Saturday 23 August 2008

Politik: zu Hause und anderswo ist es wahrscheinlich gleich schlimm

Die erste Wahlkonfrontation ist vorbei: Knappe 45 Minuten saßen sich Strache und Haider, nur sehr wenig geführt von Thurnher, gegenüber, und sprachen über...Themen. Und darüber, wer das Original ist, wer Verantwortung missbraucht hat, abgelehnt hat, tragen will/kann. Die schönsten Reizwörter: Kindesweglegung, der "Familienvater, der die Familie im Stich gelassen hat", die "Kopiermaschine". Aber beginnen wir von vorne: Am Anfang steht etwas, dass man Strache bisher noch nicht zugetraut hätte. Verunsicherung. Er weiß nicht, wie er gegen seinen früheren Ziehvater anfangen soll, er wirkt unsicher, und ist noch dazu ein bisschen kränklich blass (geschminkt), so dass die Lippen fast heller sind als das Gesicht. Beide sitzen verkrampft da (wir nennen das die "Mr. Burns Pose") und wirken alles andere als agil, Haider schafft das Timing mit dem Blick in die Kamera gleichzeitig mit der Namensnennung besser als Strache, dessen "Grüß Gott" ist dafür lauter.

Es braucht ungefähr eine Minute, bis der Zuseher begreift, was das spannende an diesem Duell ist. Stellenweise fällt da jegliche Inszenierung unter den Tisch, weil sich die beiden Kontrahenten so dermaßen hassen, dass jegliche angelernte Fassade von ihnen abfällt. Haiders Lippe zittert, HC geht ab Minute 2 in Angriffspose, die sich direkt gegen die Strategie des neuen BZÖ-Vorsitzenden wendet. Der versucht nämlich erstmal, darauf hinzuweisen, wie viel die beiden Parteien doch verbindet. Er weiß, dass er den Einzug in den Nationalrat wahrscheinlich knapp über ein Grundmandat in Kärnten schaffen wird (2006 hat er dieses um 200 oder 300 Stimmen verpasst, aber es ging sich trotzdem insgesamt knapp aus), dass dann aber Schluss ist für das BZÖ, mehr Platz ist einfach nicht für eine Partei, die eigentlich nichts weiter ist als eine Kärntner Landespartei (wie die CSU in Bayern, die auch nur mit dem großen Bruder auf Bundesebene leben kann). Deswegen betont Haider immer wieder, was er in Kärnten geschafft hat, weil er seine Wähler dort mobilisieren muss. Alles andere ist eigentlich schon verbrannte Erde, die FPÖ wird ihre mindestens 20 Prozent sicher einfahren, ohne sich auch nur einen Millimeter in irgendeine Richtung bewegen zu müssen.

„Warum sollten Jörg Haider und ich hier streiten", meinte Strache zu Beginn der Debatte. Haider duzte Strache sogar. Offenbares Kalkül: Da die Bevölkerung vom Streit in der rot-schwarzen Regierung die Nase voll hat, wollen Haider und Strache nicht als Streithanseln dastehen. Doch ganz so freundlich war die Stimmung zwischen den beiden Parteichefs auf Dauer dann doch nicht. „Herr Haider, ich pflege mit ihnen seit dem Jahr 2005 das Du-Wort nicht", betonte Strache, um der Umarmung Haiders zu entfliehen.

Presse, 22. August 2008

Deswegen kann Strache es sich auch leisten, eine inhaltliche Unterscheidung zwischen BZÖ und FPÖ herbeizureden, die nicht existiert. Die beiden Parteien trennt der Bruch, der 2005 der FPÖ das Leben gerettet hat. Hätte sich die damalige Regierungspartei nicht gespalten und blitzschnell als scharfe Oppositionspartei positionieren können, wäre der rechte Rand bei dieser Wahl wirklich nur ein Rand, kein beängstigend großes Segment an der Gesamtwählerschaft, das, wie richtig gesagt, bei einer Vereinigung durchaus um Platz 1 (!!!!) mitkonkurrieren könnte. Deswegen hat Haider auch nur sehr verhalten die Regierungsverantwortung erwähnt, die die FPÖ bzw. das BZÖ nach 1999 innehatte, das wird lieber unter den Tisch gekehrt oder zumindest muss erwähnt werden, dass einen guten Teil dieser Regierungsbeteiligung theoretisch beide Parteien zu verantworten hatten, zumindest, was das Personal betrifft. Wenn es um Regierungsverantwortung geht, betont Haider immer wieder, was er als Landeshauptmann in Kärnten geschafft hat. Ursprünglich war das BZÖ ja ein paar Monate nach seiner Gründung eine rechtsliberale Partei nach FDP-Vorbild, die sich sogar mühevoll von der Ausländerpolitik der FPÖ abzugrenzen versuchte, bis nach den Wahlen in Wien klar wurde, dass genau in dieser Nische schon längst ein Teil der ÖVP sitzt: Für die Nationalratswahl 2006 wurde zurückgerudert, und plötzlich passte kein Blatt mehr zwischen FPÖ und BZÖ.

