Monday 29 October 2007

Ratatouille

„Ratatouille“ ist ein guter Film. Nachdem ich ihn gesehen hatte, überlegte ich, ob ich ihn mir anders vorstellen könnte, etwa als nicht-computeranimierten, klassischen Zeichentrickfilm, oder als echten Film mit Schauspielern. Tatsächlich hat Pixar etwas geschafft, was Disney irgendwann in den vergangenen Jahren der Beliebigkeit abhanden gekommen ist: die Produktionsfirma hat ein eigenes Genre gefunden, das mit anderen Mitteln als ihren eigenen nicht ausgearbeitet werden kann. Oder geht das auch im Echtfilm: Eine Ratte, geschlagen mit dem ewigen Problem des Künstlers, sich von seiner Umwelt eingeengt zu fühlen und hinaus in die große Welt zu wollen, landet per Kanalsystem in dem Gourmetrestaurant, welches es bis jetzt nur aus der Kochsendung eines kürzlich verstorbenen Kochs kennt, und hilft dort einem tollpatschigen jungen Mann, zum Starkoch aufzusteigen, in dem er ihn an den Haarsträhnen wie eine Marionette führt. Die Ratte kann nämlich kochen, er ist sogar ein Kochgenie, gar nicht so unähnlich Grenouille aus „Das Parfüm“, auch wenn die Autoren hier weitaus mehr Mühe in die Darstellung der Sinnesgenüsse gesteckt haben als Tom Tykwer in seinen eher verunglückten Versuch.
Eine Form für einen bestimmten Inhalt finden: in der europäischen Filmkultur ist die Idee noch nicht angekommen, dass Zeichentrickfilm anspruchsvoll sein könnten. Die amerikanischen graphic novels setzen sich nur langsam als ernsthafte Literatur durch, und wenn sie verfilmt werden, dann als Echtfilm zwischen zwingender Realität („V wie Vendetta“) oder dem comic entnommener, aber immer noch realer Verfremdung („Sin City“, „300“). Ein Film wie „Akira“ oder „Ghost in the Shell“ wäre hier nicht denkbar, eine Tradition des ernsthaften Zeichentrickfilms existiert nicht.
Bei den klassischen Disneyfilmen schwebte die Moralkeule immer als Bedrohung über der Szenerie: einige der schlechten Eigenschaften seiner imaginären Mutter hat sich Pixar zwar behalten, zum Beispiel, dass die Bösen meist irgendwelchen Stereotypen entsprechen (in diesem Fall ein kleiner, hässlicher Mann mit Napoleonkomplex, der französische akzent entspricht in den Usa wohl mehr einem Feindbild als hier), aber alles in allem herrscht hie die Fähigkeit vor, Moral auf eine sehr subtile Weise zu vermitteln. Das ist immer noch ein Familienfilm: am Ende versöhnt sich der ambitionierte Künstler mit seiner großen Familie, dem Rattenclan, und erkennt, dass man seine Herkunft nicht unbedingt verleugnen muss, um seine Ziele zu erreichen. Und ein Film, dessen Titelsong von Camille stammt, kann doch gar nicht schlecht sein, oder?

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