Sunday 28 June 2009

Gossip - Music for Men

Über Gossip nachzudenken, ohne eine Kontinuitität zwischen der Band und der riot grrrl-Bewegung der frühen Neunziger aufzuzeigen, fällt schwer. Aus diesem Jahr oder den spezifischen Umständen dieser Zeitperiode auf vor 15 Jahren zurückzuschauen ist deswegen spannend, weil lokale Strukturen eine ganz andere Rolle gespielt haben als jetzt, wo eine Verortung in einer bestimmten Szene überhaupt nichts mehr mit tatsächlichem Wohnort zu tun hat.
Riot grrrl als etwas zu verstehen, dass vor 15 oder 20 Jahren notwendig war, um Strukturen aufzubauen, innerhalb derer das Musik-Machen auch für davor marginalisierte Gruppen möglich wurde, in Netzwerken statt in hierarchisch organisierten Strukturen, ist vielleicht hilfreicher, als darauf hinzuweisen, dass die Revolution schließlich ihre eigenen Kinder gefressen hat, als die Medien aufmerksam wurden und alles totgeschrieben haben. Sleater-Kinney, die sich vor drei Jahren aufgelöst haben, und Le Tigre, auf "hiatus" aber angeblich momentan im Studio mit Christina Aguilera, sind zwei verschiedene Stränge, die sich herausentwickelt haben, die eine musikalische Tragfähigkeit entwickelt haben.
Gossip, jetzt ohne "the", ist inzwischen auch schon zehn Jahre alt, hat aber in Folge von "Standing in the Way of Control" und Beth Dittos Präsenz in (vor allem den britischen) Medien erst in den letzten Jahren dieses Maß an Aufmerksamkeit erreicht. Erstens: wenn es in den Interviews und Artikeln irgendeinem journalistischen Zwang zur Folge immer reflektiert oder auf die dümmste Weise unreflektiert um body politics geht, ist die erste, die wichtigste Erkenntnis bei der Musik, dass es um die Unmittelbarkeit und die Kraft der menschlichen Stimme geht, egal, ob sich Texte um Persönliches oder Politisches drehen. Gossip lebt von der unglaublichen Stimme und der Musik, die sich auch auf diesem Album nicht zurückhält. Ohne Hannah Blilie an den Drums und Bruce Paine an der Gitarre, oder in irgendeinem an die Yeah Yeahs Yeahs angelehnten Szenario, in dem die Band plötzlich New Wave statt "bluesy-voiced dance-punk" (Pitchfork) spielt, würde das einfach nicht funktionieren. Glatter ist die Platte trotzdem ausgefallen, was gerne auf den Fakt zurückgeführt wird, dass die Band jetzt auf einem Majorlabel veröffentlicht und "well-connected" ist. Andererseits sind die alten Platten deswegen ja nicht verloren, und die Frage stellt sich, ob eine musikalische Entwicklung funktioniert, nicht, ob damit irgendein Verrat an alten Ideen begangen wird.
Vor allem auf "Heavy Cross" und "8th Wonder" funktioniert das aber wunderbar. Ein bisschen mehr glatte Oberfläche schadet diesen Songs überhaupt nicht. Ein bisschen kritischer wird die Geschichte, wenn ein Song wie "Pop Goes the World" plötzlich so klingt, als würde jemand singen, während im Hintergrund ein klassisches Konsolenspiel läuft. Das wird schnell nervig und ist auch irgendwie überflüssig, aber wahrscheinlich bin ich auch nicht diejenige, die davon angesprochen werden soll.
Auch wenn Mainstream in vielen Fällen das Todesurteil für ehemalige DIY-Punkbands bedeutet: Ein Mainstream, in dem Gossip zumindest von den Rändern aus das Geschehen aufwirbeln, ist in Zeiten, in denen so viel Unsicherheit über die Verortung von Musik (live oder auf Tonträger? Und wie wird das alles aussehen, wenn man davon nicht mehr leben kann? Und wie entsteht überhaupt noch Konsens, wenn es keinen zentralen Ort mehr gibt?) besteht, klingt eigentlich nicht nach einer schlechten Idee. Und irgendwann wird sich hoffentlich auch die British yellow press die Finger wund geschrieben haben und ablassen, dann wird alles wieder gut.

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