Friday, 27 March 2009

Watchmen

Zack Snyders Verfilmung von Alan Moores zwölfteiliger Serie "Watchmen" hält sich über weite Strecken wortwörtlich an die Vorlage. Einige Handlungsstränge wurden weggelassen und am Ende etwas herumgebastelt, was aber nichts an der zentralen Aussage des Stoffes ändert und ihn, wenn überhaupt, noch ein wenig mehr in die heutige Zeit holt. Die lange Anfangssequenz, über welche die Credits laufen, ist ein genialer Schachzug: hier wird eine Welt gezeigt, in der Superhelden seit den frühen Vierzigern eine Selbstverständlichkeit sind. Sie sind eine popkulturelle und politische Realität: Statt des GIs übernimmt Silhouette die Rolle des küssenden Soldaten in dem berühmten Foto des V-Days, Andy Warhol malt sie, Annie Leibovitz fotografiert sie mit Bob Dylans "The Times They Are A-Changing" (in einer späteren Szene des Filmes, in einer kleinen Ironie der Geschichte, kommt "All Along the Watchtower" eine tragende Rolle zu, nur wenige Wochen, bevor ausgerechnet dieser Song das Finale von "Battlestar Galactica" begleitet) im Hintergrund.
Dabei ist "Watchmen" ein weitaus komplizierteres und moralisch schwieriger zu deutendes Werk als etwa "The Dark Knight" oder das ebenfalls auf einer Vorlage von Moore basierende "V for Vendetta". Ehrlich gesagt war ich nicht unbedingt überzeugt, als ich nach mehr als zweieinhalb Stunden aus dem Kinosaal kam - ja, die popkulturellen Referenzen sind genial, Richard Nixons Nase spielt eine entscheidende Rolle, Henry Kissinger war sogar für jene erkennbar, die sonst nichts mit Politik zu tun haben - aber der geschichtliche und politische Zugang war schwierig, die Suche nach einer leicht verständlichen Aussage oder auch nur einer Intention des Filmes. Es dauerte eine Nacht, bis ich mir etwas dazu zusammengezimmert hatte, und dessen bin ich mir immer noch nicht sicher.
Erstens: die Geschichte beginnt noch vor dem zweiten Weltkrieg, als die erste Generation, die Minutemen, beschließen, das Böse im Sinne der amerikanischen Regierung aus der Grauregion von Recht und Ordnung zu bekämpfen. Einer von ihnen ist ein Wissenschaftler, der sich nach einem Strahlungsunfall in ein Wesen (Doc Manhattan) verwandelt hat, das zwar nicht gerne mit einem Gott verglichen wird, aber trotzdem außerhalb unseres konventionellen chronologischen Zeitempfindes existiert und Materie kontrollieren kann. Das heißt, die USA verfügen über die ultimative Waffe - eine beinahe unbesiegbare Gruppe williger, wenn auch teilweise moralisch sehr fragwürdiger Helden (als abschreckendes Beispiel dafür wird der Comedian eingeführt, dessen Tod den Beginn des Filmes einläutet - in einer der rauhesten Kampfszenen der letzten Jahre, konsequenterweise vom Regisseur von "300"). Was, wenn es in den Sechzigern niemals zu einer die Gesellschaft vorwärts treibenden und die Vergangenheit aufarbeitenden Rebellion gekommen wäre, weil diese von den Dienern eines konservativen und machthungrigen Administration brutal niedergeschlagen worden ist? Wenn der Vietnamkrieg nicht in einem blutigen Disaster für die USA geendet hätte, sondern mit der Hilfe von Doc Manhattan der Vietcong besiegt worden sind? Wenn diese Helden den Russen soviel Angst eingejagt hätten, dass sie vollkommen unproportional aufrüsten, während ein niemals mit dem Watergate-Skandal behelligte Richard Nixon, in einer dritten oder vierten Amszeit, sich nicht mit Diplomatie herumschlagen muss?
Zusammengefasst: Obwohl den USA diese ultimative Waffe zur Verfügung steht, sieht das Land 1985 um keinen Deut besser aus, als es ohne diese Helden in unserer richtigen Zeitlinie dagestanden ist. Nixon regiert noch immer, die meisten Menschen sind arm, New York versinkt in Kriminalität und Prostitution, der Kalte Krieg ist bereits so eskaliert, dass die symbolische Uhr, die den Weltuntergang symbolisieren soll, auf fünf vor zwölf steht. 