Tuesday 30 December 2008

Forgetting Sarah Marshall / Pineapple Express



Als "Freaks and Geeks", Paul Feigs und Judd Apatows Serie über zwei verschiedene Gruppen Jugendlicher in einem Vorort der 1980er, vor einigen Jahren abgesetzt wurde, fühlten sich die treuen Fans um ein ehrliches Stück Fernsehen betrogen. Die wenigen Folgen zeichneten ein Portrait der älteren Freaks - eine Gruppe weedrauchender Loser, die ziellos auf ihre Zukunft zusteuerten ohne wirklich einen Plan zu haben (unter ihnen Jason Segel, Seth Rogen, James Franco und Busy Phillips) und der jüngeren Geeks - drei Jungs knapp am Rande der Pubertät, die nicht nur wegen ihrer Kleidung und ihrer Vorliebe für Steve Martin und Star Wars nicht in die High-School-Klassengesellschaft passen wollten (John Francis Daley, Samm Levine, Martin Starr). Zwischen verschiedenen Ansprüchen hin und her gerissen war Lindsay Weir (Linda Cardellini), die Hauptfigur der Serie, die nach dem Tod ihrer Großmutter in den Mathletes nicht mehr den Rückhhalt findet, den sie in ihrer Sinnkrise braucht, und deswegen rebelliert indem sie sich halbherzig den Freaks anschließt.
Nach dem Ende der Serie zerstreuten sich die Wege der Mitwirkenden erstmals - bis etwas erstaunliches und unerwartetes geschah. Einer der beiden Produzenten verwandelte sich in die Zukunftshoffnung der Hollywoodtragödie, die knietief in ihrer eigenen Belanglosigkeit und Idiotie versunken war. Judd Apatow drehte 2005 "The 40 Year old Virgin", zwei Jahre später "Knocked Up", und produzierte nebenbei die Filme vieler derer, die vorher bei "Freaks and Geeks" graduiert hatten. Die altbekannten Haupt- und Nebenschauspieler der Serie kehrten an seine Seite zurück (vor allem die Freaks).
"Forgetting Sarah Marshall" und "Pineapple Express" wurden beide von ehemaligen "Freaks and Geeks"-Schauspielern geschrieben: Seth Rogen ist inzwischen ein bekannter Schauspieler, der in seinen Filmen das unlikely girl kriegt (Katherine Heigl in "Knocked Up"), hinter seinem aufgesetzten Slackertum mehr Intelligenz und Ambition verbirgt als erwartet und wahrscheinlich genau deswegen erfolgreich ist, weil er in "Freaks and Geeks" einer der Freaks war, nicht der Footballspieler - der normal guy ist in die Kinolandschaft aus dem Nirgendwo zurückgekehrt.
Jason Segels Rolle in "Freaks and Geeks" war von Anfang an ein bisschen komplexer als Rogens: sein Nick Andopolis wollte Schlagzeuger werden, scheiterte mit seinen großen Plänen aber immer wieder an den Drogen und der Trägheit. Als Freund von Lindsay scheitert er genau daran: ihrer Zielstrebigkeit etwas entgegenzusetzen, egal wie nett und treu er sein mag. Nach "Freaks and Geeks" wurde er einer der Hauptdarsteller in der genialen Sitcom "How I Met Your Mother": Hier hat es der ehemalige Stoner und Geek zum erfolgreichen Anwalt gebracht, ihm wird eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz zugestanden, mit der er aber nie angibt, und noch dazu ist er Mitte 20 schon verheiratet.
Diese beiden Typen sind die Erklärung für die verschiedenen Wege, die "Forgetting Sarah Marshall" und "Pineapple Express" gehen. Einer der beiden ist ein Film über das Leben nach dem Ende einer langjährigen Beziehung, der andere eine überdrehte Actionkomödie die in einem Tarantino um nichts nachstehenden Blutbad endet. "Sarah Marshall" ist deswegen ein ungewöhnlicher Film, weil er sich trotz des breiten Publikums, das er anstrebt, eine emotionale Wahrhaftigkeit zutraut, die für Komödien ungewöhnlich ist. Diese Stereotype sind ja inzwischen schon fast obligatorisch: Die oberflächliche Exfreundin, die Schauspielerin ist, der unsympathische dumme neue Freundin, das liebe Mädchen, das sich als neue Freundin anbietet: in "Sarah Marshall" trifft nichts davon zu. Obwohl Jason Segels Peter im Mittelpunkt des Films steht, werden allen anderen Figuren genug Szenen zugestanden, dass sie ihr Potential entwickeln können und mehr als ein einseitiges Klischee werden: Die Exfreundin (Kristen Bell aus "Veronica Mars" und "Heroes") erklärt, warum sie nach fünf Jahren mit dem schwierigen Künstler, der manchmal wochenlang die Wohnung nicht verlässt und einfach nicht glücklich sein kann, nicht mehr konnte. Der neue Freund (Russell Brand) ist britischer Sänger und trotz der lächerlichen Texte, der Affinität zu Yoga, nicht nur ein comic relief oder ein Hassobjekt, auf das projiziert werden kann (das ist eine der Meisterleistungen des Films). Es gibt natürlich zahlreiche Figuren im Hintergrund, die nichts weiter sind als Klischees, um noch deutlicher zu machen, dass Peter in Wirklichkeit fantastisch normal und well-together ist - die funktionieren aber eigentlich auch auf ihre Weise und nehmen nicht zuviel Aufmerksamkeit von dem Hauptdarstellern weg (Jonah Hill aus "Superbad" spielt einen obsessiven Fan des britischen Musikers).
