Saturday 12 September 2009

Infamous

Im Vergleich zu dem ein Jahr zuvor veröffentlichten "Capote" hat Douglas McGraths "Infamous" eine undankbare Position. Keiner der Hauptdarsteller gewann einen Oscar, und statt düsterer Abhandlung der Beziehung zwischen Schriftsteller und Charakter, der in diesem Fall ein real existierender Mensch ist, verlässt "Infamous" die Beschränkung von Kansas und dem Gefängnis, in dem die beiden Mörder auf die Todesstrafe warten, und zeigt Truman Capote in Manhattan, zwischen seinen Freunden, die im Stile der Biopic zu Wort kommen (der Film basiert auf dem Buch "Capote: In Which Various Friends, Enemies, Acquaintances and Detractors Recall His Turbulent Career" von George Plimpton). Capote, noch gnomhafter von Toby Jones gespielt als in "Capote" von Philip Seymour-Hoffman, erweist sich im Laufe des Filmes als weitaus komplexerer Charakter, als zuerst vermutet. Er liest die Zeitungsnotiz über das Verbrechen in Kanas, bei dem eine Farmerfamilie brutal ermordet wurde, und beschließt, anhand dieser Geschichte eine neue Form der Reportage zu entwickelt ("eine Reportage mit fiktionalen Mitteln"). Nachdem der Zuseher bereits die oberflächliche, ebenso von gossip determinierte Welt der High Society vorgeführt bekommen hat wie die heutige yellow press, entscheidet sich Truman, seine einzige richtige Freundin mit auf die Reise zu nehmen: die Schriftstellerin Harper Lee (Sandra Bullock), die in "Infamous" weitaus mehr Raum bekommt, als Catherine Keener in "Capote", und durch ihre kritischen Anmerkungen weitaus effektiver die dunkle Seite von Capotes Vorhaben beleuchtet, reale Menschen in Charaktere einer fiktiven Geschichte zu verwandeln. Daniel Craigs Perry Smith wird in dieser Interpretation zum missverstandenen Intellektuellen, der versagt hat, ein Kunstwerk zu erschaffen, und erst durch die grausame Tat erreich, was er immer wollte (da Truman Capote nun das Kunstwerk erschafft). Die Beziehung der beiden, die irgendwo zwischen gegenseitiger Faszination und Liebe, aber auch Ausbeutung, fluktuiert, wird präzise beleuchtet. Harper Lee bemerkt, dass es Trumans Reportage "In Cold Blood" weitaus besser bekommen würde, wenn die beiden Mörder hingerichtet und damit ein Ende bereitstellen würden.
Aus irgendeinem Grund ist "Infamous" der lebendigere Film, der auch erfolgreich die langsame Integration Truman Capotes in die konsevative Gesellschaft der Kleinstadt in Kansas darstellt - und dabei niemals in die flache Komödie absinkt, selbst, als der dritte Kleinstadtbewohner Capote mit "Mam" anspricht, und er sich vehement weigert, sich oberflächlich anzupassen.
Dabei ist besonders die nuancierte Performance von Sandra Bullock hervorzuheben, die sonst viel zu selten die ganze Bandbreite ihrer schauspielerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen darf. Ihre Harper Lee ist vielleicht nur ein Nebencharakter, aber der notwendige und wichtige Kontrapunkt zu Capote, ohne deren Bodenständigkeit dieser kaum vom Fleck kommen würde. Alles in allem ist "Infamous" ein Film, der ohne Probleme mit "Capote" mithalten kann, und diesen um einige dort fehlende Aspekte erweitern kann, während er genau so gute schauspielerische Leistungen bietet (außerdem muss man Gwyneth Paltrows dreiminütige Performance als Peggy Lee, verwundbar und einprägend, zumindest einmal gesehen haben).

2006, Regie: Douglas McGrath, mit Toby Jones, Sandra Bullock, Daniel Craig, Sigourney Weaver, Jeff Daniels, Isabella Rosselini, Gwyneth Paltrow.

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