Thursday 24 September 2009

"Neuer Ausländerkurs"

Das Hauptproblem in der Diskussion um Migration und Integration? Das verschiedene Themen zusammengeworfen werden, die im Grunde genommen nichts miteinander zu tun haben, als dass sie eine ähnliche reflexartige Ablehnung von allem herausfordern, das irgendwie "unbekannt und fremd" erscheint.

Da ist erstens das Problem der Schulen und die vielzitierten Klassen mit einem großen Anteil an Kindern, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen. Erstens wird vom Schulsystem verlangt, viele Probleme zu lösen, die sonst nicht angegangen werden, als wären die menschlichen Ressourcen dort unbegrenzt - ohne dass strukturelle Veränderngen vorgenommen werden, die helfen könnten, die Probleme zu lösen (etwa: Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Karriere im Bildungssektor schmackhaft machen, vermehrt Fremdsprachenkompetenz bei LehrerInnen fördern, etc.). Das Schulproblem ist eigentlich ein Wohnproblem: dadurch, das etwa in Wien Gemeindewohnungen der nicht-österreichischen Bevölkerung nicht zur Verfügung standen, kam es zu einer Konzentration in bestimmten Bezirken (vor allem jenen mit nichtsanierten Altbauwohnungen). Die österreichische Bevölkerung zieht weg oder, wenn leistbar, entscheidet sich für teure Privatschulen. Dadurch kommt es zu einer unregelmäßigen Verteilung und zu einer Konzentration des Problems in bestimmten Bezirken oder bestimmten Bezirkteilen, obwohl der Stadt Wien eigentlich mit den weit verstreuten Gemeindewohnungen ein gutes Mittel zur Verfügung gestanden hätte, das zu verhindern.
Wie man dieses Problem zu lösen beginnen könnte? Bestimmt nicht mit der Fremdenrechtnovelle, die von der SPÖ mitbeschlossen werden soll, denn die hat nichts mit Integration zu tun, sondern fragt, wer sich hier legal aufhalten darf und welche Mittel angemessen sind, Menschen, die nach der juristischen Definition nicht hier sein dürfen, wieder abzuschieben. Kein Punkt in diese Nouvelle bespricht, wie Menschen, die legal hier sind, "integriert" werden können.

Zweitens: in unserer Nachbarschaft soll eine Moschee gebaut werden. Wir haben Angst.
Das hat erstmal gar nichts mit "Ausländern" zu tun, sondern mit Menschen, die einen anderen Glauben haben als den römisch-katholischen, für dessen Ausübung ja schon genug Infrastruktur vorhanden ist (hallo, Kirchturmglocke um sieben Uhr morgens). Ich schaffe es nicht, mich intellektuell in Menschen hineinzuversetzen, die sich von der Architektur von Minaretten bedroht fühlen (andererseits verstehen die auch nicht, warum ich mich von katholischen Vertretern bei Diskussionen um die "Homo-Ehe" belästigt fühle). Für mich ist das eine entweder-oder Geschichte: entweder eine Entscheidung, Religion als Private Angelegenheit definieren, die in der Öffentlichkeit keinen Platz haben (adieu, Holzkreuz in der Schulklasse), oder allen offiziellen Religionen die gleichen Rechte eingestehen, und das inkludiert eine der Menge an Gläubigen angemessene Infrastruktur mit Gebäuden, die der Tradition dieser Religion entsprechen, solange sie mit der allgemeinen Bauordnung übereinstimmt (heißt das so?).

Drittens: das merkwürdige Konzept der "westlichen Werte", die alles sein können, was gerade den Ideologien der Parteien entspricht, die sie anrufen. Für die FPÖ bestehen haben die westlichen Werte irgendwas mit dem "christlichen Abendland" zu tun und schließen explizit aus, dass zum Beispiel Moslems "richtige" Österreicher sein können - auch wenn ein Großteil der Wiener Bevölkerung sich längst nicht als katholisch bezeichnet, und das eigentliche Merkmal der westlichen demokratischen Gesellschaft eine klare Trennung von Religion und Staat ist. (und die ist gerade in Österreich nicht so klar wie in anderen Ländern der "westlichen Welt") Ha, sagen jetzt manche, aber genau diese Trennung von Religion und Staat wollen diese Fundamentalisten ja aufheben. Aber haben sie irgendeine Art von politischem Einfluss? Nein - ihr Einfluss beschränkt sich auf die eigenen Familien, auf die eigene community, und hat nichts mit dem politischen System Österreichs zu tun. Was man gegen Zwangsehen tun kann und Mädchen, die von ihrer Familie verboten bekommen, eine höherbildende Schule zu besuchen (egal, welche Religion oder was auch immer?) Entsprechende Strukturen schaffen, an die sich Menschen mit familiären Problemen wenden können, statt diese auszuhungern. Strukturen, die Mädchen, die ihren Bildungsweg nicht so verfolgen können, wie sie wollen, genau so helfen, wie homosexuellen Jugendlichen, die in ihren Familien Probleme haben, Opfer häuslicher Gewalt und so weiter.
Teil dieses Gedankens der "westlichen Werte", die sich, wenn sie ausformuliert werden, irgendwo zwischen "demokratische Werte akzeptieren" und "offensichtlich schwule Pärchen nicht auf der Straße zusammenschlagen" und "Frauen und Männer sich gleichberechtigt" (vereinfacht in "die Tochter am schulischen Schwimmunterricht teilnehmen lassen) bewegen, ist, dass Fremde hier diese verinnerlichen sollen - es soll getestet werden, ob sich auch wirklich dran glauben, und es nicht nur vortäuschen, während diejenigen, die die Staatsbürgerschaft bereits haben, fröhlich weiterhin nicht wählen gehen, sich vor dem Wählen nicht über die Programme der Parteien oder überhaupt die Strukturen des politischen Systems informieren, am Stammtisch weiter homophob sein können und, falls männlich weiterhin ein etwa um ein Drittel höheres Gehalt kassieren dürfen. Das einzige, woran sich alle halten müssen, sind die Gesetze. Und niemand fragt, ob man sich an die hält, weil man wirklich dran glaubt, oder weil man Angst vor Bestrafung hat.

