Henry Kissinger, gespielt von Paul Sorvino, in "Nixon"Der große Erfolg, den der britische Fernsehstar David Frost am Ende seines letzten Interviews mit dem einzigen amerikanischen Präsidenten, der jemals freiwillig sein Amt niedergelegt hat, einfährt, ist das Ergebnis einer subtil geführten Schlacht, von Ron Howard als Match inszeniert - mit vorangegangenem Training, Phasen der Niedergeschlagenheit, und schließlich einem Sieg des Journalisten, der eigentlich ein Talkshowhost ist, über den Politiker. Frost interessiert sich nicht für die Nuancen der Korruption oder das Ausmaß des Skandals, der unzureichend unter dem Namen "Watergate" zusammengefasst wird, in Wirklichkeit aber die Unterlaufung des gesamten Justiz- und Geheimdienstapparats der USA zum Zwecke der Beseitigung demokratischer Gegner meint. Er will verstehen, wie der Mann vor ihm funktioniert, und vor allem, warum er die berühmten Tonbänder nicht vernichtet hat, die ihm das Präsidentenamt gekostet haben, da sie, wäre er nicht zurückgetreten, zu einer Amtsenthebung geführt hätten.
Die Idee des "executive privilege" wurde von der gerade zu Ende gehenden Bush-administration immer wieder benutzt, um Übertretungen von Gesetzen und der Verfassung zu rechtfertigen. "If the President does it it's not a crime" - so vom scheidenden Vizepräsidenten Cheney argumentiert, und gleichzeitig im Kino, aus dem Mund von Nixon in der entscheidenden Phase des Interviews.
"Frost/Nixon" befasst sich mit den zwölf Interviews, die 1977 stattfanden. Frost überzeugte den ehemaligen Präsidenten mit der Zahlung von 600 000 Dollar und produzierte die Interviews selbst, da er vorab keine Abnehmer fand - ein enormes Risiko für ihn und seinen Produzenten. Frost, eigentlich Erfinder und Moderator trivialer Fernsehunterhaltung, sucht sich ein Team aus Journalisten zusammen, die sich bereits mit der Materie befasst haben - wobei der Film geschickt darstelt, dass die Interessen der Akteure verschieden sind, da die Amerikaner ein großes Interesse haben, die moralischen Defizite Nixons zu enttarnen, während Frost offen an den Präsidenten herangeht. Frank Langellas Nixon ist lediglich ein Gegenspieler, der Film konzentriert sich auf die Arbeit von Frosts Team, nicht auf sein Innenleben. Aus dieser Perspektive wirkt Nixon noch unverständlicher: ein zutiefst verstörender Mann, dem jegliche soziale Kompetenz fehlt, was er am Ende gegenüber Frost eingesteht: es sei merkwürdig, dass ausgerechnet er, der nie gut mit Menschen umgehen konnte, ein Amt gewählt hat, wo dies eine der wichtigsten Eigenschaften sei, und vielleicht wäre eine umgekehrte Rollenverteilung der beiden Protagonisten besser gewesen.
Alan J. Pakulas "All the President's Men" basiert auf dem gleichnamigen Buch der beiden Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein. Er erschein nur zwei Jahre nach Nixons Rücktritt im Sommer 1974. Während "Frost/Nixon" die direkte Konfrontation von Präsident und journalistischem Interesse zeigt, beschränkt sich "All the President's Men" auf eine detaillierte Darstellung der investigativen Arbeit, die notwendig war, um den Skandal in seiner Gesamtheit zu erfassen, der als einfacher Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate-Hotel begann. Woodward und Bernstein arbeiten sich mühevoll durch die Reihen eingeschüchterter einfacher Mitarbeiter, bis sie schließlich die direkte Verbindung ins Weiße Haus finden, die sie vermutet haben - aber der Weg dahin ist ein Balanceakt, da die potentiellen Informanten um ihre Zukunft und um ihr Leben fürchten. Das Timing spielt daher eine wichtige Rolle, und jeder weitere Schritt ist ein Wettlauf mit den anderen Zeitungen (wobei das Interesse im Falle von Watergate bereits abgeklungen war, und die Washington Post vor allem durch das Vertrauen der Redakteure in die Journalisten einen Vorsprung gewann). Das Ergebnis der Ermittlungen und die Evaluation, die Relevanz, der journalistischen Tätigkeit muss am Ende gar nicht näher erklärt werden: es reicht eine simple Zusammenfassung der folgenden Ereignisse, vom Rücktritt der engen Mitarbeiter bis zum freiwilligen politischen Ende des Präsidenten. Das Argument, subtil im Hintergrund: ohne die ausgleichende vierte Macht der Medien würde dem korruptionsgefährdeten politischen System ein entscheidendes Element fehlen.
