Friday 6 June 2008

The Buzzzzz

Ich habe noch kein Wort über "Feuchtgebiete" verloren, oder? Die letzten Jahre haben mich an das Gefühl gewöhnt, mich wahnsinnig zu freuen, wenn Charlotte Roche mal eben zufällig irgendwo auftauchte, etwa bei einem Harald-Schmidt-Interview (Zahnprothesenstunts inklusive), als Moderatorin der Berlinale unter Neudefinition von "off-putting" oder in einem sich seuchenartig verbreitenden Truth or Dare-Spiel mit deutscher Prominenz, wohl auch zu racy für den in Wirklichkeit zu tiefst wertkonservativen deutschen Privatfernsehspielplatz. Und dann schreibt sie ein Buch und ist plötzlich überall auf einmal, und ich verliere kein Wort darüber? Das läuft so ab: Man schaut ORF1, da ist Charlotte Roche in "Willkommen Österreich". Dann zappt man weiter und da ist Sarah Kuttner bei Schmidt und Pocher und wird wiedermal nach Charlotte Roche gefragt. (und beantwortet natürlich nicht, ob sie sie mag oder nicht, aber das Spiel von Verweigerung gegen Kompromisse eingehen und ob irgendwer authentischer ist oder nicht wird halt auch fad, mit der Zeit).
Erstmal: ich hab es nicht gelesen. Vielleicht hätte ich es gekauft, wenn die Verkaufszahlen nicht dermaßen in die Höhe geschnellt wären. Deswegen kein Wort über das Buch, aber die Diskussion darüber zu verfolgen, ist trotzdem spannend: Feministinnen meinen, das sei nicht feministisch, manche meinen, es sei eklig (aber da frage ich mich doch, ob jede Nachrichtensendung nicht weitaus ekligeres zu bieten hat als Körperflüssigkeiten?), und nebenbei verkauft es sich verdammt gut, besser als die meisten anderen Dinge der letzten Jahre, und strebt jetzt auch noch auf den Weltmarkt.
Also noch mal: Da kann das Feuilleton tatsächlich in einem Monat über die Pornographie in "Die Wohlgesinnten" raunzen und im nächsten schon zu tun, als wäre "Feuchtgebiete" der Untergang der Literatur? Und nicht konventionell feministisch? Wie LANGWEILIG! Das ist doch eine ewige Geschichte des Missverständnisses, wer was aus welcher Perspektive überhaupt beurteilen darf, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren (oder so, wie die Vorstellung, ein Haufen konservativer, fünfzigjähriger heterosexueller Männer im Anzug könnten Kritiken über Michelle Tea schreiben, nur weil sie als Literaturkritiker eben über Literatur schreiben dürfen). Aber wenn sich etwas gut verkauft, sind plötzlich alle irgendwie beteiligt und fühlen sich auf die Füße getreten; wenn der Roman brav in der gleichen Nische wie Fast Forward geblieben wäre...
Im NY Times Artikel:
The book, which will be published next year in the United States, is a headlong dash through every crevice and byproduct, physical and psychological, of its narrator’s body and mind. It is difficult to overstate the raunchiness of the novel, and hard to describe in a family newspaper.
Schon befremdlich, oder?

NY Times - Germany Abuzz at Racy Novel of Sex and Hygiene
Guardian - Publishers battle to sign up Europe's sex sensation
Willkommen-Österreich-Interview (nachher kommt der Mann, von dem nach der EM alle sagen werden, dass Österreich vielleicht ins Viertelfinale gekommen wäre, wenn nicht die richtige, sondern die beste Mannschaft zusammengestellt worden wäre)

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