Wenn ich die Tagung in Salzburg zusammenfassen müsste (Migration - Integration
Perspektiven für eine Europäische Migrationspolitik), beziehungsweise meine Gefühle beschreiben, käme mir bestimmt das Wort "ambivalent" in den Sinn. Im Vorfeld der Veranstaltung, als ich zu Hause saß und mir überlegte, wie ich es schaffen sollte, meine Mutter jetzt zwei Tage lang nicht zu sehen und mit meiner panischen Angst vor neuen Situationen umzugehen, wurde mir natürlich vernünftigerweise gesagt, dass es mir wahrscheinlich gut tun würde, aus meinem Umfeld rauszukommen, und für meine ZUKUNFT wären Kontakte auch nicht schlecht. Manchmal sagt der Konjunktiv an sich ja schon mehr aus als das, was er einrahmt.
Auf der oben verlinkten Homepage kann man auch Materialien zum Thema runterladen, aber grundsätzlich sei gesagt, dass die Veranstaltung ein bisschen zerrissen war. Einerseits fanden sich auf der Bühne, in den Panels, viele Spezialisten - Politiker, Mitglieder der International Organization for Migration, Politiker, Journalisten. Die gaben durchaus interessante Informationen weiter, am ersten Tag bestanden die aber hauptsächlich aus Zahlen. Ein Problem deutet sich da schon im Ansatz an: fundierte Zahlen existieren natürlich nur für die legale Einwanderung und die Zahl der Asylwerber, alles andere ist eine geschätzte Dunkelziffer. Am Abend des ersten Tages kam es dann zu einer Art Höhepunkt: Politiker der drei größten Parteien und Vertreter der Industriellenvereinigung und der Gewerkschaft debattierten über das Thema Migration. Nach weniger als fünf Minuten war der kritische Bereich verlassen, das heißt, alle waren sich darüber einig, dass Österreich qualifizierte Migranten braucht - aus verschiedenen Gründen, einerseits, um fehlende Fachkräfte zu ersetzen, um dem schwindenden Bevölkerungswachstum entgegen zu wirken, etc. Die Folge dieses Konsens war eine absurde Kuschelrunde, mit einer Moderation, die nicht darauf aus war, die bestehenden Fragen und Dinge, die da bewusst nicht gesagt wurden, aufzuwerfen.
Das Ergebnis: ein kleinerer Aufstand des Publikums, oder zumindest von Teilen ebendiesen. Ein Problem der Veranstaltung: natürlich ist Migration ein Thema, das global behandelt werden muss, aber INTEGRATION ist eben etwas, was hauptsächlich lokal passiert, mit kleineren Initiativen, und genau denen fehlt das Geld und vor allem die Sicherheit. In den Panels saßen Vertreter der großen Organisationen, die viel zum Thema Migration zu sagen hatten, aber im Publikum waren genau diese Spezialisten, die sich in lokalen Initiativen zum Beispiel in Alphabetisierungsprojekten beteiligten, und die kamen nicht zu Wort. Ja, Integration ist ein Prozess, der nicht nur das Engagement des Einwanderers erfordert. Dem Bildungssystem kommt eine wichtige Rolle zu. Aber all diese Aussagen beinhalten keine Lösungsansätze.
Im Hinterkopft hatte ich trotzdem den Gedanken, dass man vielleicht über etwas reden sollte, dass all diese Probleme erst erzeugt: die ungleiche Verteilung des Reichtums, die in abgeschwächter Form in jedem europäischen Staat existiert, aber natürlich noch deutlicher zu Tage tritt, wenn man Europa mit anderen Kontinenten vergleicht. Ungleiche Verteilung bedingt Armut, Armut führt zu Migration (denn das Recht auf Asyl wurde von niemandem angezweifelt, selbst wenn die Aussagen, die Innenminister Platter vor zwei Wochen getätigt haben, den eigentlichen Sinn der Genfer Konventionen doch unterhöhlt haben). Wenn die Bevölkerung des aufnehmenden Landes selbst durch die prekären Arbeitsbedingungen verunsichert ist, wirkt die Zustimmung der Industriellenvereinigung zu qualifizierter Migration nur noch ironischer - wer glaubt denn wirklich, dass es hier nicht um Lohndumping geht?
