Saturday 12 September 2009

John Adams - HBO miniseries

In "John Adams" ist die Gründung der Vereinigten Staaten im Kern nicht der militärische Krieg gegen England, nicht die gefallenen Patrioten, nicht einmal der entscheidende Moment, an dem sich die Meute in Boston dazu entschied, den Captain des englischen Handlungsschiffs zu Teeren und zu Federn, um dessen Fracht ins Meer zu werfen. In "John Adams" ist die Staatwerdung der Vereinigten Staaten ein Konflikt mit geschriebenen und gesprochenen Worten, ausgetragen zwischen den Abgesandten der dreizehn Kolonien, zwischen denen keineswegs Einigkeit herrscht, dass dieses Gebilde überhaupt ein einheitlicher Staat sein kann oder sollte, dass England ein Tyrann ist, von dem Unabhängikeit zu erlangen ist, oder ob Gewalt ein angemessenes Mittel für die Erlangung dieser Unabhängigkeit ist. Dabei konzentriert sich die Serie auf den titelgebenden Helden (gespielt von einem genialen Paul Giamatti), einen Bostoner Anwalt, der unfreiwillig in den schon lange brodelnden Konflikt gezogen wird, als er Pflichtverteidiger eines englischen Soldaten wird, der angeklagt ist, einen Schießbefehl gegen eine Demonstration erteilt zu haben. Er gewinnt den Prozess, und wird daraufhin als respektables Mitglied in die Delegation von Massachusetts zum Continental Congress in Philadelphia berufen.
Als in Lexington und Concord im April 1775 die ersten Schüsse fallen, ist die Veränderung spürbar. John Adams, vormals gemäßigt und zurückhaltend, wird zum glühenden Verteidiger der amerikanischen Unabhängigkeit. Er plädiert für die Unabhängigkeitserklärung und denkt gemeinsam mit dem ruhigen und laut eigener Aussage "nicht für die öffentlichen Reden geschaffenen" Gesandten aus Virginia Thomas Jefferson über die Declaration of Rights (die "Declaration and Resolves of the First Continental Congress", welche die bekannten Zeilen "life, liberty and property" enthält) nach, die eine allgemein gültige Begründung und Rechtfertigung für das Unabhängigkeitsbestreben geben soll.
Dabei ist die Einbettung dieses Politikers, im Konflikt zwischen politischen Idealen und seiner Familie, perfekt dargestellt. Adams Ehefrau, Abigail Adams (Laura Linney), in der Realität eine noch ausgesprochenere Aktivistin für die Abschaffung der Sklaverei und die vom Continental Congress in all ihren idealistischen Erklärung niemals mitgedachten Frauenrechten ("all men are created equal") ist selbst zerrissen zwischen ihrem Verständnis für dieses Monster, das ihren Mann treibt, und den Leiden unter seiner ständigen Absichten. Während er in Frankreich für eine Französische Intervention im Unabhängigkeitskrieg plädiert, und wegen seiner Launigkeit und Unfähigkeit zur Anpassung an die Versailler Dekadenz kläglich scheitert (vor allem im Vergleich zu dem spektakulären Ben Franklin), kümmert sie sich zu Hause um den landwirtschaftlichen Betrieb, um die vier Kinder, und bewältigt alleine Krisen wie die ausgebrochene Pockenseuche (bei den graphischen Details von Krankheit und Amputation im Krieg ist die Serie nicht zurückhaltend).
Die Geburt der Nation aus dem Blut des Kriegs und aus den hochtrabenden Schriften ihrer Gründerväter wird ab den letzten Teilen der Serie zu einer sich langsam einspielenden Prozedur, die vor allem aus den Sichten des unendlich enttäuschten, weil bei der ersten Präsidentenwahl gescheiterten Adams, all ihre anfänglichen Versprechen verraten hat. Als Washington (David Morse), der erfolgreiche Kriegsherr und im Film unerreichbare und pflichtversessene Übervater, nach zwei Amtszeiten abdankt, wird Adams schließlich doch Präsident, aber aus dem glorreichen Einzug in das neu errichtete Haus in Washington, DC wird ein ernüchternder Marsch durch den Matsch einer durch Sklavenarbeit aus dem Boden gestampften Stadt, mitten im Moskito- und Malariagebiet Marylands.
Für dieses komplexe political animal, das nach nur einer Amtzeit durch seinen ewigen Rivalen - und intellektuellen Freund - Jefferson ersetzt wird, bedeutet das Älterwerden eine Arbeit an der eigenen Reputation mit dem ständigen Wissen, wohl als unbedeutender Präsident in die Geschichte einzugehen. Diese Idee des Scheiterns, sowohl an den eigenen Idealen, als auch an den Ansprüchen der Geschichte, die andere Narrative vorzieht, zieht sich durch "John Adams". Am Ende dreht sich alles um die Kosten, die ein solches politisches Leben fordert: ein Sohn, gänzlich entfremdet vom eigenen Vater, stirbt kläglich an seiner Alkoholsucht, die anderen können die hohen Ansprüche des Vaters niemals erfüllen (als der älteste Sohn schließlich Präsident wird, ist er schon längst zu weit entfernt), und die Tochter (Sarah Polley), stirbt grausam an Brustkrebs.
"John Adams" weist schon darauf hin, dass die Entstehung einer Nation hier kein abgeschlossener Prozess ist, vor allem, wo die späteren Konflikte schon in die Blindheiten der Gründerväter gegenüber der Frage der Sklaverei und den Frauen angelegt sind. Dass diese Geschichte auch als Biographie eines nicht perfekten, am Ende scheiternden Mannes erzählt werden kann, ist eine spannende Idee: vor allem, wo es hier nicht um einen der klingenden Namen (Washington, Franklin, Jefferson) geht, sondern um den, den die Geschichte vergessen hat.

2008, mit Paul Giamatti, Laura Linney, Stephen Dillane, John Dossett, Sarah Polley, David Morse, Samuel Barnett, Andrew Scott, Danny Huston, Tom Wilkinson, Rufus Sewell, Justin Theroux, Zeljko Ivanek.

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