Vor zwei Jahren, als ich begeistert von "Harry Potter and the Order of Phoenix" den naheliegenden Buffyvergleich anstellte, endete ich mit "der große Bogen zum Ende hat begonnen". Jetzt wird er also fortgesetzt, mit dem letzten Puzzlestück vor dem Finale, das alle Protagonisten an den richtigen Platz rücken sollte und den Boden bereiten für den letzten Teil, "Harry Potter and the Deathly Hallows".
Nach dem letzten Film habe ich auf die tragende Rolle der kleineren Nebencharaktere hingewiesen, die ohne Prophezeiung und Auserwähltsein, gegen ihre Angst, die Entscheidung treffen, sich Harrys Kampf gegen Voldemort anzuschließen, obwohl sie immer nur ein kleines Stück des Ruhmes abbekommen, obwohl über sie keine Artikel im "Daily Prophet" geschrieben werden. Neville (Matthew Lewis) und Luna Lovegood (Evanna Lynch) auf der Seite der Hogwartschüler, Lupin (David Thewlis) und Tonks (Natalia Tena) unter den Mitgliedern des Phönixordens. Diese Charaktere erhielten im vergangen Teil endlich genug Spielraum, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, und vor allem die neuen Schauspieler wurden zu einer unersetzlichen Ergänzung zu einem bewährten Team. Auch die Entscheidung, sowohl die politische Aussagekraft von Rowlings Serie als auch den immer ernster und düster werdenden Ton adequat wiederzugeben zählten zu den großen Stärken des besten Teils der Reihe. Dementsprechend waren die Erwartungen an David Yates hoch, auch in seinem zweiten Potterfilm erfolgreich zu sein.
Vielleicht wäre die Enttäuschung ohne den grandiosen Vorgänger weniger hoch. Denn eines schafft "Harry Potter and the Half-Blood Prince" nicht: Die Erwartungen der älteren Fans zu erfüllen, die an der Reihe vor allem die Komplexität und Ernsthaftigkeit schätzen, also gerade jene Parallelen zu "Buffy the Vampire Slayer" von Joss Whedon. Yates hat sich aus dem umfangreichen und in seiner Komplexität einfach nicht in zweieinhalb Stunden verfilmbaren Roman genau jenen Handlungsstrang herausgepickt, der der schwächste war, in auf knappe zwei Stunden aufgeblasen, und all jene Dinge, die elementar sind, um Harry, Ron und Hermione in die Ausgangsposition für das Finale zu bringen, auf 30 Minuten zusammengekürzt. Der Film wirkt, als sollte damit ein Publikum angesprochen werden, das sich vorher niemals für Harry Potter interessiert hat, was bei einer inzwischen schon sechs Einträge zählenden Reihe keine tragbare Entscheidung ist. Das kurz erzählte Highschool-Teenager-Liebesdrama: Ron liebt Hermione. Hermione liebt Ron. Ron wird mit Hilfe von Hermione und einem Placebo zu gefeierten Startorhüter des Quidditch-Teams. Ron bekommt sein persönliches Rallygirl. Hermione wird eifersüchtig. Zweitens: Harry liebt Ginny. Ginny ist Rons Schwester. Awkward!Nebenbei wird weggelassen, was an dem Roman so wichtig war: dass Harry und Tom Riddle aka Voldemort als Gegenspieler etabliert werden, in dem wir endlich mehr über den Werdegang des dunklen Zauberers erfahren. Dass Harry langsam alle Absicherungen verliert, hier endgültig auch Hogwarts als Heimat, während der Krieg auch in die Welt der Muggles einbricht und damit alle Grenzen überwindet. Eine der vielen Stärken des Vorgängerfilmes war die Idee, dass genau jene Institutionen, in die Kinder sonst Vertrauen haben sollten, zusammenbrechen und fragwürdig werden (personifiziert in der unheimlichen Margaret-Thatcheresquen Dolores Umbridge und dem länst schon untragbar gewordenen Minister Fudge).
Natürlich ist die Idee, zuerst eine Idylle zu etablieren, die nach ganz normalem Teenagerdrama aussieht, und diese dann zu dekonstruieren und zu zerstören, gut, aber nur wenn sie dann auch dementsprechend durchgeführt wird. Stattdessen ist das Tempo des Filmes unregelmäßig: die emotionalen Folgen einer Szene werden mit der nächsten vergessen gemacht, die Charakter haben keine Kontinuititäten mehr, keine festen Identitäten, und die Schauspieler scheinen mit einem Drehbuch zu kämpfen, das sie essentiell "out of character" erscheinen lässt. Luna und Neville, denen vorher so viel Platz gegeben wurde, werden zu lustigen Nebencharakteren (Neville darf gar nichts mehr sagen, Luna trägt lustige Kostüme), obwohl sie im Finale wichtig sein werden. Draco Malfoy, wie immer gut gespielt von Tom Felton, ist eigentlich der tragische Gegenpart von Harry, dem von Voldemort eine Aufgabe zugeteilt wird, der er nicht gewachsen ist - aber um diese Parallele zwischen den beiden Charakteren deutlich zu machen, bleibt der Harry dieses Teils zu schwach, nachdem erst so mühevoll etabliert wurde, wie schwer er an seiner Bürde trägt, scheinen seine inneren Konflikte jetzt an der Oberfläche zu liegen, und nicht einmal die schockierenden Ereignisse resonieren andeutungsweise so intensiv, wie der Tod Sirius vor zwei Jahren. Alles in allem ein missglückter Auftakt zu einem Finale, das zum Glück mehr Zeit hat, um wieder einen Weg zurück zu finden.
2009, Regie: David Yates, mit Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Michael Gambon, Helena Bonham Carter, Alan Rickman, Jim Broadbent, Tom Felton, Evanna Lynch, Robbie Coltrane, Matthew Lewis, Maggie Smith.
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