Sunday, 22 October 2006

American Psycho

Dieser Film müsste auf so vielen Ebenen diskutiert werden, dass sich theoretisch eine Diplomarbeit ausgehen würde. Warum? Weil er sich als aussagekräftiges Portrait der Yuppies anschleicht, der kalten, oberflächlichen, selbstsüchtigen 80er Jahre, die so gerne mit zwei Namen überdacht werden: Reagan und Thatcher. Weil ganz genau dieser Rückblick in die 80er Jahre plötzlich die Frage aufwirft, ob Patrick Bateman nicht in unsere Zeit genauso gut hineinpasst. Weil man, nachdem man den Film gesehen hat, überhaupt kein Bedürfnis mehr hat, dass dazugehörige Buch von Bret Easton Ellis zu lesen, da der Standpunkt von Mary Harron, der großartigen Regisseurin von "I Shot Andy Warhol" und "The Notorious Bettie Page" vollkommen ausreicht und scheinbar die absolute Wahrheit beinhaltet. Sie hat einen Vorteil: wenn Bret Easton Ellis über Gewalt an Frauen schreibt und immer offen lässt, wo die Ironie anfängt, setzt er sich automatisch einer feministischen Kritik aus. Wenn Mary Harron, selbst Feministin, dieses Buch verfilmt, kommt noch eine zusätzliche Ebene hinzu, eine Linse, auf die der Zuseher gar nicht verzichten kann. Wenn Patrick Bateman detailgenau seine Morgenroutine beschreibt, und schließlich mit dieser Feststellung schließt:
"There is an idea of a Patrick Bateman, some kind of abstraction, but there is no real me, only an entity, something illusory, and though I can hide my cold gaze and you can shake my hand and feel flesh gripping you and maybe you can even sense our lifestyles are probably comparable: I simply am not there."
wird die Ausgangssituation perfekt beschrieben. Aus dem übermäßig brutalen Buch wird ein ironischer Film, der zwar immer noch gewalttätig ist, aber eher dem Tarantinoschen Paradigma von Gewalt verfolgt: sie unterhält, sie kann lustig sein. Die Perspektive des Zusehers ist immer die Patrick Batemans, er wird sogar gezwungen, sich mit diesem leeren, nichtmenschlichen Wesen zu identifizieren, welches nichts weiter ist als sein eigener Lebensstil. Die wichtigste Aussage tätigt Bateman gegenüber seiner Verlobten, der wie immer oberflächlich und gerade deswegen perfekt agierenden Reese Witherspoon: er möchte einfach nur dazu gehören. Ob die Gewalttätigkeit auf ein Kindheitstrauma zurückzuführen ist oder ob Bateman an einer anderen psychischen Krankheit leidet, wird hier überhaupt nicht diskutiert, wenn überhaupt stellt der Film die These auf, dass diese reichen Yuppies, die nichts weiter tun, als eine Fassade aufrecht zu erhalten, die sich um nichts kümmern als ihr Aussehen, ihre Lokale, ihre Visitenkarten, ihre Drogen, allesamt Psychopathen sind. Was diese Psychopathen hervorgebracht hat, ob es eine sozial kalte Gesellschaft ist, eine auf Konsum fixierte Umgebung, wird nicht wirklich beantwortet – wie in Gus Van Sants "Elephant" fügen sich die einzelnen Bausteine nicht unbedingt zu einem vollständigen Bild zusammen. Das ausgezeichnete Review des Filmes auf PopMatters sieht in dem Moment, in dem Bateman seine zahlreichen Morde einem Anwalt gesteht, die Kernaussage des Filmes: in einer Welt, in der Menschen erst eine Daseinsberechtigung haben, wenn sie ihre Seelenwelt, ihr Leben, vor einem Publikum ausbreiten, ist dieses Geständnis, welches eigentlich kathartisch sein sollte und die Mordserie beenden (scheinbar will Bateman es beenden), nichts weiter als Fiktion. Der Anwalt versteht es als Witz, Bateman kommt davon.
Der Film ist perfekt besetzt. Es ist mir ein Rätsel, wie Christian Bale jemals wieder eine andere Rolle in Hollywood bekommen konnte, so sehr scheint ihm der Charakter Patrick Batemans zu liegen. In einer kleineren Rolle spielt die Drehbuchautorin Guinivere Turner, vor kurzem erst in einer ebenso arroganten, erstaunlich hassenswerten Rolle in The L Word zu sehen, das weibliche Pendant zu den Yuppies, die Bateman umgeben. Wo liegt die Menschlichkeit? Existiert auch nur ein Charakter, mit dem sich der Zuseher identifizieren kann? Natürlich wird kurze Zeit lang auch die Frage aufgeworfen, ob all die Morde nicht nur in Batemans Kopf geschehen – die Antwort auf die Frage, ob diese wirklich der Fall ist, muss der Zuseher für sich selbst finden. Das Opfer, welches davon kommt, ist Batemans Sekretärin (gespielt von Chloe Sevigny), die von Anfang an so wirkt, als wäre sie in der Umgebung vollkommen fehl am Platz.

No comments: