Wednesday 11 October 2006

Das Parfum

Es war vor allem ein Vorwurf, der in all den Kritiken an Tom Tykwers Verfilmung des Romans von Patrick Süskind durchklang: Tykwer hat es nicht geschafft, eine eigene Sprache für die Besonderheit des Romans zu schaffen, wegen derer er als unverfilmbar galt, und hat deswegen versagt. Wie findet man eine Sprache für den Geruchsinn, und warum ist es schwieriger, diesen Sinneseindruck auf Film zu bannen, als ihn mit Worten zu beschreiben?
Wenn ich diese Aufgabe jemandem zugetraut hätte, dann Tom Tykwer (da der Stoff eher nicht für Darren Aronofsky geeignet wäre). Tykwer überzeugte mich in "Lola Rennt" gerade durch die Optik, und diese rettete auch seine etwas lahmende Verfilmung von Kieslowkis "Heaven". Warum also scheitert er am "Parfum? Das Problem ist, dass es für den Zuseher offensichtlich ist, wie Tykwer schließlich dazu gekommen ist, ausgetretene Pfade zu nehmen, statt eine neue Sprache zu finden. Vielleicht hätte er mit Experimenten Zuseher abgeschreckt, doch ein Buch, welches seit 1985 so gut verkauft wurde, muss einfach ein Blockbuster werden – deswegen Bernd Eichmann, deswegen das merkwürdige Deutsch-Amerikanische Ensemble vor französischem Hintergrund.
Der Ekel steht im Vordergrund, nicht jedoch jener vor Brutalität – der Film beginnt damit, dem Zuseher mit möglichst eindringlichen Bildern des Fischmarktes von Paris den Gestank bewusst zu machen, in dem Jean-Baptiste Grenouille (Ben Whishaw) hinein geboren wird. Eine lieblose Welt, in der er mit dem Überlebensinstinkt eines wilden Tieres durchkommt, ohne zu wissen warum, die er mit seinem außergewöhnlich ausgeprägten Geruchssinn begreift. Der Versuch, den Geruch einer rothaarigen Jungfrau zu erhalten (sein erstes Opfer wird von Karoline Herfurth gespielt) endet mit einem unbeabsichtigten Mord. Die Obsession, alle Gerüche zu konservieren, bringt Grenouille zu einem gealterten italienischen Parfumier (gespielt von Dustin Hoffman), der ihn für seine eigenen Zwecke benützt, denn sein perfekter Geruchsinn ermöglicht ihm das Mischen himmlischer Parfums. Das, was er will, lernt er hier aber nicht: Das Konservieren menschlicher Gerüche – und so geht er als Lehrling nach Grasse, "Das Rom der Düfte", welches bei Tykwer natürlich rein optisch mit dem stinkenden Paris kontrastiert – auf dem Weg dorthin realisiert Grenouille in einer Höhle, dass er keinen eigenen Geruch hat, was für ihn eine erschreckende Erkenntnis ist, da er die Existenz der Dinge bis jetzt nur über ihren Geruch wahrgenommen hat, also in seiner eigenen Welt nicht existiert.
In Grasse lernt Grenouille, wie er den menschlichen Geruch konservieren kann, und alsbald geht eine Mordserie in der Stadt um, der junge Mädchen haufenweise zum Opfer fallen. Grenouilles größte Obsession ist die Adelstochter Laura, gespielt von Rachel Hurd-Wood. Der Mord an ihr wird ihm zum Verhängnis, aber ihr Geruch ist der letzte Bestandteil seines perfekten Parfums menschlicher Gerüche, und so betröpfelt er sich vor seiner Hinrichtung damit und wird alsbald als Engel, als Prophet, verehrt, was in einer Massenorgie endet, die dann tatsächlich einmalig in der Filmgeschichte ist. In diesem Moment erkennt er, dass er niemals Teil der Gesellschaft sein wird, niemals geliebt werden wird, und lässt sich von einer gierigen Masse regelrecht auffressen, bis nichts mehr von ihm übrig ist.
Tykwers Grenouille unterscheidet sich von dem des Romans: zu einem gewissen Maße wird er zu einer Figur, deren Motivation begreifbar wird, die sich gar nach Liebe sehnt, wohingegen man bei der Romanvorlage aber das Gefühl hat, mit einem instinktgetriebenen Monster konfrontiert zu sein. Die Anziehungskraft, welche die rothaarigen Jungfrauen auf Grenouille ausüben, wird simplifiziert in optische Schönheit übersetzt – und genau das gleiche trifft auch für die andere Gerüche zu. Blumen, Gewürze, Schmutz, alles wird gezeigt, und doch bleibt es platt, die Bilder reichen nicht.
Der Film ist trotzdem nicht schlecht. Die Inszenierung der Massenszenen, in denen Grenouille als einmaliges Genie oder Monster gegen eine hetzende Meute ausgespielt wird, sind ausgezeichnet gelungen, und die Einmaligkeit der Orgie, in der wohl Tausende Statisten involviert gewesen sein müssen, kann niemand bestreiten. Die Gewalt Grenouilles wird ja niemals als graphisch ekelhaft dargestellt, doch die nach Blut lechzende Masse ist letztendlich das Monster. Ein missglückter Versuch, aber kein schlechter.

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