Oliver Stone präsentierte 2008, kurz vor dem Ende der Bush-Jahre, sein Portrait: "W." Der Regisseur ist bekannt dafür, nicht objektive und epische Portraits historischer Figuren zu zeichnen - die dann überraschenderweise verständnisvoller ausfallen, als vielleicht erwartet. Auf jeden Fall präsentiert "Nixon" einen Aspekt, der sowohl "All the President's Men" als auch "Frost/Nixon" fehlt - den Versuch, durch eine biographische Darstellung Nixons zu erklären, wie es zu diesem entscheidenden Moment in der amerikanischen Geschichte kommen konnte. Dabei ist es natürlich immer fraglich, ob einfache Rückschlüsse aus der Biographie des Präsidenten ausreichen, um sein politisches Handeln oder das Umfeld zu erklären, in dem er sich bewegt: Im Falle von Nixon wird die Geschichte eines Mannes aus einfachen Verhältnissen gezeichnet, der früh zwei seiner Brüder verloren hat und von einer tief-religiösen Mutter eine Strebsamkeit und einen Willen zur Macht bekommen hat, der vielleicht erklärt, warum er nach einem Wahlverlust gegen John F. Kennedy 1960 und zwei Jahre später um den Posten des Gouverneurs trotzdem ins Rennen um das Präsidentenamt ging. Dabei ist "Nixon" auch der einzige der Filme, der seine Amtszeit historisch verankert: Der Vietnamkrieg, von Kennedy und Lyndon B. Johnson ungeschickt geführt, die Studentenunruhen, die Black Power-Bewegung. Ausgerechnet in diesem Moment der inzwischen als entscheidend für die Linksbewegung angesehen wird, kam ein Präsident an die Macht, der an die "richtigen" Amerikaner appellierte, die nicht auf der Straße waren um zu demonstrieren, sondern arbeiteten. Stone zeichnet Nixon einerseits als latenten Antisemiten, der aber andererseits auch (wobei der Wahrheitsgehalt seiner Aussagen stets in Zweifel gezogen werden muss und der Film keine objektive Betrachtung zulässt) zu verstehen versucht, wie er das "wild animal" des politischen Systems zähmen und in eine bestimmte Richtung lenken kann, so dass stellenweise sogar eine Art Verständnis für die Idee des "executive privilege", das sich über Konventionen und Gesetze zum "Wohle des Staats" hinwegsetzen kann, aufkommt. Vielleicht will Nixon die Tonbänder nicht vernichte, weil er sie als Teil seines Vermächtnisses oder seines Privateigentums ansieht, das ihm gebührt. Die Gefahr geht eher von einem sich verselbstständigendem Geheimdienstapparat aus, der ohne entsprechende Kontrolle als eine Art self-fulfilling prophecy (was da ist, muss auch genutzt werden) die Integrität gefährdet.
In seinen besten Momenten schafft "Nixon", den Präsidenten als zutiefst missverstanden darzustellen - was, mit ein wenig spin, vielleicht auch die Perspektive ist, die zukünftige Historiker gegenüber George W. Bush einnehmen werden, wenn Obama nach seinem Amtsantritt darauf verzichtet, die Fehler und Gesetzesübertritte (Folter, Guantanamo, illegale Überwachung) mit allen Mitteln zu verfolgen. Nur ein Monat nach Nixons Rücktritt erhielt er von seinem Nachfolger, dem ehemaligen Vizepräsidenten Gerald Ford, ein presidential pardon, das ihn vor allen zukünftigen Strafprozessen bezüglich seines Präsidentenamtes bewahrte. Wer meint, dass die "moralische Rekonstruktion" der USA am besten dadurch geschieht, dass vergangene Fehler einfach vergessen werden, sollte betrachten, dass Nixon und Watergate immer noch für ein Trauma der Nation stehen, das bis heute nicht bewältigt ist.
"All the President's Men", 1975, Regie: Alan J. Pakula, mit Robert Redford, Dustin Hoffman, Jack Warden, Martin Balsam, Hal Holbrook, Jason Robards, Jane Alexander, Meredith Baxter, Ned Beatty, Stephen Collins.
"Nixon", 1995, Regie: Oliver Stone, mit Anthony Hopkins, Joan Allen, Powers Boothe, Ed Harris, Bob Hoskins, E.G. Marshall, David Paymer, David Hyde Pierce, Paul Sorvino, Mary Steenburgen, Annabeth Gish, J. T. Walsh, James Woods, Edward Herrmann, John C. McGinley.
"Frost/Nixon", 2008, Regie: Ron Howard, mit Frank Langella, Michael Sheen, Sam Rockwell, Kevin Bacon, Matthew Macfadyen, Oliver Platt, Rebecca Hall, Toby Jones, Andy Milder.
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