Hej!
Heute ist der Morgen des 31. Dezembers. Somit geht ein weiteres Jahr zu Ende, in dem sich politisch und kulturell viel verändert hat, der ultimative Seelenzustand aber mehr oder weniger stabil geblieben ist, was man positiv oder negativ deuten könnte. Die Wahlen in Österreich sind zu Gunsten der Sozialdemokraten ausgegangen, ohne Beteiligung der Grand Old Party tut sich aber in der österreichischen politischen Landschaft trotzdem nichts, also müssen Kompromisse eingegangen werden. Ohne Opfer zurück zu lassen zu regieren können sich die Demokraten nicht einmal im von ihnen gewonnenen Kongress leisten, und selbst der siegreiche Romano Prodi muss sich Einmischung von Rechts außen gefallen lassen, da dies einfach etwas ist, was man in einer Demokratie tun muss: andere Meinungen akzeptieren, auch wenn sie gegen alle Grundsätze gehen, die man für sich selbst adaptiert hat. Als einziger Redakteur und Schreiberling dieses Blogs muss ich dies zum Glück nicht tun, es ist gleichzeitig grunddemokratisch und erzfaschistisch, und nebenher habe ich auch nicht mit Problemen zu kämpfen wie die Redaktion des Intello-Poppolitikums Spex, deren Hauptsitz ab Anfang des Jahres von Köln nach Berlin umzieht und die etablierten Mitarbeiter unter Uwe Viehmann zurück lässt. Was dies für die Heftlinie bedeuten wird, steht in den Sternen – entweder, Spex wird zu einem teureren Bravo, oder der Ex-Redakteur der TAZ bringt wieder linken Wind in die Sache. Wenigstens ist es spannend, und ohne Veränderung geht weder im Pop noch in der Politik irgendwas weiter, also darf sie auf gar keinen Fall im vorhinein abgelehnt werden.
Der Irak wird nicht mehr zu befrieden sein, auch wenn die USA gestern kurz erleichtert aufatmen durften, da Saddam Hussein hingerichtet wurde. Der offizielle Standpunkt der westlichen Staaten ist "wir sind grundsätzlich gegen die Todesstrafe", was natürlich die Frage aufwirft, wie und warum sich die USA immer noch den Luxus leisten, die Todesstrafe zu befürworten und das Kyoto-Protokoll abzulehnen. Dies und die Atombombentests Nordkoreas haben Scout Niblett's "Your Beat Kicks Back" zur Hymne des Jahres werden lassen: WE'RE ALL GONNA DIE, WE'RE ALL GONNA DIE. Katastrophe liegt in der Luft. Nur ein kleiner Schritt in Richtung eines Ausbruches ist der Flächenbrand in Afrika, der sich wohl im nächsten Jahr weiter ausbreiten wird.
Von diesen Bad News aus einen übergangslosen Sprung zur Kultur zu tun, ist nicht einfach. Vielleicht beweisen aber gerade die oben aufgezählten Wahlen, dass die Kultur in der Politik immer noch eine entscheidende Rolle hat: überdreht könnte man sagen, dass George Clooney's "Good Night and Good Luck" in diesem Jahr vielleicht effektiver beeindruckt hat als 2004 irgendetwas, was Michael Moore von sich gegeben hat. Man könnte meinen, dass Jon Stewart vielleicht ein effektiverer Kritiker der Bush-Regierung ist, als der Populärprolet Moore. Ob man dies tatsächlich in einen logischen Zusammenhang mit den Kongresswahlen und ihren Ausgang bringen kann, ist die Frage – ebenso wie man nur vermuten kann, dass die vereinten Kräfte von Nachrichtenprominenz Armin Wolf, Politikkabarett mit Dorfer und Konsorten, und Journalistischem Einsatz der Falter- Standard – und Ö1-Redaktion irgendwas mit dem Ausgang der österreichischen Nationalratswahlen zu tun hat. Wenn Menschen unglücklich sind, muss ihnen manchmal gar nicht gesagt werden, wer Schuld daran ist. Die einzige Frage, die diese Wahl aufwirft, ist die, mit wem sich die österreichischen Schüler und Studenten in den nächsten vier Jahren herumplagen müssen, und ob sie dafür auch noch Studiengebühren zahlen müssen. Das österreichische Diktum lautet, dass etwas Schlechtem nur selten etwas Besseres nachfolgt, und zur Frage zwei kann man nur "wahrscheinlich" sagen. Wären wir Pensionisten, Familien oder Katholiken, hätten wir bessere Lobbies. Irgendwie bin ich aber trotzdem froh, nichts davon zu sein.
