era, einen gewissen Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt, portraitieren will, wird immer, egal wie groß die zeitliche Entfernung ist, auf ein paar abgegriffene Klischees und leicht erkennbare Artefakte zurückgreifen müssen, um seinen Gegenstand darzustellen. Selbst Gus Van Sant musste, oder wollte, in "Last Days" darauf zurückgreifen, in dem er in die Kostümküste des Grunge griff und Kurt Cobains Brille und Kleidung für seinen Protagonisten verwendete, um ihn unverkennbar zu machen. Die Verfilmung von Nick Hornbys "About a Boy" scheiterte (obwohl es kein schlechter Film ist) daran, dass er gerade diese Elemente des Buches verleugnete, das ursprünglich den spezifischen Zeitpunkt darstellte, an dem Kurt Cobains Tod das Leben seiner Anhänger auch außerhalb der USA berührte. Der Film "About a Boy" verzichtete sowohl auf den authentischen Ort (London) als auch den Zeitpunkt (1994) und erzählte somit unabsichtlich die gleiche Geschichte, der aber die Tiefe des Buches fehlte.
"Nick and Norah" ist da nicht anders, auch wenn die dargestellte Zeitperiode vielleicht gerade mal ein paar Jahre in der Vergangenheit liegt. Die Verortung ist eindeutig: New York in einer sehr, sehr langen Freitagnacht. Die beiden Protagonisten sind so positioniert, dass sie verschiedene Elemente der Indieszene ausleuchten können: Nick (Michael Cera) ist Bassist in einer Queercore-Band (die anderen beiden übermäßig liebenswerten Mitglieder sind beide schwul, er hat sich gerade von seiner zickigen Freundin, Trish, getrennt), Norah (Kat Dennings) ist die Tochter des Studiobesitzers, der schon mit Jimi Hendrix, den Rolling Stones und Led Zeppelin aufgenommen hat, was ihr eine Freikarte in sämtliche Clubs der Stadt bringt.
Das New York in "Nick and Norah" unterscheidet sich grundsätzlich von dem, das in "The Wackness" dargestellt wird: als einnächtiges Abenteuer ist die Stadt ein aufregender Ort, in dem sich scheinbar überhaupt nur junge, musikbegeisterte, hippe Menschen tummeln - nebenbei erwähnt der Film, dass die Protagonisten ursprünglich aus den umgebenden Suburbs oder gar New Jersey kommen, aber das hilft nur noch, den utopischen Charakter der Stadt zu unterstützen.
Der Plot des Films ist einfach: Der sensible Musiker kommt über das Ende der Beziehung einfach nicht hinweg, auch wenn aus der Perspektive des Zuschauers das Objekt seiner Begierde so überhaupt nicht sympathisch wirken will. Er nimmt Mix-CDs auf (ein wunderschöner, once again utopian, Anachronismus), die von der Angebetenen allerdings ungehört entsorgt werden - zufälligerweise geht Norah in die gleiche Privatschule und hört die tapes zu Hause. Über Musik, das wird gleich am Anfang etabliert, kann eine Seelenverwandtschaft erkannt werden, und Nick und Norah sind da ein hundertprozentiger Match.
Irgendwie landen dann alle beim gleichen Konzert: Nick spielt mit seiner Band, den "Jerk-Offs", seine Exfreundin schleppt ihren schweigsamen College-Boy mit, Norah ist mit ihrer besten Freundin, Caroline, dort, die bloß ein paar Minuten braucht, um für den ganzen Abend volltrunken und zur Bürde für alle zu werden (während Nick and Norah straight-edge sind, also keine Drogen, kein Alkohol). Irgendwie landen Nick and Norah dann in Nicks gelben Yugo (offensichtlich der Trabant New Yorker Indiekids), um gemeinsam die Band Where's Fluffy zu finden, deren Konzerte an geheimgehaltenen Locations stattfinden.
Viel mehr passiert nicht in dem Film. Die Annäherung der beiden ist zaghaft und keineswegs eine Liebe auf den ersten Blick, wie es die ersten Szenen vielleicht vermuten hätten lassen. Wie in "Forgetting Sarah Marshall" laboriert Nick an seiner Ex-Freundin und Norah, die leider immer ein bisschen an der Oberfläche bleibt, ist entweder davon überzeugt, im Kreise ihrer Freundinnen bzw. im Vergleich zu Trish ein "plain girl" zu sein (wenn das Ernst gemeint ist, war Kat Dennings allerdings eine komplette Fehlbesetzung...), oder sie weiß zumindest, dass der große Name ihres Vaters im Kreise von Musikern dazu führt, dass alle immer was von ihr wollen (einen Plattenvertrag...). Irgendwie wird am Ende doch alles gut. Leider sind die Elemente, die an diese Film wirklich gut funktionieren, die Spontanität (auch wenn es vielleicht der erste Film ist, den ich gesehen habe, in dem Leute in New York mit dem Auto rumfahren und nicht im Stau steckenbleiben), das "Catcher-In-The-Rye"-inspirierte Motiv vom Übergang von einem Zustand zu anderem - ein bisschen zu rar, um aus "Nick and Norah" einen fantastischen Film zu machen. New York als Ort, in dem gleichgesinnte Menschen zusammenfinden, auch wenn es außen herum düster aussieht, gefiel mir in John Cameron Mitchells "Shortbus" besser, Cera glänzte in "Juno" und "Superbad" mehr und erstaunlicherweise ist die spannendeste Band des ganzen Filmes, weil sie nicht nur aus hippen Hetero-Jungs besteht, die Jerk-Offs. Verschwendet sind die knappen eineinhalb Stunden trotzdem nicht - denn ein paar kleine Momente bleiben doch hängen. (like, ew, the history of the chewing gum and the not-so-subtle "Trainspotting"-reference).