Kurz gesagt: ich habe bei dieser Veranstaltung wahrscheinlich mehr darüber gelernt, wie Networking funktioniert, als tatsächlich über Migration und Integration. Ich habe keine glühenden neuen Ideen, nur die Vermutung, dass LOKAL in diesem Fall wichtiger ist als GLOBAL und dementsprechend gefördert werden muss.
Nebenbei wurde auch ein bisschen über die Gentrifizierung in Wien geredet. Genau jene Gebiete, die seit den 50er Jahren traditionell von Gastarbeitern und Migranten bewohnt werden, da die Wohnungen hauptsächlich Altbau- und Substandard sind, wurden in den letzten Jahren mehr und mehr von den jungen Kreativen, oder sagen wir ehrlich, den Bobos, besiedelt. Somit wird zum Beispiel der 16. Bezirk rund um den Yppenmarkt und den Brunnenmarkt aufgewertet, aber die Konsequenz aus der steigenden Nachfrage nach Wohnungen dort ist, dass das Gebiet insgesamt teurer wird, die ursprüngliche Wohnbevölkerung verdrängt wird, und jetzt mehr und mehr an den Rand der Stadt zieht. Gefühlsmäßig sind die Sozial- und Gemeindebeauwohnungen dieser Randzonen der Stadt allerdings weitaus gefährlichere Brennpunkte.
Die Konsequenzen für mich selbst: Ich fühle mich sicher und geborgen in der Position des Beobachters, der sich nicht einmischt. Ich habe das Gefühl, als wäre ich dies schon immer gewesen, und als hätte diese Position auch eine gewisse Berechtigung. Ein ganz kleines bisschen... ist es erschreckend zu sehen, wie sehr so eine Veranstaltung in Wirklichkeit eine Jobbörse ist. Das relativiert doch auch den ernsthaften Anspruch, oder? UND will ich wirklich Teil davon sein? Habe ich überhaupt eine andere Wahl?
Der Standard - München darf nicht Wien werden
Fachbereich Stadt- und Regionalforschung, TU Wien
SoHo in Ottakring
Perspektiven für eine Europäische Migrationspolitik), beziehungsweise meine Gefühle beschreiben, käme mir bestimmt das Wort "ambivalent" in den Sinn. Im Vorfeld der Veranstaltung, als ich zu Hause saß und mir überlegte, wie ich es schaffen sollte, meine Mutter jetzt zwei Tage lang nicht zu sehen und mit meiner panischen Angst vor neuen Situationen umzugehen, wurde mir natürlich vernünftigerweise gesagt, dass es mir wahrscheinlich gut tun würde, aus meinem Umfeld rauszukommen, und für meine ZUKUNFT wären Kontakte auch nicht schlecht. Manchmal sagt der Konjunktiv an sich ja schon mehr aus als das, was er einrahmt.
Auf der oben verlinkten Homepage kann man auch Materialien zum Thema runterladen, aber grundsätzlich sei gesagt, dass die Veranstaltung ein bisschen zerrissen war. Einerseits fanden sich auf der Bühne, in den Panels, viele Spezialisten - Politiker, Mitglieder der International Organization for Migration, Politiker, Journalisten. Die gaben durchaus interessante Informationen weiter, am ersten Tag bestanden die aber hauptsächlich aus Zahlen. Ein Problem deutet sich da schon im Ansatz an: fundierte Zahlen existieren natürlich nur für die legale Einwanderung und die Zahl der Asylwerber, alles andere ist eine geschätzte Dunkelziffer. Am Abend des ersten Tages kam es dann zu einer Art Höhepunkt: Politiker der drei größten Parteien und Vertreter der Industriellenvereinigung und der Gewerkschaft debattierten über das Thema Migration. Nach weniger als fünf Minuten war der kritische Bereich verlassen, das heißt, alle waren sich darüber einig, dass Österreich qualifizierte Migranten braucht - aus verschiedenen Gründen, einerseits, um fehlende Fachkräfte zu ersetzen, um dem schwindenden Bevölkerungswachstum entgegen zu wirken, etc. Die Folge dieses Konsens war eine absurde Kuschelrunde, mit einer Moderation, die nicht darauf aus war, die bestehenden Fragen und Dinge, die da bewusst nicht gesagt wurden, aufzuwerfen.