Musikalisch war das Jahr aufregend und politisch. Zwei Themenpärchen haben sich gebildet: deutsche Befindlichkeit, die sich auch auf den Rest der Welt anwenden , in den neuen Werken von Kante und Die Sterne, in beiden schien die Revolution etwas zu sein, was nicht von Menschen gemacht wird, sondern wie eine self fulfilling prophecy nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip einfach geschieht. Und die Bedrohung eines fiktiven bzw. nicht-fiktiven religiösen Faschismus, und zwar nicht in einem fernen Land, sondern genau vor der Haustür. Vor allem die Thermals ließen die Gänsehaut über den Rücken laufen. "We are old as hell, we are old and tell the children when to kill, when to sit still. Everyone doing what we say till our dying day, till our breath is empty." CatPowers Nachfolgewerk zu dem vielgeliebten "Your Are Free" erwies sich als persönliches Gegenkonzept zu all der Politik: etwas geschah, irgendwann im Januar, und plötzlich bedeuteten Chan Marshall Konzerte nicht mehr "to go to the NASCAR-race for the crashes", sondern ein Fest der Musik. Chan wurde sober. Chan erkannte, dass wir sie lieben. Noch dazu scheute sie nicht davor zurück, es allen zu erzählen, was mutig von jemandem ist, der soviel Zeit damit verbracht hat, unter jeder Art von Öffentlichkeit zu leiden. Angeblich ist ihr neues Album schon fertig, es wird "Sun" heißen. Weitere Alben, auf die wir 2007 gespannt werden, wird das nächste Werk von Tocotronic sein: irgendwie verstehe ich deutsche Popmusik als neverending discourse, in dem jede Band in regelmäßigen Abständen Kommentare abgibt bzw. auf jene Kommentare der anderen Bands reagiert. Da sich Tocotronic traditionell weniger verweigern als Blumfeld, darf großes erwartet werden.
Mit ein bisschen Glück werden sich auch Scout Niblett und Le Tigre zu einem neuen Album bemühen, vor allem letztere müssen jetzt irgendwie das riesige Vakuum ausfüllen, welches die Auflösung von Sleater-Kinney hinterlassen hat. Sie haben gewaltige Hilfe: The Gossip. Von denen werden nächstes Jahr alle was hören.
Kinomäßig war das Jahr eher lahm. "Hard Candy" regte zumindest auf, war aber auch nur hauptsächlich wegen der beiden Hauptdarsteller gut. Nächstes Jahr bringt einige Dinge, auf die ich mich wirklich freue: Den nächsten Harry Potter im Somme, und das bereits von vielen Seiten heiß erwartete 300 von Alan Moore, welches angeblich atemberaubend sein wird. Den neuen Lynch werde ich mir traditionellerweise nicht im Kino ansehen, sondern im sicheren zu Hause. Wer weiß, was passiert, wenn man sich darauf in einem dunklen Kinosaal einlässt...
Es war eindeutig das Jahr dessen, was manche Web 2.0 nennen wollen, meiner Meinung aber einfach nur die Konsequenz daraus ist, dass viele kreative Menschen einfache Mittel haben, ihre Werke mit uns zu teilen. Podcasts, Blogs. Und das Jahr der amerikanischen Fernsehserien, die wahrscheinlich noch nie spannender waren, was man allein schon daran sieht, dass erstmals eine ernstzunehmende Superhelden-Serie geeks wieder in etwas verwandelt, was gesellschaftlich erstrebenswert ist. HIRO IS MY MASTER NOW.
In diesem Sinne, guten Rutsch, mit mehr Ambitionen in das nächste Jahr. Ballast abwerfen.
Heute ist der Morgen des 31. Dezembers. Somit geht ein weiteres Jahr zu Ende, in dem sich politisch und kulturell viel verändert hat, der ultimative Seelenzustand aber mehr oder weniger stabil geblieben ist, was man positiv oder negativ deuten könnte. Die Wahlen in Österreich sind zu Gunsten der Sozialdemokraten ausgegangen, ohne Beteiligung der Grand Old Party tut sich aber in der österreichischen politischen Landschaft trotzdem nichts, also müssen Kompromisse eingegangen werden. Ohne Opfer zurück zu lassen zu regieren können sich die Demokraten nicht einmal im von ihnen gewonnenen Kongress leisten, und selbst der siegreiche Romano Prodi muss sich Einmischung von Rechts außen gefallen lassen, da dies einfach etwas ist, was man in einer Demokratie tun muss: andere Meinungen akzeptieren, auch wenn sie gegen alle Grundsätze gehen, die man für sich selbst adaptiert hat. Als einziger Redakteur und Schreiberling dieses Blogs muss ich dies zum Glück nicht tun, es ist gleichzeitig grunddemokratisch und erzfaschistisch, und nebenher habe ich auch nicht mit Problemen zu kämpfen wie die Redaktion des Intello-Poppolitikums Spex, deren Hauptsitz ab Anfang des Jahres von Köln nach Berlin umzieht und die etablierten Mitarbeiter unter Uwe Viehmann zurück lässt. Was dies für die Heftlinie bedeuten wird, steht in den Sternen – entweder, Spex wird zu einem teureren Bravo, oder der Ex-Redakteur der TAZ bringt wieder linken Wind in die Sache. Wenigstens ist es spannend, und ohne Veränderung geht weder im Pop noch in der Politik irgendwas weiter, also darf sie auf gar keinen Fall im vorhinein abgelehnt werden.
Der Irak wird nicht mehr zu befrieden sein, auch wenn die USA gestern kurz erleichtert aufatmen durften, da Saddam Hussein hingerichtet wurde. Der offizielle Standpunkt der westlichen Staaten ist "wir sind grundsätzlich gegen die Todesstrafe", was natürlich die Frage aufwirft, wie und warum sich die USA immer noch den Luxus leisten, die Todesstrafe zu befürworten und das Kyoto-Protokoll abzulehnen. Dies und die Atombombentests Nordkoreas haben Scout Niblett's "Your Beat Kicks Back" zur Hymne des Jahres werden lassen: WE'RE ALL GONNA DIE, WE'RE ALL GONNA DIE. Katastrophe liegt in der Luft. Nur ein kleiner Schritt in Richtung eines Ausbruches ist der Flächenbrand in Afrika, der sich wohl im nächsten Jahr weiter ausbreiten wird.
Von diesen Bad News aus einen übergangslosen Sprung zur Kultur zu tun, ist nicht einfach. Vielleicht beweisen aber gerade die oben aufgezählten Wahlen, dass die Kultur in der Politik immer noch eine entscheidende Rolle hat: überdreht könnte man sagen, dass George Clooney's "Good Night and Good Luck" in diesem Jahr vielleicht effektiver beeindruckt hat als 2004 irgendetwas, was Michael Moore von sich gegeben hat. Man könnte meinen, dass Jon Stewart vielleicht ein effektiverer Kritiker der Bush-Regierung ist, als der Populärprolet Moore. Ob man dies tatsächlich in einen logischen Zusammenhang mit den Kongresswahlen und ihren Ausgang bringen kann, ist die Frage – ebenso wie man nur vermuten kann, dass die vereinten Kräfte von Nachrichtenprominenz Armin Wolf, Politikkabarett mit Dorfer und Konsorten, und Journalistischem Einsatz der Falter- Standard – und Ö1-Redaktion irgendwas mit dem Ausgang der österreichischen Nationalratswahlen zu tun hat. Wenn Menschen unglücklich sind, muss ihnen manchmal gar nicht gesagt werden, wer Schuld daran ist. Die einzige Frage, die diese Wahl aufwirft, ist die, mit wem sich die österreichischen Schüler und Studenten in den nächsten vier Jahren herumplagen müssen, und ob sie dafür auch noch Studiengebühren zahlen müssen. Das österreichische Diktum lautet, dass etwas Schlechtem nur selten etwas Besseres nachfolgt, und zur Frage zwei kann man nur "wahrscheinlich" sagen. Wären wir Pensionisten, Familien oder Katholiken, hätten wir bessere Lobbies. Irgendwie bin ich aber trotzdem froh, nichts davon zu sein.
Musikalisch war das Jahr aufregend und politisch. Zwei Themenpärchen haben sich gebildet: deutsche Befindlichkeit, die sich auch auf den Rest der Welt anwenden , in den neuen Werken von Kante und Die Sterne, in beiden schien die Revolution etwas zu sein, was nicht von Menschen gemacht wird, sondern wie eine self fulfilling prophecy nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip einfach geschieht. Und die Bedrohung eines fiktiven bzw. nicht-fiktiven religiösen Faschismus, und zwar nicht in einem fernen Land, sondern genau vor der Haustür. Vor allem die Thermals ließen die Gänsehaut über den Rücken laufen. "We are old as hell, we are old and tell the children when to kill, when to sit still. Everyone doing what we say till our dying day, till our breath is empty." CatPowers Nachfolgewerk zu dem vielgeliebten "Your Are Free" erwies sich als persönliches Gegenkonzept zu all der Politik: etwas geschah, irgendwann im Januar, und plötzlich bedeuteten Chan Marshall Konzerte nicht mehr "to go to the NASCAR-race for the crashes", sondern ein Fest der Musik. Chan wurde sober. Chan erkannte, dass wir sie lieben. Noch dazu scheute sie nicht davor zurück, es allen zu erzählen, was mutig von jemandem ist, der soviel Zeit damit verbracht hat, unter jeder Art von Öffentlichkeit zu leiden. Angeblich ist ihr neues Album schon fertig, es wird "Sun" heißen. Weitere Alben, auf die wir 2007 gespannt werden, wird das nächste Werk von Tocotronic sein: irgendwie verstehe ich deutsche Popmusik als neverending discourse, in dem jede Band in regelmäßigen Abständen Kommentare abgibt bzw. auf jene Kommentare der anderen Bands reagiert. Da sich Tocotronic traditionell weniger verweigern als Blumfeld, darf großes erwartet werden.
Mit ein bisschen Glück werden sich auch Scout Niblett und Le Tigre zu einem neuen Album bemühen, vor allem letztere müssen jetzt irgendwie das riesige Vakuum ausfüllen, welches die Auflösung von Sleater-Kinney hinterlassen hat. Sie haben gewaltige Hilfe: The Gossip. Von denen werden nächstes Jahr alle was hören.
Kinomäßig war das Jahr eher lahm. "Hard Candy" regte zumindest auf, war aber auch nur hauptsächlich wegen der beiden Hauptdarsteller gut. Nächstes Jahr bringt einige Dinge, auf die ich mich wirklich freue: Den nächsten Harry Potter im Somme, und das bereits von vielen Seiten heiß erwartete 300 von Alan Moore, welches angeblich atemberaubend sein wird. Den neuen Lynch werde ich mir traditionellerweise nicht im Kino ansehen, sondern im sicheren zu Hause. Wer weiß, was passiert, wenn man sich darauf in einem dunklen Kinosaal einlässt...
Es war eindeutig das Jahr dessen, was manche Web 2.0 nennen wollen, meiner Meinung aber einfach nur die Konsequenz daraus ist, dass viele kreative Menschen einfache Mittel haben, ihre Werke mit uns zu teilen. Podcasts, Blogs. Und das Jahr der amerikanischen Fernsehserien, die wahrscheinlich noch nie spannender waren, was man allein schon daran sieht, dass erstmals eine ernstzunehmende Superhelden-Serie geeks wieder in etwas verwandelt, was gesellschaftlich erstrebenswert ist. HIRO IS MY MASTER NOW.
In diesem Sinne, guten Rutsch, mit mehr Ambitionen in das nächste Jahr. Ballast abwerfen.
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