Monday 11 September 2006

Cursive - Happy Hollow

Ich habe bereits im Juli versucht, ein Review dieser Platte zu schreiben. Es begann so:

Finally, I am cured of the misery that made me care mostly for Conor Oberst and Bright Eyes! Finally I can appreciate the other, angry kind of misery, associated with Emo! Finally, I can say that Tim Kasher's Cursive is my favourite Saddle Creek band, that I truly love their music, that I am even willing to expose myself to other people by giving them Cursive's music!
Danach, beinahe zufällig, eröffnete sich eine vollkommen neue Ebene der Interpretation, als nämlich das neue Album der Thermals veröffentlicht wurde. Es ist schwierig, die Gemeinsamkeiten von "The Body, The Blood, The Machine" und "Happy Hollow" nicht zu sehen. Offensichtlich hat sich hier ein Zeitgeist eingeschlichen.
Der erste Song des Albums, "Opening the Hymnal/Baby" enthält bereits alles, worum es geht. Religion! Wissenschaft! Leben! "You’re not the chosen one / I’m not the chosen one / But we don’t need anyone / Lets chose any one" Es könnte alles bedeuten, aber im Angesicht des fiktiven faschistischen Staates, den die Thermals so eindrucksvoll an die musikalische Wand gemalt haben, klingt es wie die Warnung vor den Führerfantasien religiöser Eiferer. Es geht hier um Rezepte gegen neuen religiösen Totalitarismus.
Die erste Singleveröffentlichung, "Dorothy at 40", steht in der Tradition des Märchenerzählens, welches Tim Kasher bereits früher verwendet hat, um das Grauen des Lebens darzustellen (sehr eindrucksvolle: Die Geschichte von Pinoccio auf "Driftwood - A Fairytale" auf dem bisher besten Album, "The Ugly Organ"). Dorothy, die Heldin des "Wizard of Oz" ist jetzt erwachsen ("We're not the kids that we once were / We can't be the adults we want to be") und hat somit das kindliche Vorrecht auf Träume verloren.
"Dreams cause dream houses, dreams cause dream spouses, dreams cause tornadoes".
Im dazugehörigen Video sehen wir eine Frau in den Vierzigern, die in ihren Träumen Glück findet, aber am nächsten Morgen doch wieder nur neben ihrem Mann und in ihrem alten, langweiligen Leben aufwacht.
"Big Bang" ist eine intellektuellere Auseinandersetzung mit dem, was die New York Dolls in ihrer neuen Single thematisiert haben. Wie hat diese langsame Entwicklung geschehen können, in deren Verlauf die Evolutionstheorie zu einem linken Konzept geworden ist statt allgemeinem Konsens?
They say there was this big bang once, but the clergyman doesn't agree, oh no
There was this big bang once, but it don't jive with Adam and Eve
Original sin, idyllic garden
Some talking snake giving apples away
What would that snake say if he could only see us today?
Ha ha ha!
Hier wird am deutlichsten, dass "Happy Hollow" ein Manifest gegen die religiöse Rechte ist, die in den USA immer mehr Grund gewinnt und wohl auch früher oder später in Europa Erfolge feiern wird. "Bad Sects" erzählt die Geschichte eines schwulen Priesters, der seine Homosexualität verstecken muss und am Ende an den Konventionen der Kirche und der Kleinstadt zu Grunde geht.
"They can't know what we've done, our whole world would come undone."
Am Ende steht die Aussage, dass sein Handeln falsch sein muss, weil das schließlich alle behaupten.
Der Protagonist von "Flag and Family" wird von seiner eigenen Familie zum Militärdienst ermutigt. "When you’re down on your knees / Are you praying for holy war?". Das Portrait eines Amerikas, welches bereitwillig seine Jugend für einen kulturellen, religiösen Krieg opfert. Ein Album gegen die Scheinheiligkeit der Kirche ("At Conception" erzählt von einer Vergewaltigung durch einen Priester).
Dogmatismus, Konservatismus und religiöser Fanatismus, welche die Einschränkung der Bürgerrechte zu rechtfertigen versuchen, sind eine Bedorhung. Dieses Album ist eine Reaktion auf genau diese Bedrohung, ein beängistigendes Portrait der vergangenen Jahre, welches vor allem am fünften Jahrestag des 11. Septembers immer wieder gehört werden sollte.

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