Das Ergebnis: ein kleinerer Aufstand des Publikums, oder zumindest von Teilen ebendiesen. Ein Problem der Veranstaltung: natürlich ist Migration ein Thema, das global behandelt werden muss, aber INTEGRATION ist eben etwas, was hauptsächlich lokal passiert, mit kleineren Initiativen, und genau denen fehlt das Geld und vor allem die Sicherheit. In den Panels saßen Vertreter der großen Organisationen, die viel zum Thema Migration zu sagen hatten, aber im Publikum waren genau diese Spezialisten, die sich in lokalen Initiativen zum Beispiel in Alphabetisierungsprojekten beteiligten, und die kamen nicht zu Wort. Ja, Integration ist ein Prozess, der nicht nur das Engagement des Einwanderers erfordert. Dem Bildungssystem kommt eine wichtige Rolle zu. Aber all diese Aussagen beinhalten keine Lösungsansätze.
Im Hinterkopft hatte ich trotzdem den Gedanken, dass man vielleicht über etwas reden sollte, dass all diese Probleme erst erzeugt: die ungleiche Verteilung des Reichtums, die in abgeschwächter Form in jedem europäischen Staat existiert, aber natürlich noch deutlicher zu Tage tritt, wenn man Europa mit anderen Kontinenten vergleicht. Ungleiche Verteilung bedingt Armut, Armut führt zu Migration (denn das Recht auf Asyl wurde von niemandem angezweifelt, selbst wenn die Aussagen, die Innenminister Platter vor zwei Wochen getätigt haben, den eigentlichen Sinn der Genfer Konventionen doch unterhöhlt haben). Wenn die Bevölkerung des aufnehmenden Landes selbst durch die prekären Arbeitsbedingungen verunsichert ist, wirkt die Zustimmung der Industriellenvereinigung zu qualifizierter Migration nur noch ironischer - wer glaubt denn wirklich, dass es hier nicht um Lohndumping geht?
Kurz gesagt: ich habe bei dieser Veranstaltung wahrscheinlich mehr darüber gelernt, wie Networking funktioniert, als tatsächlich über Migration und Integration. Ich habe keine glühenden neuen Ideen, nur die Vermutung, dass LOKAL in diesem Fall wichtiger ist als GLOBAL und dementsprechend gefördert werden muss.
Nebenbei wurde auch ein bisschen über die Gentrifizierung in Wien geredet. Genau jene Gebiete, die seit den 50er Jahren traditionell von Gastarbeitern und Migranten bewohnt werden, da die Wohnungen hauptsächlich Altbau- und Substandard sind, wurden in den letzten Jahren mehr und mehr von den jungen Kreativen, oder sagen wir ehrlich, den Bobos, besiedelt. Somit wird zum Beispiel der 16. Bezirk rund um den Yppenmarkt und den Brunnenmarkt aufgewertet, aber die Konsequenz aus der steigenden Nachfrage nach Wohnungen dort ist, dass das Gebiet insgesamt teurer wird, die ursprüngliche Wohnbevölkerung verdrängt wird, und jetzt mehr und mehr an den Rand der Stadt zieht. Gefühlsmäßig sind die Sozial- und Gemeindebeauwohnungen dieser Randzonen der Stadt allerdings weitaus gefährlichere Brennpunkte.
Die Konsequenzen für mich selbst: Ich fühle mich sicher und geborgen in der Position des Beobachters, der sich nicht einmischt. Ich habe das Gefühl, als wäre ich dies schon immer gewesen, und als hätte diese Position auch eine gewisse Berechtigung. Ein ganz kleines bisschen... ist es erschreckend zu sehen, wie sehr so eine Veranstaltung in Wirklichkeit eine Jobbörse ist. Das relativiert doch auch den ernsthaften Anspruch, oder? UND will ich wirklich Teil davon sein? Habe ich überhaupt eine andere Wahl?
Der Standard - München darf nicht Wien werden
Fachbereich Stadt- und Regionalforschung, TU Wien
SoHo in Ottakring
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