Friday 3 July 2009

Stardust / Coraline

Neil Gaimans Fähigkeit, in trivialen Alltagssituation immer das Potential für große Geschichten zu sehen, indem er einfach eine zweite Ebene einführt, macht seine Romane zu den inspirierenden Geschichten, die man nicht weglegen kann, bis man beim Ende angekommen ist. In dunklen Ecken tauchen Türen in andere Welten auf. Parallel zu "London Above" gibt es einen nach anderen Regeln funktionierenden Underground. In "American Gods" kämpfen die Götter, die damals von den verschiedenen Einwanderern und den Kulturen, aus denen sie kamen, in das "Neue Land" mitegebracht wurden, gegen die Vorherrschaft der neuen Götter, die immer mehr Territorium für sich gewinnen.
"Stardust" hingegen ist ein Märchen, das in einer Märchen-geeigneten Welt von Prinzen und Königen und Hexen angesiedelt ist. Ohne dass der zeitliche Hintergrund relevant wäre, beginnt die Geschichte in einem kleinen englischen Dorf des 19. Jahrhunderts, Wall, das durch ein von einem uralten Wächter bewachten Steinwall von einer magischen Welt getrennt ist. Ein junger Mann macht dorthin einen Tagesausflug und findet neun Monate später ein Baby vor seiner Tür. Dieses Baby wächst zu Tristan (Charlie Cox) heran, der, unglücklich verliebt in die Dorfschöne Victoria (Sienna Miller), dieser verspricht, einen Meteor, den sie als Sternschnuppe gesehen haben, zu ihr zurückzubringen und sich somit die Ehe zu erkaufen. Jenseits der Mauern verstirbt gleichzeitig der König und entscheidet, dass jener seiner Söhne den Thron erhalten wird, der einen Rubin findet.
Tristan findet jenseits der Mauern zufällig beides, ohne es zu realisieren. Der "gefallene Stern" heißt Yvaine und ist ein äußerst widerspenstiges Wesen (genial gespielt von Claire Danes), das "strangely human" ist und sich erst in ihrer Rolle zurechtfinden muss. Kurzerhand nimmt Tristan sie gefangen, um sie zurück zu seiner Geliebten zu bringen - verspricht aber, sie zurück in den Sternenhimmel zu transportieren, sobald er erreicht hat, was er will. Aber Yvaine trägt auch den Rubin, den die zwei nach internen Intrigen verbliebenen Söhne suchen, und ihr Herz verspricht drei uralten und sehr bösen Hexen (in der Führungsrolle: Michelle Pfeiffer als Lamia) erneuerte Jugend.
Im Kern geht es in "Stardust" natürlich um die Entwicklung des widerspenstigen Helden - darum, dass dieser erkennt, was er wirklich will, und welche Schritte er setzen muss, um seine Ziele zu erreichen. Yvaine, so unmädchenhaft wie nur möglich, ist eine fantastische Abwechslung zu den schwachen Frauencharakteren, die sich sonst in Märchen finden. Robert De Niro spielt einen Piraten der Lüfte, der heimlich gerne Kleider trägt.

"Coraline" ist eine Kindergeschichte für Eltern, die ihren Kindern mehr zutrauen als die hegemoniale Disneyniedlichkeit, in der festgeschrieben ist, wieviel Realität dem Publikum zuzumuten ist. "Coraline" spielt mit der Idee verborgener Welte und Räume, aber auch mit der Gefahr, die von einer Unzufriedenheit mit der Jetztsituation und einem angebotenen, einfachen Ausweg, ausgeht. Coraline (gesprochen von Dakota Fanning) ist gerade mit ihren Eltern in ein altes Haus irgendwo außerhalb der Städte (sieht aus wie "rural" Oregon oder Washington) gezogen. Beide Eltern sind ständig beschäftigt, und vor allem die Mutter (Teri Hatcher) entspricht überhaupt nicht den Erwartungen - sie kocht nicht, sie ist meist mit den Gedanken bei der Arbeit. In dem Haus findet Coraline eine Tür, hinter der allerdings nur eine Mauer ist - bis diese eines Nachts plötzlich verschwindet und ihr Zugang in eine Parallelwelt ermöglicht, in der sie Abbilder des Hauses und ihrer Eltern (die "Other Parents") findet, die hundertprozentig ihren Ansprüchen entsprechen. Die Mutter ist omnipräsent und kocht jeden Abend ein Fünfgangmenü. Der Vater ist ein kreativer Freak, der im Garten eine Wunderwelt erschaffen hat. Hier darf Coraline, was ihr zu Hause verboten wird. Das einzige merkwürdige Detail: Die Menschen in dieser Welt haben Knöpfe statt Augen. Nichtsdestotrotz ist Coraline allzu bereit, der Langeweile und Traurigkeit der richtigen Welt zu entfliehen, bis sie herausfindet, dass der Preis, den sie für eine dauerhafte Existenz dort zu zahlen hätte, teuer ist - ganz nach dem Muster von "be careful what you wish for".
Henry Selick, der schon Regie bei Tim Burtons "Nightmare Before Christmas" geführt hat, findet wunderschöne Bilder für die Geschichte (in stop-motion). Stellenweise ist die Geschichte vielleicht sogar zu unheimlich für Kinder, aber vielleicht sollten wir auch einfach überdenken, was zumutbar ist und was nicht.

"Stardust", 2007, Regie: Matthew Vaughn, mit Charlie Cox, Claire Danes, Ian McKellen, Kate Magowan, Michelle Pfeiffer, Robert De Niro, Sienna Miller, Henry Cavill, Nathaniel Parker. Als DVD erschienen (deutscher Titel: "Der Sternenwanderer")

"Coraline", 2009, Regie: Henry Selick, mit den Stimmen von Dakota Fanning, Teri Hatcher, Jennifer Saunders, Dawn French, Keith David, John Hodgman, Robert Bailey Jr., Ian McShane.

No comments: