Friday 5 June 2009

Mean Girls

In der entscheidenden Szene, dem inszenierten Höhepunkt, steht die Matheprofessorin Ms Norbury (Tina Fey) vor sämtlichen weiblichen Schülerinnen. Nachdem ein Buch aufgetaucht ist, in dem sämtliche brutale Gerüchte über einzelne Mädchen stehen, ist ein komplettes Chaos ausgebrochen, das der Direktor der Schule nur mit dem Auslösen des Feueralarms lösen konnte. Er teilt sie zur Massenmediation ein - und sie meistert die Aufgabe besser als erwartet. Als sie den Kern des Problems erkennt, bittet sie die versammelten Schülerinnen, die Augen zu schließen und die Hand zu heben, wenn über sie schon einmal hinter ihrem Rücken Gerüchte verbreitet wurden. Als sie die Augen öffnen, sehen sie, dass es jeder einzelnen unter ihnen gleich geht - und die Frage, wer schon einmal über eine Freundin hinter deren Rücken Gerüchte erzählt hat, bringt das gleiche Ergebnis.
Highschool, so das Argument des Films, ist eine Wildniss in der um das Recht auf Selbstbehauptung und Territorium gekämpft wird. Manchmal geraten Freundschaften dabei in den Hintergrund. Es ist die fehlende Solidarität, die das Leben dieser etwa Sechzehnjährigen in eine tägliche Hölle verwandelt.
An den besten Stellen ist "Mean Girls", basierend auf einem Roman und adaptiert von "30 Rock"-Erfinderin Tina Fey, beinahe so gut wie die frühen Folgen von Buffy. In einer der besten Folgen der dritten und letzten in der Highschool spielenden Staffel von Joss Whedons Serie hatte Buffy von einem Dämon die Fähigkeit bekommen, die Gedanken ihrer Mitmenschen zu hören. Kurz bevor dies in einer Tortur mündet, hört sie noch die Androhung eines Schulmassakers. Sie glaubt, den potentiellen Attentäter in dem bisher immer nur am Rande aufgetauchten Jonathan (Danny Strong) zu erkennen, der mit einem Gewehr im Uhrturm der Schule steht. In einem Gespräch macht sie im klar, dass jeder einzelne der anderen Schüler genau so leidet wie er.
"Every single person down there is ignoring your pain because they're too busy with their own. The beautiful ones. The popular ones. The guys that pick on you. Everyone. If you could hear what they were feeling. The loneliness. The confusion. It looks quiet down there. It's not. It's deafening."

Buffy: Earshot
Genau in diesem Punkt ist das amerikanische Highschool movie, egal ob mit Klischees überladen oder überspitzt, nahe dran am persönlichen Erlebnis der Zeit zwischen 14 und 17. Die Idee, dass jeder Wunden davonträgt, und manche besser, andere schlechter damit umgehen, ist eine zentrale, und "Mean Girls" portraitiert den Übergang von einer selbstsüchtigen, brutalen, unzivilisierten Gesellschaft zur "erwachsenen" Gemeinschaft, in der Individuen koexistieren können, ohne sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen. Die Wildniss-Metapher ist gut gewählt und konsequent durchgezogen. Cady Heron (Lindsay Heron) hat ihr bisheriges Leben mit ihren Eltern in Afrika verbracht und ist "Home schooled". Gleich am ersten Tag in der Highschool lernt sie die einzelnen Gruppen und die bestehenden Regeln kennen, und freundet sich mit zwei "art geeks" an (gespielt von Lizzy Caplan und Daniel Franzese). Die beiden erklären, dass die ganze Schule von den drei "Plastics" beherrscht wird, die vor allem von den anderen Mädchen mit einer Mischung aus Bewunderung und Hass betrachtet werden. Im Zentrum der Plastics steht die "Queen Bee" Regina George (Rachel McAdams). Cady Heron wird überraschend von den Plastics aufgenommen - vorausgesetzt, sie hält sich an deren Vorschriften (wer jemals "Daria" gesehen hat, kennt das Szenario aus Quinns "Fashion Club"). Erstmals hält sie Regina für nett, bis sie das oben erwähnte Buch das erste Mal sieht und beginnt, hinter die Fassade zu schauen. Gemeinsam mit ihren beuden neugefundenen Freunden beschließt sie, die Plastics zu infiltrieren, um sie von innen heraus zu zerstören. Der Plan beginnt zu funktionieren, aber im gleichen Maße wird Cady mehr und mehr korrumpiert. Desto überzeugender sie ihre Rolle spielt, umso mehr verinnerlicht sie die "bitchyness" - und am Ende, als sie die original queen bee demontiert hat, steigt sie selbst in diese Position auf. Es ist spannend, zu beobachten wie sie selbst als Erzählerin der Geschichte plötzlich von dieser Art Macht versucht und letztlich gänzlich vereinnahmt wird. Sie lässt ihre zwei ursprünglichen Freunde zurück, und durch ihre eigene Selbstsucht wird das Buch öffentlich, ein Chaos bricht aus.
Ihre symbolische Buße stellt gleichzeitig den Übergang in eine andere Gesellschaftsform dar. Sie nimmt alle Schuld auf sich, und mit der Hilfe von Ms Norwood wird den Schülerinnen klargemacht, dass diese Form der gegenseititigen Zerstörung niemandem nützt.
"Calling somebody else fat won't make you any skinnier. Calling someone stupid doesn't make you any smarter. And ruining Regina George's life definitely didn't make me any happier. All you can do in life is try to solve the problem in front of you."
In einer Folge von "30 Rock" kommt Fey auf diese Idee zurück. Ihre Rolle, die erfolgreiche Produzentin einer Comedy Show, kehrt für eine Reunion in ihre Highschool zurück: ursprünglich kommt sie mit der Ansicht dorthin, dass sie die gequälte Außenseiterin war. Aber dort stellt sich dann heraus, dass sie mit ihrer scharfen Zunge kein geringerer Bully war, als die Cheerleader und Jocks, die sie so sehr gehasst hat.

2004, Regie: Mark Waters, Drehbuch: Rosalind Wiseman, Tina Fey, mit Lindsay Lohan, Rachel McAdams, Tina Fey, Tim Meadows, Amy Poehler, Lacey Chabert, Daniel Franzese, Ana Gasteyer, Lizzy Caplan, Neil Flynn, Jonathan Bennett, Amanda Seyfried, Rajiv Surendra.

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