Die Handlung: Peter ist mit der erfolgreichen Serienschauspielerin Sarah Marshall (die in einem CSI-Verschnitt die toughe Pathologin/Polizistin spielt) liiert - bis sie mit ihm Schluss macht. Er versumpft in seiner Wohnung, da er noch dazu als Komponist für Filmmusik an der gleichen Serie arbeitet. Nach einigen Wochen des dahinvegetierens beschließt er, Urlaub in Hawaii zu machen: unglücklicherweise macht seine Exfreundin genau dort mit ihrem neuen Freund ebenfalls Urlaub, im gleichen Hotel, wenige Meter entfernt. Als "Coming of Age"-Film stellt "Sarah Marshall" Peter die Aufgabe, über seine Freundin hinweg zu kommen, auch wenn sie so nahe ist, dass er ihr kaum entgehen kann - die Optionen sind vielfältig, er kann sich auf die fragwürdige Slacker-Philosophie derer einlassen, die in Hawaii gestrandet sind (etwa Paul Rudd als Anfang 40jähriger, "ewigjunger" Surflehrer), mit der niedlichen Rezeptionistin Rachel (Mila Kunis) ein neues Glück suchen, sich auf seine Kunst konzentrieren (er schreibt an einem Dracula-Muppets-Musical). Schlussendlich bekommt er die Belohnung für sein Mühsal.
Ganz anders "Pineapple Express". Weitergedacht ist aus dem High-School-Freak ein erwachsener Stoner geworden, dessen "Karriere" darin besteht, gerichtliche Vorladungen in Kostümen zu verteilen ("You've been served") und nebenbei so viel Weed wie möglich zu rauchen. Eine Tarantino-Situation in nüchternem und hellsichtigen Zustand zu überstehen ist schon schwierig genug: In "Pineapple Express" werden Dale und sein "Buddy", Dealer Saul (James Franco), der später mal civil engineer werden will, in eine verworrene Situation geworfen, die sie niemals ganz verstehen. Sie werden von korrupten Cops und der Drogenmafia gejagt, geraten in ein gewaltiges shootout, Dale muss nebenbei noch ein Abendessen bei den Eltern seiner Freundin überstehen, die immer noch in der High School ist - aber letztendlich geht es, wie schon bei "Superbad" (auch von Rogen und Goldberg geschrieben), nur ein bisschen ungeschickter und weniger emotionally intelligent exekutiert, um Männerfreundschaft, in der ständig explizit ein "wir sind aber hetero" mitschwingen muss, damit bloß kein Missverständnis aufkommt (der running joke dabei ist natürlich, dass die Freundinnen weder Interessen noch Lebensweg teilen, ergo die Intimität zwischen den Typen immer größer ist). David Gordon Green, ironischerweise der Regisseur von "All The Real Girls", ein Film der damals dafür gelobt wurde, dass er so wahrhaftig wie kaum einer davor die inneren Strukturen einer Beziehung aufdeckte (genau der Film, an den mich "Forgetting Sarah Marshall" in seinen besten Momenten erinnert hat), scheitert ein bisschen an seinem Material, wenn sein Anspruch ist, mehr als einen Film für pubertierende Jungs zu machen. Das Potential wird in kleinen Momenten, vor allem in denen, wo Saul und Dale alleine sind, klar, aber dazwischen ist so viel überdrehtes Klischee ohne die liebevolle und detailgetreue Herangehensweise von "Superbad", dass man den Film am Ende nicht noch einmal sehen mag.

"Forgetting Sarah Marshall", 2008, Regie: Nicholas Stoller, Buch: Jason Segel, mit Jason Segel, Kristen Bell, Mila Kunis, Russell Brand, Bill Hader, Liz Cachowski, Maria Thayer, Jonah Hill, Paul Rudd, Taylor Wily. Als DVD unter dem glückseligen Titel "Nie wieder Sex mit der Ex" erschienen.

"Pineapple Express", 2008, Regie: David Gordon-Green, Buch: Seth Rogen, Evan Goldberg, mit Seth Rogen, James Franco, Danny R. McBride, Kevin Corrigan, Craig Robinson, Gary Cole, Rosie Perez, Ed Begley Jr., Nora Dunn, Amber Heard, Joe Lo Truglio, Bill Hader, James Remar.

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