Friday 12 September 2008

"Wir haben ja gesehen, was der Ausschluss in den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bewirkt hat."

WAS hat er damit gemeint?
Ich bin nicht so optimistisch zu glauben, dass das eine Anspielung auf den Austrofaschismus und das Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei war.
Manchmal vergisst man vielleicht wirklich zu leicht, wie lange die Geschichte des Dr. Jörg Haiders inzwischen schon ist, und dass vielleicht die radikale Ideologie, die sich leicht in diversen Veröffentlichungen nachlesen lässt, immer noch ein entscheidender Teil ist, auch wenn sie nicht zum Image des BZÖ passt.

Der Kurs von Haider in den vergangenen Diskussionen war klar: er kann mit allen. Er will offensichtlich auch unbedingt an der Regierung beteiligt sein, während bei Strache im Hintergrund die Rädchen laufen, die ihm sagen, dass die Partei wahrscheinlich sogar noch stärker werden könnte, wenn sie die nächsten fünf Jahre in Opposition verbringt (während das BZÖ wahrscheinlich weiter marginalisiert und schließlich ins Nichts verpuffen würde). Faymann hingegen fährt einen Kurs, von dem er nach der Wahl nicht wirklich abweichen kann, ohne jegliche Glaubwürdigkeit zu verlieren: Parlamentarische, thematische Gespräche und Zusammenarbeit mit ALLEN Parteien, keine Koalition mit FPÖ oder BZÖ. Große Koalition? Vor einigen Monaten, noch bevor die Neuwahlen feststanden (dass war wohl in der Krise im April), meinte ein Politikwissenschaftler, das Problem der Koalition wären die Politiker, die nicht miteinander könnten - wenn Molterer die Wahl verliert, wird es wohl einen Wechsel an der ÖVP-Spitze geben, über den jetzt schon diskutiert wird. Dann würden sich wahrscheinlich die beiden ehemaligen Regierungskoordinatoren gegenüber stehen, die angeblich sowieso immer schon gut miteinander konnten. Was, wenn die ÖVP gewinnt und Molterer die Verhandlungen führt?

Die gestrige Diskussion war eine Vorbereitung auf die heutige, von der SPÖ beantragte Sondersitzung im Nationalrat, in der die vielen so kurz vor der Wahl von allen Parteien in den Ring geworfenen Ideen nach Mehrheiten suchen. Für die SPÖ geht es um das Fünfpunkteprogramm - für die Studiengebühren gibt es eine Mehrheit aus FPÖ und Grünen, die Mehrwertsteuer ist das Thema, bei dem alle anderen Parteien, die die Idee auch schon mal hatten, eigene Punkte anhängen wollen. Die FPÖ hat das erfolgreich getan, in dem die Mehrwertsteuerhalbierung für Instrumente and die SPÖ-Forderung angehängt wurde. Das heißt, Aspirin und Viagra würde dann billiger werden, für alles mit Rezept ist das egal. Haider beginnt die Diskussion damit, eine Zustimmung des BZÖ an die Forderung zu knüpfen, die Pensionen von ehemaligen Beamten der Nationalbank zu kürzen, was seiner Meinung nach 2 Milliarden Euro bringen würde. Wortwörtlich ein Schild aus dem Hut gezaubert, und Faymann muss sich darauf nicht einlassen, das Zünglein an der Waage ist das BZÖ in diesem Fall sowieso nicht. Faymann meint, man würde keine thematisch ganz unterschiedlichen Forderungen anhängen, Haider meint, es könnte nicht heißen, "Friss Vogel oder stirb".
Dann - Lohnsteuer. Und an irgendeinem Punkt hört die Diskussion ganz auf und ungefähr eine halbe Stunde lang wird ein Duell ausgetragen, ob die 20 Monate Große Koalition oder die 7 Jahre Schwarz/Blau/Orange schlimmer waren, von denen Haider natürlich nihts mehr wissen will, denn jetzt ist er neu und hat nichts mehr mit früher zu tun. Kärnten hat Haider übrigens fast gar nicht erwähnt, vielleicht hat ihm jemand zugeflüstert, dass es manchmal auch um Wähler von anderswo geht, vor allem, wenn die FPÖ bzw. ihr Parteichef schwächelt.
Die einzige aus dem Chaos entzifferbare Forderng des BZÖ: Wiedereinführung der Grenzkontrollen, weil während der EM (da wurde kurzfristig kontrolliert) ist die Kriminalität zurückgegangen. Da saßen die ganzen Kriminellen wahrscheinlich selbst vorm Fernseher, also, mehr Großevents, dann sind wir alle sicherer.

Da kann Haider so oft wie er will "da kumman ma scho zam" murmeln: Irgendwie hat Faymann genau dir richtige Taktik gegen ihn gefunden. Bei den Tiraden leise "das stimmt nicht" murmeln, selbst einen Zettel rauskramen, nicht ernst nehmen.

Und, für den ganz speziellen wacky fun im Parlament: Erwachsene Menschen, vernunftbegabt, teilweise hoch gebildet, verrennen sich kollektiv. Auf ORF2. Dabei nicht vergessen, dass dort gearbeitet werden soll, nicht in der Wahlkampfdebatte.

Anmerkung: HC Strache schaut KAPUTT aus. Wie drei Tage kein Schlaf. Ist er wirklich tough genug für die Politik?

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