"Jedes gebrochene Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen" und "Mein Heimatland braucht Mittelstand" dichtete Strache "spontan". Vor unseren Augen liefen die Sessions mit den Sprachtrainern ab: komm, Heinz-Christian, einmal noch, damit es wirklich sitzt. Nachdem aus der Einleitung heraus klar wurde, dass die beiden Vorsitzenden sich persönlich spinnefeind sind, wurde tatsächlich über Sachthemen gesprochen: Denn wirklich, was gewinnt die FPÖ, wenn sie sich vom BZÖ abgrenzt? Mehr als andersrum, aber eben nur marginal. Sachthemen waren Teuerung und Kindergärten. Die vorgeschlagenen Programme klingen ähnlich (oder gleich), nur dass Haider immer hinzufügte, das vorgeschlagene in Kärnten schon längst umgesetzt zu haben. Strache betonte allerdings mehr, dass seiner Meinung nach die Ausländer daran schuld seien, dass das System versagt (erwähnte kurz seinen Vorschlag, eine Sozialversicherungsanstalt für Inländer und eine für Ausländer einzurichten, als ob das die Krankenkassen sanieren würde. Jemand soll ihm mal vorrechnen, was die höhere Lebenserwartung und die teureren Behandlungsoptionen der ÖSTERREICHER so kosten). Die "nationale Heimatpartei" zeichnet ein Bild, in dem allen Österreichern ein Tausender ins Börserl flattert, sobald der "Asylmissbrauch" abgestellt wird. Haider kann es sich sogar leisten, zu sagen, dass sowohl einheimische als auch ausländische Kinder Deutschkurse besuchen sollen, wenn sie nicht Deutsch können (das würde Strache z.B. nie sagen).

Am Ende hofft Haider noch einmal auf eine Wiederveinigung und spricht von ehemaligen FPÖ-PolitikerInnen, die auf seiner Liste kandidieren werden. Strache schließt eine Wiedervereinigung aus und schenkt Haider ein Rückgrat.

Wer hat das Duell gewonnen? (wenn, wie Filzmaier es in der Nachanalyse so schön ausdrückt, gewinnen so definiert wird, dass nach dem Duell Wähler anderer Parteien zu FPÖ oder BZÖ überlaufen bzw. Nichtwähler BZÖ oder FPÖ wählen). Wahrscheinlich keiner der beiden. Haider muss die Stimmen in Kärnten mobilisieren und verhindern, dass die zur FPÖ überlaufen, weil die 20 % prognostiziert bekommen haben. Strache kann inzwischen munter im Becken der frustrierten SPÖ- und ÖVP-Wähler fischen, und darauf warten, dass das BZÖ von der politischen Bildfläche verschwindet, was früher oder später von selbst passieren wird.

Zusatzinfos:
Laut AMS-Bericht über die Beschäftigungsstatistik in Kärnten im ersten Halbjahr 2008 beläuft sich die Arbeitslosenquote auf 7,3 %, der Österreichdurchschnitt liegt bei 5,9 %. Die Quote ist seit letztem Jahr um 7,3 % gesunken, in ganz Österreich um 8,9 %. Die Jugendarbeitslosigkeit ist im Vergleich zum Vorjahr um 10,5 % zurückgegangen.

Haider nannte das Gratiskindergartenjahr, Billigbenzintankstellen und den Haider-Hunderter als effektive Mittel gegen Teuerung. Wie aber hat der Kärntner Landeshauptmann das finanziert (wenn man ihm glauben würde, müsste man annehmen, dass sich dieses Modell ohne Verschuldung finanzieren lässt, schließlich meint er auch, es sei ein Vorbild für die Bundespolitik).

"Für ÖVP-Chef Josef Martinz war die Lage am Montag eindeutig: Finanzreferent Jörg Haider sei mit seiner Budgetpolitk gescheitert. Sämtliche Budgettricks der letzten Jahre, wie Kabeg-Deal und Zukunftsfonds, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verschuldung Kärntens auf Rekordniveau angelangt sei. Kärnten könne seinen Beitrag zum österreichischen Stabilitätspakt nicht mehr leisten."

oesterreich.orf.at, 13. August 2008
Außerdem meinte Strache lapidar, nachdem Haider erwähnt hatte, straffällig gewordene Asylwerber abzuschieben (wenn auch nur über die Grenze Kärntens, und was genau die abgeschobenen kleinen Kinder verbrochen haben, hat er auch nicht erklärt), dass Kärnten Asylwerbern den höchsten Betrag in der Grundversorgung zuspricht. Die Grundversorgung der Asylwerber wird auf die neun österreichischen Bundesländer nach einem Schlüssel aufgeteilt, der auf der Bevölkerungszahl beruht. Zwischen Bund und Ländern werden die Kosten 60:40 aufgeteilt. Die Quote erfüllen derzeit nur Wien und Oberösterreich (in Traiskirchen befindet sich die größte Bundesbetreuungsanstalt für Asylwerber). Kärnten liegt derzeit fast 40 % unter der Quote.

Kurier: Stichwort - Grundversorgung für Asylwerber

Neben den bereits im Nationalrat vertretenen Parteien SPÖ, ÖVP, GRÜNE, FPÖ und BZÖ treten auch noch die KPÖ, das LIF mit Spitzenkandidatin Heide Schmidt, die CHRISTEN, die Liste Fritz (Dinkhauser) und Rettet Österreich bundesweit an. Das ergibt einen haarscharfen Kampf um den Platz der "unheimlichsten neuen Partei" und Dank der verlässlichen, aber sehr selektiven wahlkabine.at wurde mir in meinem innerlichen Hin-und-Her trotzdem nicht geholfen.