1977 führten breite Proteste in der Bevölkerung ("Who watches the Watchmen?") dazu, dass die zweite Generation ihre Latexuniformen an den Haken hängen musste,und ein normales Leben in viel zu früher Rente führt. Ozymandis bzw. Adrian Veidt (gespielt von Matthew Goode, bekannt aus "Imagine Me & You" und dem für diese Rolle vielleicht hilfreicheren und sehr empfehlbaren "The Lookout") ist der klügste Mann der Welt und hat diese Intelligenz dazu genutzt, ein Imperium aufzubauen, das alles von Kinderspielzeug bis Gentechnik produziert. Silk Spectre aka Laurie Jupiter (Malin Akerman), die bereits in der zweiten Generation Superheldin war, ist mit ihrem Freund, Doc Manhattan (Doc Manhattan), eher unglücklich, weil dieser langsam aber sicher den Kontakt zu den Menschen verliert, deren Treiben ihn eher an das von Ameisen erinnert, während er in seiner Freizeit lieber am Mars rumhängt, wo nicht so viel los ist. Die Erkenntnis, dass ein allmächtiger Superheld vielleicht das Interesse an den kleinen, menschlichen Problemen verlieren könnte, ist noch ein bisschen schockierender, als dass einer der Superhelden ein beängistend rassistischer und homophober Soziopath ist, dem noch dazu die Rolle zukommt, die Geschichte in Form von Tagebucheinträgen zu erzählen, was heißt, dass der Zuseher seiner schwarz-weißen Weltsicht gänzlich ausgeliefert ist. Rorschach (Jackie Earle Haley), dessen Maske in immer veränderten Mustern, aber niemals grau, nur schwarz und weiß, geschmückt ist, hat schon Jahre zuvor seine normale Identität als Polizeibeamter Walter Kovacs verloren, und ist nicht bereit, im Kampf gegen das Böse irgendwelche Kompromisse einzugehen. Das traurigste Beispiel ist Nite Owl aka Dan Dreiberg (Patrick Wilson, dem die Wandlung von unfittem Slacker zu Superhelden besser gelingt als den anderen) hat, so die nicht sehr subtile Deutung, gemeinsam mit seinem Kostüm auch gleich die Männlichkeit verloren, die er sofort zurückgewinnt, sobald er wieder ein paar Heldentaten verrichten kann.
Die einzige Person aus diesem traurigen Pantheon, die sich über Moral Gedanken macht, ist Rorschach, der von der Polizei gesucht wird und seinem Geschäft weiterhin nachgeht. Für ihn hat der Kampf gegen das Böse nicht geendet, und er kann die Maske nicht ablegen, da ihn in der richtigen Welt kein Leben erwartet, das lebenswert wäre - was heimlich auch das Problem seiner ehemaligen Kollegen ist.
Die Wiederauferweckung der Watchmen erfolgt, während die Welt mit jeder Minute dem, so die konventionelle Sorge, von den Russen verursachten Weltuntergang näherkommt. Dabei ist dies eines der größten Probleme der "Watchmen" - während "V for Vendetta" den Test der Zeit als Manifest für zivilen Ungehorsam überstanden hat, ist "Watchmen" in seiner Essenz ein Portrait der Weltbevölkerung 1985, als die Weltpolitik von einer ähnlichen bipolaren Schwarz-Weiß-Sicht wie die Maske von Rorschach geprägt war. Wie dieses Werk auf die heutige Situation anzuwenden ist, will und muss der Film nicht beantworten, da er konsequent in seiner Zeit bleibt - inklusive "99 Luftballons" von Nena, der furchbar großen, klumpigen Hornbrillen und der fragwürdigen Fönfrisuren. Dass einer auf das Eigeninteresse bedachten Administration nicht vertraut werden kann, da sie diese Macht bestimmt missbrauchen wird (und hier ist Nixon als Akteur schon im vorhinein geschichtlich deskreditiert, da wir ja wissen, wie es wirklich war...), ist keine großartige Erkenntnis. "Watchmen" ist eher relevant für das Genre der Superheldenfilme, denn die hier portraitierten Individuen sind innerlich dermaßen zerstört, dass nicht einmal ihre Konflikte nachvollziehbar sind. Für sie bedeuten die Kostüme weniger Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, sondern Selbstverwirklichung, und das gilt für den psychopathischen Mörder und Vergewaltiger Comedian genau so wie für den weitaus sympathischeren Nite Owl.
Das Ende ist dementsprechend bitter: der Tod von Millionen beendet den kalten Krieg, und ist damit im Kontext einer Superheldenmoral vom "greater good" rechtfertigbar. Die Stimme der potentiellen Revolution, der kompromisslose Rorschach ist ein faschistischer Soziopath. Dagegen war die Welt von "The Dark Knight" fast noch hoffnungsvoll.

1999, Regie: Zack Snyder, mit Malin Akerman, Billy Crudup, Matthew Goode, Jackie Earle Haley, Jeffrey Dean Morgan, Patrick Wilson, Carla Gugino, Matt Frewer, Stephen McHattie, Laura Mennell, Rob La Belle, Robert Wisden, Frank Novak.

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