"Zack and Miri Make a Porno" - lange bevor Judd Apatow begann, sein Universum aufzubauen, arbeitete sich ein anderer Regisseur bereits an der Idee ab, inmitten popkultureller Referenzen und einer dirty nerd culture die schwer einzufangende Essenz der Authentizität menschlicher Beziehungen einzufangen. Dabei würde man Kevin Smiths oberflächlich gesehen ("Jay and Silent Bob Strike Back") vielleicht eher nachsagen, Filme für Leute zu machen, die ungefähr den gleichen sozialen Horizont haben wie die kiffenden couchpotatoes seiner Filme. Manchmal ist die oben beschriebene Zielsetzung deutlicher zu erkennen (das leicht missglückte aber trotzdem sehenswerte "Chasing Amy"), manchmal tritt sie gänzlich in den Hintergrund (eben "Jay and Silent Bob"). "Zack and Miri Make a Porno" ist Kevin Smith nachdem er erkannt hat, dass mit genau dem gleichen Schema, das er seit Jahren verwendet, viel Geld zu verdienen ist. Deswegen bedient er sich an der Trickkiste der Apatow-Jünger (bzw. engagiert Seth Rogen) - und verbindet dies mit Elementen seiner eigenen Geschichte, die immer schon gut funktioniet haben. Was an dem Film irgendwie angenehm ist und bei vielen anderen fehlt ist, dass Pittsburgh als Setting eine ganz andere Stimmung bereitstellt (Flanelljacken, Eishockey, Kälte, working-class-myths) als es die ewigen middle-class-suburbs anderer Filme über Menschen, die zwischen 16 und 29 sind. Die ökonomische Realität von "Zack and Miri Make A Porno", die den Auslöser für den Plot bietet, ist working-class-poverty: Menschen, die arbeiten, und trotzdem nicht genug Geld zum Leben haben. Zack (Rogen) und Miri (Elizabeth Banks) leben seit ihrer High-School-Graduation gemeinsam in einer Wohnung, sie haben es nie aus ihrer Stadt geschafft, und jetzt wird langsam das Geld knapp - kein Strom, kein Wasser, und schließlich die realistische Aussicht, bald auf der Straße zu stehen.
Natürlich ist "Zack and Miri" kein Sozialdrama über die Prekarisierung weiter Bevölkerungsschichten in Zeiten neoliberaler Zerstörung sozialer Sicherungsmechanismen. Bei Smith ist die Entscheidung der beiden Protagonisten, zur Lösung ihrer Probleme einen Porno zu machen, erstaunlich unproblematisch, und es erfolgt auch keine Reflektion über ihre Situation. Smith, als Romantiker, geht es darum, nachzuzeichnen, wie es aus dieser Entscheidung heraus für seinen "Helden" Zack unmöglich wird, zu verleugnen, dass er schon seit Jahren in Miri verliebt ist - mit dem Rückschluss, dass die beidenen irgendwie füreinander bestimmt sind, schließlich sind sie in einem fast identischen Lebenslauf gefangen (und diese Abgeschlossenheit wird bei der unvermeidbaren High-School-Reunion demonstriert). Die Idee, dass Kreativität vielleicht ein Ausweg aus einer aufoktruierten Gleichförmigkeit und ökonomisch rationaler Entzauberung der Welt sein könnte, wie sie etwa in "Be Kind Rewind" so wunderbar dargestellt wurde, ist in diesem Film immer noch spannender, als die erzählte Liebesgeschichte.

"Zack and Miri Make a Porno", 2008, Regie: Kevin Smith, mit Elizabeth Banks, Seth Rogen, Jason Mewes, Gerry Bednop, Brandon Routh, Justin Long, Jeff Anderson, Traci Lords, Katie Morgan, Craig Robinson.

"Nick and Norah's Infinite Playlist", 2008, Regie: Peter Sollett, mit Michael Cera, Kat Dennings, Aaron Yoo, Rafi Gavron, Alexis Dziena, Ari Graynor, Jonathan B. Wright, Jay Baruchel, Zachary Booth.

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