Viertens: das Asylrecht, das ewige Sorgenkind. Das Recht aus Asyl ist in den Genfer Konventionen verankert, die vom österreichischen Staat unterzeichnet wurden. Es gibt kein "Scheinasyl" - Menschen, die den Flüchtlingsstatus in Österreich erhalten, wurde dieser im Laufe eines Verfahrens, das ihre Fluchtgründe geprüft hat, zuerkannt. Es gibt noch den Fall des "refoulements", wo Asylwerber der Flüchtlingsstatus zwar nicht zuerkannt wird, aber die Umstände im Herkunftsland als so gefährlich eingestuft werden (etwa: ein Bürgerkrieg ist inzwischen ausgebrochen), dass eine Rückschiebung einstweilen verschoben wird. Menschen, die sich im Verfahren befinden, sind Asylwerber. Dass das Verfahren so lange dauert, liegt an der unzureichenden Ausstattung der zuständigen Behörden, jährlicher "Reformen", und dem Umstand, dass die erstinstanzliche Entscheidung in vielen Fällen nicht korrekt ist (Statistiken aus Zeiten des Unabhängigen Asylsenats, inzwischen vom Asylgerichtshof abgelöst, hier). Dafür, wie mit jenen "Fremden" zu verfahren ist, deren Verfahren in letzter Instanz näher entschieden wurde, gibt es Gesetze. Ob es wirklich hilft, an der Grenze der Legalitität den Zugang zu Verfahren zu beschränken, nur um diese zu beschleunigen, ist eine andere Geschichte, und ob die Zustimmung zu solchen Gesetzen wirklich Kompetenz im Fremdenrechtsbereich demonstriert, auch.

Fünftens: Die Zahl der Einbrüche nimmt zu. Das hat wirklich nichts mit Migration und Integration zu tun, taucht aber verlässlich in jeder Diskussion auf. Das ist eine komplizierte Geschichte für mich, weil ich weder für eine erhöhte Polizeipräsenz auf den Straßen bin, noch dafür, dass die Innengrenzen der EU stärker überwacht werden. Andererseits ist auch noch niemand in meiner Familie Opfer eines Einbruchs geworden --- und ein post-materialistisches Verhältnis zum weltlichen Besitz vorzuschlagen, würde wahrscheinlich auch nicht allzu weit führen. Die moderne Technologie wirds richten.

So stellt sich das Fräulein T zumindest die Welt vor. Zur Finanzierung all dieser Punkte schlage ich eine lächerlich hohe Steuer auf Autos vor (grrr, Autos). Oder Zweitwohnsitze.

(ach, und das passt hier zwar grad nicht so gut rein, aber ich fand die Stelle im Falter-Interview mit Sarah Wiener spannend, an der sie meinte, manche Menschen, die ihre eigene Armut beklagen, hätten viele Fernseher und würden drei Päckchen Zigaretten am Tag rauchen.)

"Jetzt klingen Sie ganz wie eine neoliberale Geschäftsfrau.
Wiener: Die Leute haben es irre schwer. Ich war in solchen Familien. Aber es ist keine finanzielle Frage. Die haben mehr DVDs, als ich je haben werde, und drei Fernseher und noch einen im Kinderzimmer, weil man will ja dem Kind was gönnen. Die Mutter raucht drei Schachteln und sagt, sie hat keine Knete. Dann sag ich: Baby, du gibst jeden Tag 15 Euro für Fluppen aus, weißt du, was ich für 15 Euro jeden Tag kochen kann? Aber nicht jeder raucht drei Schachteln Zigaretten, nicht jeder ist faul. Und selbst die haben eine Vorgeschichte. Es gibt natürlich arme Leute, Kranke und Pensionisten, die halb am Verhungern sind."

Falter: Die Vorzeigeköchin Sarah Wiener über Disziplin und Maßlosigkeit
Der Reihenfolge nach war meine Reaktion in etwa: hm, ja, irgendwie, ja, schon, aber, hm, so kann man das eigentlich nicht vereinfachen, hm, das ist schon ein arges "ich kenn die bloß aus den RTL-Reality-Soaps", aber vielleicht auch nicht, hm. Aber so als Fernsehköchin find ich sie schon gut.

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