Friday 11 September 2009

Marketing of things

Die letzten Tage über: Kleine Krise. Ich habe versucht, Anschlusspunkte zu finden, aber irgendwie wirkt das Blog in den letzten Monaten ungewollt fragmentiert, weil ich keinen Fokus mehr gefunden habe - keine Wahlen, nur langsam im Hintergrund ablaufende Prozesse, die in dieser Form schwierig zu verfolgen sind. Es ließe sich etwa schreiben, dass es furchtbar ist, wenn eigentlich eine breite öffentliche Debatte über die Funktionen stattfinden sollte, die das öffentliche Schulsystem erfüllen soll, und welche Mittel dafür bereit gestellt werden, statt sich bloß darüber zu unterhalten, was die zuständige Ministerin in ihrem früheren Job gemacht hat (offensichtlich ähnliches wie die meisten anderen in der gleichen Funktion), oder ob LehrerInnen früher mehr oder weniger gearbeitet haben.
Dabei ist spannend zu beobachten, wie gleichzeitig in den USA eine Debatte über eine Gesundheitsreform in einer öffentlichen Rede mündet (vor einer joint session des Kongresses, aber im Fernsehen übertragen und danach von allen Seiten zerlegt und analysiert), und zu einer Art Grundlage für einen Diskussions-Kanon werden kann, als Ausgangs- und Referenzpunkt, als autoritäre Quelle. Wobei die Soundbites dieser Rede ("die Zeit für Spiele ist vorbei" keineswegs widergeben, wie zerrissen die demokratische Partei hier offensichtlich ist: Denn an einigen Stellen wird Unsicherheit darüber deutlich, wie wichtig die public option innerhalb der Reform ist (als Obama den Linken vorwirft, sich zusehr auf dieses Element zu konzentrieren, eine Konzession an die "moderaten" Demokraten, die einzigen wirklich gefährlichen Gegner im Kongress).
"It's worth noting that a strong majority of Americans still favor a public insurance option of the sort I've proposed tonight. But its impact shouldn't be exaggerated – by the left, the right, or the media. It is only one part of my plan, and should not be used as a handy excuse for the usual Washington ideological battles. To my progressive friends, I would remind you that for decades, the driving idea behind reform has been to end insurance company abuses and make coverage affordable for those without it. The public option is only a means to that end – and we should remain open to other ideas that accomplish our ultimate goal. And to my Republican friends, I say that rather than making wild claims about a government takeover of health care, we should work together to address any legitimate concerns you may have."
Wer würde in Österreich eine ähnliche Rede zu einem wichtigen Thema halten, das diskutiert wird? Dafür gibt es hier weder die Strukturen, noch die Plattform, weil sich das österreichische System grundsätzlich vom amerikanischen unterscheidet. Der Bundespräsident äußert sich hier selten zu tagespolitischen Debatten, selbst dann nicht, wenn sie eine größere Tragweite haben. Die Minister werden nicht als Vertreter für einen bestimmten Bereich gesehen, sondern als Mitglieder einer Partei. Es gibt mehr als zwei relevante politische Parteien, dafür geben sich diese nach außen (zumindest meistens) inhaltlich geschlossen, außer es stehen gerade Landtagswahlen an und Landesvertreter haben unterschiedliche Standpunkte zum Thema "Exklusion rechtsextremer Parteien".
Das soll keine Wertung sein, es ist nur spannend zu verfolgen, wie unterschiedlich die Debatte um eine Gesundheitsreform in den USA läuft. Schon die Ausgangssituation ist verschieden: eine Partei stellt den Präsidenten und die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses. Was einem Erfolg einer Reform der Demokraten im Weg steht, ist die innerparteiliche Diskussion und einem Schlagwort, mit dem Obama die Präsidentschaft angetreten hat ("post-partisan president"). Demnach ist ein Kompromiss mit den Republikanern notwendig, weil ein dermaßen wichtiges Gesetz nicht nur von einer Partei getragen werden kann. Natürlich hat diese Idee keinerlei Entsprechung im verfassungsmäßigen Ablauf - Barney Frank, demokratischer Abgeordneter aus Massachusetts (dessen Interviews meist von einer gewissen ehrfürchtigen Panik der Intereviewenden gekennzeichnet sind) und Vorsitzender des Bankenausschusses im House of Representatives nannte ein solches Vorgehen (in der vorgestrigen Rachel Maddow Show) überhaupt "undemokratisch", schließlich haben Obama und die Demokraten im Kongress ein eindeutiges Mandat (wofür sollte man auch sonst wählen?).

Vielleicht irre ich mich, aber mir fällt nichts ein, worüber in Österreich in den letzten Monaten groß debattiert wurde. Das mag vielleicht das Sommerloch gewesen sein, ich weiß es nicht. Im Nationalrat läuft der "zur Abhör- und Spitzelaffäre eingerichtete Untersuchungsausschuss" (kurz Spionage-Ausschuss), und tagt das nächste Mal am 29. September. Das Prototokoll des öffentlichen Teils der ersten Sitzung kann man hier nachlesen (112 Seiten PDF-goodness). Wenn mir ein Thema auffällt, das sich durchsetzt, werde ich mich verbeißen, um es ähnlich zu dokumentieren wie die Debatte um die Gesundheitsreform in den USA, um nachher zu vergleichen. Schließlich beschwere ich mich immer darüber, dass alles auf Wahlen hinausläuft, obwohl es eigentlich auf die Inhalte ankommt (aber rund um die Wiener Landtagswahlen werde ich trotzdem zitternd vor Computer und Fernseher sitzen, keine Sorge).

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